Markus Litz

Hegels Gespenst


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auch«, und kochte weiter, worauf die Hyäne einen Kratzfuß machte und grinste. »Was willst du«? fragte der Hase. »Dich um etwas bitten«, sagte die Hyäne. – »Was denn?« – »Bei mir zu Hause ist das Feuer ausgegangen. Um etwas Feuer möchte ich dich bitten«.

       »Da hast du’s«, sagte der Hase und gab ihr einen brennenden Kienspan. Die Hyäne nahm ihn, ging ihres Weges und – löschte ihn aus. Dann kam sie zurück.

       »Bist du schon wieder da«? fragte der Hase.

       »Ja, es ist mir etwas zugestoßen«.

       »Was denn?«

       »Das Feuer ist mir wieder erloschen«.

       »Also, da hast du einen anderen Kienspan«.

       Sie nahm ihn, ging und löschte ihn wieder aus.

       Als sie wiederkam, sagte der Hase: »Mein Lieber, du siehst, daß ich Essen koche und darum hast du mit dem Feuer so viel Unglück«.

       »Oh«, sagte die Hyäne grinsend, »das ist es nicht«.

       »Doch, doch«, erwiderte der Hase. »Ich kenne dich, gefräßig bist du. Also, ich werde dir etwas vom Essen geben, aber dafür mußt du das Feuer anblasen. Es ist schon ganz herabgebrannt und wenn du hineinblasen wirst, wird das Essen rascher fertig werden«.

       Da sagte die Hyäne, daß es gut sei, und setzte sich zum Feuer hin. Aber statt zu blasen, sah sie fortwährend nach dem Topf mit dem Essen hin, der dort an der Seite stand, und den der Hase erst, wenn das Feuer tüchtig brannte, auf den Herd setzen wollte. Und der Hase sagte: »Schau doch nicht so herum, sondern blase, sonst dauert’s noch länger. Nichts werde ich dir geben, bevor das Essen nicht gekocht ist. Also, sieh ins Feuer«.

       Da blies denn die Hyäne hinein. Unterdessen holte der Hase das Fell eines Leoparden und nähte es der Hyäne auf den Rücken. Das machte er so fein und heimlich, daß die Hyäne es gar nicht spürte. Dann wurde das Essen fertig, der Hase aß, die Hyäne bekam ihren Teil, und wie sie fertig waren und sie wieder gehen wollte, sagte der Hase:

       »Wie, das Feuer vergißt du«?

       »Ach wirklich«, sagte die Hyäne und nahm jetzt zwei brennende Holzspäne und kehrte damit zu ihrem Hause zurück.

      Wie sie so dahin hopste, erblickte sie aber das Leopardenfell, das hinter ihr her schleifte und da sie nicht wußte, daß es ihr auf den Rücken genäht war, erschrak sie und schrie: uj, uj. Dazu machte das Fell hinter ihr fortwährend: wawalaga, wawalaga, so daß sie in ihrer Angst flüsterte: »Der Leopard verfolgt mich« und immer schneller lief.

       So kam sie zu ihrem Hause und wie sie hineinrannte, zerriß die Naht auf ihrem Rücken und das Leopardenfell fiel herab. Da sagte sie nun, als sie ins Zimmer hineinkam, voller Angst zu Weib und Kindern: »Meine Lieben, ein Unglück ist geschehen, ein Leopard hat mich verfolgt – da liegt er an der Tür«. Weib und Kinder fuhren entsetzt in die Höhe und blickten erschrocken hinaus und flüsterten: »Wirklich, es ist ein Leopard, der da vor der Tür liegt. Was sollen wir tun«?

       Nun verging die Zeit und sie wurden hungrig. Es schmerzt gar sehr, wenn man hungert; und immerfort sprachen sie: »Wo sollen wir ein Essen hernehmen, wenn der Leopard sich von unserer Tür nicht wegrührt? Wie kommen wir nun an ihm vorbei«? Und wie der Hunger immer mehr schmerzte, sprach die Hyäne:

       »Meine Kinder, es bleibt uns nichts, als daß wir miteinander wettringen. Wenn ich falle, bin ich euer Braten und wenn ihr fallet, dann seid ihr mein Braten«. Darauf weinten die Kinder und sagten: »Vater, Ihr seid stärker«. Die Hyäne erwiderte: »Das kann man nicht wissen, wir müssen es doch probieren«. So umfaßte sie ein Kind, warf es zu Boden und fraß es auf. Nach einer Zeit faßte sie ein zweites Kind, warf es zu Boden und fraß es ebenfalls auf; und so geschah es auch mit dem dritten und vierten Kinde, bis sie nur noch beide übrigblieben, der Mann und das Weib.

       Da sprach er, wie er wieder fressen wollte, zu ihr: »Faß an, wenn ich falle, bin ich dein Braten, wenn du fällst, bist du mein Braten«, worauf das Weib sagte: »Du bist doch jetzt viel stärker, weil du gefressen hast«. Er antwortete: »Das kann man nicht wissen, man muß es probieren«.

       Sie begannen zu ringen, und da erschrak er, das Weib warf ihn hin und sie lachte und sagte:

       »Nun wird sie ihn fressen…«

       Er lachte ebenfalls und sagte: »Warte, spielen wir noch einmal«.

       Sie faßten sich wiederum an. Er wurde wieder geworfen und sie lachte:

       »So, nun frißt sie ihn…«

       Er erwiderte: »Das war ein guter Spaß. Warte, spielen wir zum dritten Mal«.

       »Gut«, sagte sie und sie lachte, als sie jetzt geworfen wurde. Dann aber fraß er sie auf.

       So war er nun allein und sagte: »Ja, der Hunger schmerzt gar sehr.« Und da er zu Hause nichts mehr zu fressen hatte, blickte er hinaus, ob sich nicht der Leopard endlich doch wieder entfernt hätte und sah, daß die Haut ganz zusammengefallen auf dem Boden lag. Nun traute er sich heran und erkannte, daß sie inzwischen vertrocknet war und daß ihn der Hase zum Narren gehalten hatte.

       »Oh, der Hase, dieser Schwindler«, rief er darauf, »er ist schuld, daß ich mein armes Weib und meine guten Kinderchen alle verloren habe«! Und als er dann mit den anderen Hyänen zusammenkam, weinte er über die Hartherzigkeit des Hasen und die Schlechtigkeit dieser Welt.

      So endet diese Geschichte und es beginnt eine neue: Jetzt nimmt die schwarze Gestalt den Träumenden an der Hand. Sie gehen durch die Mauer als wäre sie Luft. Es ist immer noch Nacht, und auf der Straße ist niemand zu sehen. Dennoch dieses Gefühl, verfolgt zu werden, und sei es bloß der eigene Schatten, der einen jagt. Stiefelschritte im Hirn, ein innerer Marsch, der zum Tod führen wird. Und das jähe Bedürfnis, sich in den Abgrund zu stürzen, irgendeinen. Verschlungen ist nun die ganze Welt. Wer versteht schon die Lektionen der Finsternis?

      Der Träumende sieht die schwarze Gestalt von der Seite an: erst schüchtern, verzagt. Der Makel zu großer Höflichkeit angesichts eines Fremden. Kann es wirklich Gestalten geben, die sich in Schönheit auflösen? Wunderbare nächtliche Geschöpfe, schön und schrecklich. Ist es denn möglich, mit jemand zu sprechen, der gar nicht da ist? Er wagt also nicht, das Wort an jemand zu richten, der vielleicht schon im Begriff ist, sich in Nichts aufzulösen. Dieses Nichts: Es wäre schon etwas, nämlich das hinreißende und unsichtbare Gewand einer Schönheit.

      Besser den Blick aufheben, um dieses Wesen genauer zu sehen: ein fremdartiges Gesicht. Eine schwarz glänzende Haut und das prächtige Gewand darüber. Er denkt zunächst, es sei ein Tigerfell, aber es ist etwas anderes, ein überquellendes Rot, das einen ganzen Körper füllen könnte mit seinem verborgenen Blut. Er hat etwas Ähnliches einmal auf einem verblassenden Gemälde in der königlichen Residenz gesehen: da war es ein Fürst einer untergegangenen Zeit, welcher einen prachtvollen Herrenrock aus purpurfarbenem Samt mit goldroten Tressen und Borten trug, justaucorps, wie es sich gehört. Und dieser hier trägt genau dasselbe Gewand, aber farbkräftiger, so daß sich sein Muskelspiel umso verlockender hervorhebt. Und den Kopf krönt ein kanariengelber Dreispitz, der das krauslockige Haar mühsam verdeckt.

      Ein echter Edelmann, kein dahergelaufener Bursche. Sicherlich hat er einen fremdländischen Namen, und ist vielleicht sogar aus königlichem Geblüt. Jetzt macht er tatsächlich eine Art Kratzfuß, und sagt dann mit tiefer, durchaus wohlklingender Stimme „Untertänigst, Scardanelli.“

      Irgendwann hat der Träumende diesen seltenen Namen bereits gehört. Es muß vor langer Zeit gewesen sein, denn die Erinnerung daran ruft nur ein schwaches Echo in seinen Gedanken hervor. Erinnert sich das Gehör, ist im Klang eines Namens die ganze