von Shamokin auf mich warten.
Von Martin Harper, dem filzbärtigen Sprengstoffexperten, lag schon ein Bericht vor. Das Labor hatte ebenso eine lange Berichterstattung vorgelegt, wie mir Larry erklärte, den ich nochmals anrief. Die beiden medizinischen Sachverständigen hatten die Obduktion des Toten abgeschlossen und ebenfalls ihren Bericht abgefasst.
Larry meldete von hohen Schulden des getöteten Bahningenieurs, die erst vor vier Tagen mit einem Male abgedeckt worden seien.
Lauter Mosaiksteinchen, die noch nicht zusammenpassten.
Und endlich erschien Fukas.
Er sah müde aus, über er lächelte. Ein Mann mit seinen Erfahrungen wusste, wann es sich lohnte, den wilden Stier zu spielen und wann nicht.
Er war unrasiert, was bei seinem dunklen Haar doppelt zur Geltung kam. Ich fand auch, dass er nicht mehr so frisch aussah wie bei unserem letzten Zusammentreffen. Was mich da anblickte, war ein Trinkergesicht. Tränensäcke unter den Augen, und die Lider rot und verquollen. Sein Atem bestätigte es mir.
„Ich stehe Ihnen zur Verfügung, Mr. McAllister“, sagte er betont freundlich und ließ sich auf dem Stuhl gegenüber nieder.
Die Rolle des Weltmannes stand ihm nicht. Er stammte aus einfachsten Kreisen, sah zwar verlebt, aber mit seinen grauen Schläfen immer noch attraktiv aus. Früher war er immer von ein paar netten Mädchen umgeben gewesen, und ich zweifelte nicht, dass es heute kaum anders wäre, träfe man ihn zu Hause an.
„Sie haben umgesattelt, Fukas?“, fragte ich. Er nickte eifrig, zog sein goldenes Zigarettenetui heraus und bot mir eine an. Ich lehnte ab, denn ich kannte seine Art, aus einer angenommenen Zigarette falsche Schlüsse zu ziehen.
„Tja, ich hab’ mal was anderes in Gang gebracht. Es läuft anständig. Autovermietung.“ Er lachte wieder. „Sie wissen das sicher längst.“
„In etwa. Unter anderem haben Sie auch einen seegrünen Pontiac 63?“
Wider Erwarten bejahte er das sofort. „Ist was mit dem Wagen? Er sollte eigentlich gestern Abend zurück sein, ist es aber nicht. Ein Unfall?“ Er winkte sofort selbst ab und meinte lachend: „Unsinn, dann wäre ich nicht bei Ihnen, Inspektor. Sind ja schließlich vom FBI.“
Jetzt wurde er jäh ernst, als begriffe er erst in diesem Augenblick, was das bedeutete. Er beugte sich vor, drückte die kaum angerauchte Zigarette wieder aus und fragte besorgt: „Inspektor, wenn es ein krummes Ding ist — ich habe nichts damit zu tun! Ich weiß nicht, was es sein könnte, aber ich habe den Wagen wirklich nur vermietet.“
Ich winkte einem der Beamten und sagte: „Bitte mitschreiben!“ Nachher wandte ich mich wieder an Fukas. „Und an wen haben Sie vermietet?“
„An Miss Collins ... Miss Betty Collins.“ Er überlegte eine Weile und sagte dann, als erinnere er sich an Einzelheiten: „Sie wollte noch, dass ich das Eigentümerschild am Armaturenbrett entferne, auf dem ja immer die Adresse der Vermietung stellt. Sie sei bei einem wichtigen Manne zu Besuch. Er dürfe nicht ahnen, dass es nicht ihr eigener Wagen sei, hat sie erklärend gesagt. Aber was ist passiert, Inspektor? Ich möchte es jetzt wissen. Schließlich geht es um meinen Wagen, Sie verstehen doch …‟
Ich unterbrach ihn mit einer Handbewegung. „Die Adresse von dem Mädchen!“
„Hm, ob es ein Mädchen war, weiß ich nicht. Sie war eigentlich aus dem Milchzahnalter heraus. Schätze, so kurz vor den Dreißigern. Betty Collins, und sie wohnt ... hm, da müsste ich wirklich in meinem Fahrtenbuch nachsehen. Ich kann es nicht sagen.“
„Geben Sie dem Kollegen an, wo das Fahrtenbuch liegt, er wird es für Sie holen, Mr. Fukas“, bestimmte ich.
Fukas machte nicht den geringsten Einwand. Das entlastete ihn ziemlich in meinen Augen. Er konnte sonst sehr beredt werden, wenn irgendwo in seinem Laden etwas faul war. Doch hier schien er tatsächlich eine reine Weste zu haben.
Einer der jungen Agenten ließ sich die Schlüssel geben und ging. Indessen erzählte mir Fukas, dass die Collins den Wagen am vergangenen Morgen geliehen hatte und ihn bis zum Abend zurückbringen wollte. Hundert Dollar waren als Vorauszahlung geleistet worden, und als Ausweis hatte sie einen Pass vorgelegt, in dem als Beruf Tänzerin angegeben war, wie sich Fukas entsann.
Dann rief der Kollege von unterwegs an. Er gab die Adresse der Collins durch.
Ich stand auf und entließ Fukas. Er erklärte mir freudestrahlend, dass es ihm eine Ehre sei, wenn ich ihn einmal gelegentlich besuchen würde.
5
Das Apartmenthaus stand dem Forrestpark direkt gegenüber. Man konnte hier keinesfalls billig wohnen. Ein Blick auf etwas Grünes kostet in New York immer eine Extramiete.
Ich ließ den jungen New Yorker Kollegen auf der Straße zurück, damit er im Falle eines Falles über Funk Verbindung zur Dienststelle halten konnte.
Das Haus war neu, modern und innen hell erleuchtet. Der Lift brachte mich mit dezentem Schnurren in den siebten Stock. Ich musste einem langen Gang folgen, bis ich Zimmer 176 fand.
Eine Visitenkarte klebte unter dem Guckloch. „Betty Collins. Choreographin“, stand da unverfroren. Ich hatte mir schon im Wagen über Sprechfunk ein paar Informationen geholt. Spärliche zwar, aber demnach war die gute Betty Collins seit ein paar Monaten ohne feste Arbeit. Und zuvor sollte sie in Nachtlokalen und drittklassigen Theatern — man kann auch Hinterhofbühnen dazu sagen — gearbeitet haben.
Der Polizei war sie durch zweifaches Vergehen gegen das Sittengesetz im Zusammenhang mit Jugendlichen bekannt. Striptease vor Minderjährigen, so etwas mag die Polizei in New York gar nicht.
Vor der Tür standen zwei Milchflaschen. Voll. Aber trotzdem schien jemand in der Wohnung zu sein. Ich hörte leise Musik. Und jemand sprach. Ich lauschte und war sicher, dass es eine Frauenstimme war, und zwar nicht aus dem Radio. Sie kam aus einer anderen Richtung als die Musik.
Ich drückte den Summer. Das Sprechen brach ab, die Musik wurde leiser. Jemand schlurfte auf die Tür zu, und ich hörte, wie eine Männerstimme sagte: „Das wird Sam sein. Sicher hat er den Wagen fertig.“
Die Tür wurde geöffnet. Vor mir stand eine blonde Frau. Gefärbt blond, das Gesicht einige Nuancen zu grell geschminkt, und in der harten Neonbeleuchtung des Korridors wirkte das gar nicht gut. Man sah jede Pore, und die waren bei der ein wenig verlebten Blonden recht groß. Auch mit dem Doppelkinn schien sie nicht fertig zu werden, obgleich sie gerade jetzt intensiv daran rieb.
„Ja?“, sagte sie mit kratziger, verräucherter Stimme. Und sie schaute mich in einer herausfordernden Weise an, die mich warnte und irgendwie abstieß. Es war ein abschätzender Blick, dem eine ganze Portion Lebenserfahrung zugrunde lag.
„FBI!“, sagte ich und zog meine Marke heraus.
Das traf sie wie ein Hammer. Trotz der dicken Schminke wurde ihr Gesicht fahl, die Augen verengten sich. Grüne Augen übrigens, aber bei ihr wirkten sie weder aufregend noch anziehend, Ich fand diese Frau — als Frau betrachtet — zunächst völlig uninteressant.
Von meinem Fall aus gesehen, konnte mir der Mann, den ich hinten im Zimmer erkannte, sehr viel mehr Interesse abgewinnen.
Es war Tom Higgins, der Bahndetektiv.
Er kam nach vorn, lächelte entschuldigend und sagte: „Tut mir leid, Mr. McAllister, aber ich habe Miss Collins gegenüber nicht erwähnt, dass Sie auch am gleichen Faden ziehen. Schade, jetzt treten wir uns gegenseitig auf die Zehen. Kommen Sie doch ’rein, Inspektor.“
Ich trat ein, musterte Higgins skeptisch und wandte mich an die Frau. „Sie erwarten Ihren Leihwagen zurück, nicht wahr?“
Sie schwieg und blickte hilfesuchend auf Tom Higgins.
Ich versuchte mir zu erklären, welche Verbindung zwischen den beiden bestand. Und woher hatte Higgins gewusst, dass diese Collins den