A. F. Morland

Strand Krimi Paket: Auch Mörder unter den Freunden - Thriller Sommer 2020


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Ich muss bloß hinter die Geschichte mit der Frau kommen.“

      „Welcher Frau?“

      „Betty Collins alias Betty Marek.“

      19

      Drei Ärzte beugten sich über den Patienten. Zwei Polizisten standen abseits vom Bett und machten ratlose Gesichter. Sie sahen mich bestürzt an, als ich auf sie zuging. Von den Ärzten kümmerte sich keiner um mich. Auch die beiden ältlichen Schwestern vor dem Bett drehten sich nicht einmal um.

      „Was ist?“, fragte ich „Er hatte seine Medizin genommen, und dann fing er auf einmal an zu röcheln und zu stöhnen. Ich bekam es mit der Angst und rief den Arzt“, erklärte mir der Polizist, der Wache gehalten hatte.

      „Medizin?“

      Einer der Ärzte drehte sich um. Ich wies mich ihm aus und nannte meinen Namen. Da verwandelte sich sein strenges Gesicht in Freundlichkeit, und er sagte: „Mein Name ist Darfield. Ich bin der Oberarzt. Mr. Stellcass hat vermutlich eine falsche Medizin bekommen und auch eingenommen.“

      „War es während Ihrer Wache?“, fragte ich den Polizisten.

      „Nein. Das heißt, bevor Sie zum ersten Male kamen, war eine Schwester hier, die ich nicht kenne. Eine mit rotblondem Haar.“

      Als er die Beschreibung aufsagte, zog ich ein Foto aus der Tasche. Er tippte aufgeregt darauf und rief: „Das ist sie.“

      Es war ein Bild der Collins.

      „Hatte sie einen Verband am Kopf, ein Pflaster vielleicht?“

      „Ja, ein Stück schaute unter der Haube hervor. Ich fragte sie noch, ob sie das vom Fußball hätte. Da hat sie gelacht und gesagt, sie sei die Treppe hinabgestürzt.“

      „Sie Unglückswurm!“, stöhnte ich. Dann wandte ich mich an den Arzt. „Wie steht es mit ihm?“ Ich deutete auf Stellcass.

      „Nicht gut“, erwiderte der Arzt schulterzuckend. „Eine Toxikose. Wir wollen es mit einer Bluttransfusion versuchen.“

      „Ist er bewusstlos?“

      Der Arzt ging zum Bett und sah über die Schultern seiner beiden Kollegen hinweg. „Hm, manchmal kommt er zu sich. Wir haben ihm eine Kreislaufinjektion gegeben, die regt an. Er wird bald bei Bewusstsein sein, hoffe ich.“

      Ich trat ans Bett, und gerade da schlug Stellcass die Augen auf. Er sah mich aus wässrigen Augen an, doch langsam wurde sein Blick klarer. „Inspektor ...“

      „Die Tochter von Marek war bei Ihnen ... als Schwester.“

      „Weiß nicht.“

      Der eine Arzt mischte sich ein. „Es strengt ihn zu sehr an.“

      „Nur noch eine Frage. Mr. Stellcass, nicken Sie nur, wenn ich etwas richtig sage, und dann beantworten Sie meine Frage. Als die Brücke gesprengt wurde, haben Sie zugesehen?“

      „Nein, ich kam nicht dazu“, flüsterte er heiser.

      „Aber Sie wissen, dass es Fred Marek getan hat? Warum hat er es getan?“

      „Er wollte nicht, dass die Mädchen im Zug …‟ Er stöhnte und schloss die Augen.

      „Hören Sie auf, das ist nicht zumutbar!“, protestierte der eine Arzt, ein älterer Mediziner.

      Unbeirrt fragte ich: „Haben Sie gesehen, dass Sievers überfahren wurde? Oder hat man ihn niedergeschlagen und dann überfahren?“

      Stellcass öffnete die Augen. „Überfahren“, lispelte er. „Rannte zum Auto … hatte Zerstörung gesehen … wollte vielleicht melden ... kam Auto ... fuhr ihn um … Betty und fremder Mann … stiegen aus … zogen ihn an die Seite … fuhren dann mit beiden Wagen weiter …“

      „Nun ist aber Schluss!“, rief der ältere Arzt.

      Ich nickte und sagte zu Stellcass: „Alles Gute! Und keine Angst mehr. Wenn Sie gesund sind, wird alles wieder gut bei Ihnen!“

      Er versuchte zu lächeln, und in seinem Blick lag Dank.

      20

      „Wie konntest du ihm so was sagen?“, fragte Larry. „Ich meine, dass für ihn alles wieder gut wird?“

      „Weil er ein armes Schwein ist, wie man so sagt. Jetzt werden wir ins Hauptquartier fahren und einen starken Kaffee trinken, dann geht es weiter. Und in zwei Stunden wissen wir mehr.“

      So geschah es. Während wir noch unseren Kaffee tranken, trommelte die Polizei alle Zeugen zusammen, die sie von mir auf einer Liste aufgezählt bekommen hatte.

      Doch bevor ich damit anfangen konnte, Verhöre anzustellen, erschien der Staatsanwalt. „Ich habe Neuigkeiten für Sie, Inspektor“, erklärte er triumphierend.

      Er setzte sich und zog eine Akte aus seiner Tasche. Dass er mir einen überbraten wollte, sah ich ihm an.

      Er rückte seine Brille gerade, lächelte kalt und sagte: „Die Gesetze unseres Landes lassen es zu, dass zwei Behörden gleichzeitig an einem Fall arbeiten. Wir sind also nicht untätig gewesen und haben ermittelt. Übrigens erfuhr ich vor ein paar Minuten, dass es diesem Stellcass besser geht.“ Er machte eine Kunstpause, rückte wieder an seiner Brille und fuhr fort: „So wird dieser Bursche wenigstens seiner Strafe nicht entgehen.“

      „Strafe? Wofür?“

      „Er ist der Brückensprenger.“

      Ich beherrschte mich und fragte: „Was Sie nicht sagen, und wieso?“

      Er lächelte mokant und plusterte sich stolz auf. „Weil es dafür Zeugen gibt. Hören Sie ... oder lesen Sie am besten selbst, was meine Kriminalpolizei herausgefunden hat!“

      „Ermittlungsbericht 89 A 12/PO 63

      Kriminalpolizei HoGu Serg. Boils Weisungsgemäß habe ich heute Mrs. Sievers verhört und von ihr bestätigt bekommen, dass sie Kenntnis von einer Abmachung zwischen ihrem Mann, dem verunglückten Bahningenieur Sievers, und einem gewissen Mike Stellcass hat. Für eine Summe von einigen tausend Dollars (eine genaue Summe konnte Mrs. Sievers nicht nennen) sollte Sievers dem Stellcass nach einer Liste technisches Material aus Bahnbeständen besorgen. Darunter befand sich auch Sprengmaterial, wie sich Mrs. Sievers genau erinnert. Diese Abmachung wurde etwa sechs Tage vor der Sprengung getroffen. Mrs. Sievers weiß, dass ihr Mann vier Tage vor dem Unglück seine Schulden bezahlt hatte. Sie erklärt, dass zwei Tage vor dem Unglück ein älterer Mann gegen neunzehn Uhr zu ihr gekommen sei, um die Sachen abzuholen. Mrs. Sievers wusste von ihrem Mann, dass diese Sachen im Schuppen hinter dem Haus bereit lagen. Sie führte den Mann, der sich als Mike Stellcass vorstellte, zum Schuppen. Er fuhr mit einem grauen Lieferwagen (Marke und Kennzeichen unbekannt) in den Hof und lud die Materialien auf.

      Ein Verhör beim Hausnachbar Jenkins ergab, dass diese Angaben stimmten, soweit es den Abtransport der Materialien betrifft. Jenkins konnte aber ebenfalls nicht sagen, welche Nummer der Lieferwagen hatte. Nur eine ausgebeulte Stelle am vorderen rechten Kotflügel habe er bemerkt, und dass sie rot angestrichen gewesen sei. Die Personenbeschreibung des Fahrers deckt sich allgemein mit der, die Mrs. Sievers abgab, doch bezeichnet Jenkins den Fahrer als etwa Mitte der Vierzig. Er ist dessen aber nicht mehr sicher.

      Der Lokführer Edison, der mit dem Güterzug N 35 der A.P. & N.Y. Railroad am Unglückstage fünfundsechzig Minuten vor dem Express 253 die Brückenstrecke und die Brücke selbst befuhr, hat ausgesagt, dass er einen grauen Lieferwagen neben der Straße unterhalb der Brücke gesehen und einen Mann auf dem Bahnkörper beobachtet habe, der etwa der Beschreibung Stellcass entspricht, einen Schlapphut getragen, und ein Kabel in der Hand gehalten habe. Edison habe diesem Vorfall aber keine Bedeutung beigemessen, da Streckenarbeiter meist keine Uniform trügen.‟

      21

      Ich