Norbert Ortgies

Zwischen Bolschewismus und Bergpredigt


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ihm nicht lebendig genug, oft genug zu abgehoben von den Menschen, lebensfern: „Die Kirchen stehen verlassen. Um sie herum brandet das Leben, ohne sich um sie zu kümmern. Das ist das Schlimmste, nicht mehr beachtet zu werden.“173

      Jedoch bejahte er offenkundig grundsätzlich die Notwendigkeit ihrer Existenz, so wie er sich für mehr Ökumene aussprach - etwa in der zwischen Protestanten und Katholiken strittigen Abendmahlsfrage. Nachhaltig geprägt war er von der im damaligen Katholizismus üblichen Leibfeindlichkeit. Immer wieder machten ihm die menschlichen Triebe zu schaffen, wenn er seinen Idealen von Schönheit und Reinheit nachhing.174

      Den Austritt aus der KPD bewertete er zwar als endgültigen Abschied vom Bolschewismus175, nicht jedoch vom Kommunismus.176 „Revolution? Darf ich sie mitmachen? Wenn ich mich bis ins Letzte umkrempele, dann finde ich da einen Pazifismus, der keine Kompromisse gestattet. Enteignung? Kann ich mittragen. […] Mein klarer Weg wird der: Vom religiös-kommunistischen Standpunkt aus mich mit meinem ganzen Leben für das Proletariat und den Weltfrieden aufzuopfern ohne Gewalt! Allein durch die Tat des [unleserlich] und Predigt.“177

      Wie nah sich Ludwig Bitter und Hugo Bendiek, der der Politik zeitlebens fernstand, doch waren, zeigt ein vergleichender Blick auf Bendieks Lebens- und Bildungsweg nach dem Abitur. Bendiek hatte das Heil in der Philosophie, Bitter im Kommunismus bzw. Sozialismus gesucht. Beiden reichten deren Antworten auf ihre Fragen an das Leben nicht aus. Deshalb gerieten sie mehr als einmal in den Strudel einer anhaltenden Lebenskrise. Erst durch die erneute Hinwendung zum christlichen Glauben gelangten sie nach und nach an das rettende Ufer. Auf dem Höhepunkt seiner Königsberger Krise, die mit dem Austritt aus der KPD nicht einfach endete, erwog Bitter ernsthaft, katholischer Priester zu werden.178

      Bendieks Schilderung seiner Bekehrung klingt ähnlich dramatisch wie Bitters Königsberger Tagebuch: „Ich brach zusammen und stammelte das Glaubensbekenntnis. Das war am 24. Juni 1932.“179 Es sollte noch gut zwei Jahre dauern, bis Hugo Bendiek unter dem Ordensnamen Johannes in Warendorf in den Franziskanerorden eintrat – noch vor seiner Promotion zum Doktor der Philosophie im Juni 1935.180

      Hubert Hinterding hingegen, der Einzelgänger par excellence, war aus anderem Holz geschnitzt. wie seine Skizzierung der geistig-politischen Lage vor 1933 zeigt: „Linksliberale, Linksintellektuelle (!) (dieser Begriff wäre damals, in den Jahren vor 1933, eine Tautologie gewesen), Antimilitaristen, Pazifisten, Sozialisten, Gesinnungsfreunde der [„]Liga für Menschenrechte“, Leser der Weltbühne181, Kosmopoliten, Paneuropäer, in einer Zeit, die soviel Gelegenheit bot, Pfeile abzuschiessen gegen das, was da von rechts dick, dumpf und geistverlassen auf uns zukam.“182

      Dr. Johannes (Hugo) Bendiek (OFM) mit Prof. Dr. Peter Wust vor der Nepomuk-Kapelle des Franziskaner-Klosters Warendorf anlässlich der „Einfachen Profess“ Bendieks, 13.08.1935

      Quelle: Archiv der Deutschen Franziskanerprovinz, Paderborn

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