automatisches Verhaltensmuster beim Betreffenden selbst oder bei anderen Menschen viel Stress erzeugt. Das können Wutausbrüche sein oder häufiges Nörgeln, Unentschlossenheit oder Passivität. Dann haben wir ein Problem.
Früh übt sich ... auch das Schwierigsein
Ein Mensch mit einem schwierigen Verhaltensmuster hat sich dieses Benehmen oft schon früh angewöhnt und manchmal steckte die blanke Not dahinter. Alle Kinder versuchen, mit ihrer Familie und in ihrer Umgebung einigermaßen gut zurechtzukommen. Da alle Kinder lernende Wesen sind, lernen sie auch schnell, wie sie das schaffen. Wenn ein Kind merkt, dass ein bestimmtes Verhalten gut funktioniert, ihm einen Vorteil verschafft oder dass es damit aus einer Klemme herauskommt, dann gewöhnt es sich dieses Verhalten an. Denken Sie zum Beispiel an ein Kind, das von der Mutter gern eine Süßigkeit bekommen möchte. Es hat die Erfahrung gemacht, dass die Mutter ablehnend reagiert, wenn es Süßes wütend fordert oder wenn es weinerlich herumquengelt. Spricht dieses Kind aber im normalen Tonfall, bekommt es öfter, was es sich wünscht. Das Kind lernt, dass ein normaler Tonfall ohne zusätzliches Drama seine Chancen, etwas zu bekommen, verbessert. Dieses Verhalten wird bei ihm belohnt, und damit entsteht ein Verhaltensmuster.
Besonders schnell und intensiv werden Verhaltensmuster gelernt, die aus der Angst geboren werden.
Stellen Sie sich ein kleines Kind mit seinen Eltern vor. Alle zusammen schlendern durch ein Kaufhaus. Das Kind läuft zwischen den Verkaufsständen hin und her. Plötzlich sieht es seine Eltern nicht mehr. Mama und Papa sind weg. Überall fremde Leute. Das Kind bekommt große Angst. Es hat Angst davor, völlig verlassen zu sein. Später finden sich alle wieder. Aber das Kind weicht seinen Eltern nicht mehr von der Seite. Es klammert sich an die beiden. Die Eltern verstärken dieses Verhalten, indem sie das Kind loben, weil es jetzt so brav ist und nicht mehr im Kaufhaus herumläuft.
Wenn das klammernde Verhalten des Kindes weiterhin von den Eltern durch Lob und Zuwendung verstärkt wird, kann daraus ein Verhaltensmuster entstehen. Dieses Muster ist unter Umständen bis ins Erwachsenenalter wirksam. Wenn dieser Mensch Stress erlebt oder Angst bekommt, startet das erlernte Verhaltensmuster automatisch. Er sucht Nähe und klammert sich an andere Menschen.
Wir können unsere Verhaltensmuster und Gewohnheiten ändern.
Die Fesseln der Gewohnheiten abstreifen
Verhaltensmuster funktionieren automatisch, aber sie sind veränderbar. Durch Lernen und Trainieren sind diese Verhaltensmuster entstanden – und genau so lassen sie sich auch ändern. Wir können aus unseren Routinen und Gewohnheiten aussteigen, unsere Automatismen ab-trainieren, quasi ent-lernen. Aber dazu brauchen wir Selbsterkenntnis und Achtsamkeit im Alltag. Das achtsame Bemerken ist der Schlüssel, mit dem wir an unsere eigenen Verhaltensmuster herankommen. Diese Achtsamkeit können wir lernen und uns angewöhnen. Im Alltag bedeutet das, dass wir lernen, uns zu beobachten. Wir nehmen aufmerksam wahr, wie wir uns verhalten und an welchen Stellen wir automatisch reagieren. Dabei können wir feststellen, wann genau unsere Verhaltensmuster anspringen. Bei welchen Gelegenheiten werden wir automatisch ärgerlich? Wann werden wir redselig, und wann ziehen wir uns zurück? Was muss jemand tun, damit wir unsicher werden? Und wann fangen wir an, uns selbst zu kritisieren?
Was wir nicht können, ist, diese Sache für einen anderen Menschen zu erledigen. Jeder ist für seine eigenen Automatismen zuständig. Aber wir können darauf achten, dass wir nicht automatisch schwierig werden, wenn sich unser Gegenüber »reizend« benimmt.
Warum es wichtig ist, vom Haken zu kommen
Ich habe im Laufe meiner Arbeit immer wieder festgestellt, dass ein schwieriges Verhaltensmuster allein nicht unbedingt ein Problem sein muss. Problematisch wird es für uns erst, wenn wir uns in dieses Verhaltensmuster verwickeln. Ich nenne das auch: sich darin verhaken.
Die häufigste Art, sich zu verhaken, besteht im Widerstand. Wir lehnen das Verhalten des anderen ab. Wir wollen das nicht erleben. Wir wollen uns nicht so fühlen, wie wir uns gerade fühlen. Je mehr wir den anderen ablehnen, desto mehr Stress erleben wir. Wir verlangen vom anderen, er solle sich ändern, und wir hoffen, dass wir uns besser fühlen, wenn der andere sich anders benimmt. Genau damit hängen wir am Haken: Wir geben dem anderen die Macht über unsere Gefühle. Wir verlangen, dass der andere Mensch sich so verhält, dass wir zufrieden oder sogar glücklich sind. Damit das auch passiert, doktern wir am anderen herum. Wir versuchen, den anderen zu ändern. Wir reden mit Engelszungen oder mit Sticheleien auf ihn ein, probieren es mit Vorwürfen oder guten Argumenten. Dabei treiben wir den Haken immer tiefer in unser eigenes Fleisch. Wie wir uns selbst damit unglücklich machen, beschreibe ich ausführlich im nächsten Kapitel.
In diesem Buch geht es darum, wie Sie sich am Stachel des anderen nicht stechen, wie Sie vom Haken kommen. Ja, es ist möglich: Sie können aufhören, sich in das schwierige Verhalten eines anderen Menschen zu verhaken. Wenn Sie das schaffen, hört für Sie der Stress auf, und Sie können sich entspannen. Dafür muss sich der schwierige Mensch nicht ändern.
Damit ein Hamster fliegt, müssten Sie ihn in ein Flugzeug setzen.
Wie man einem Hamster das Fliegen beibringt
Der Philosoph Friedrich Nietzsche hat geschrieben: Der Mensch hat eine wahre Wollust darin, sich durch übertriebene Ansprüche zu vergewaltigen. Ich möchte noch hinzufügen: Der Mensch ist die einzige Spezies, die es schafft, auch ihre Artgenossen mit übertriebenen Ansprüchen zu quälen. Das, was der Mensch sich selbst antut, tut er auch gern seinem Nächsten an.
Menschen, die wir schwierig nennen, genügen unseren Ansprüchen nicht. Wir verlangen im Stillen, die Leute sollen sich so benehmen, wie wir es für richtig halten. Sie sollen so vernünftig, anständig und korrekt sein, wie wir uns das vorstellen. Wenn jemand dagegen verstößt und unseren Ansprüchen nicht genügt, beurteilen wir ihn negativ. Wir denken: Mit dem stimmt was nicht, und damit wird dieser Mensch für uns schwierig. Was wir dabei oft vergessen ist: Das Schwierigsein haben wir erfunden. Es begann mit unseren Ansprüchen.
Ja, manche Leute genügen unseren Ansprüchen nicht. Diese Leute frustrieren uns. Wir ärgern uns über sie, und damit wir uns besser fühlen, versuchen wir, sie zu ändern. Erst reden wir mit ihnen, dann fangen wir an zu diskutieren, und am Ende streiten wir uns. Wir gehen diesen Leuten aus dem Weg und schimpfen hinter ihrem Rücken über sie. Oder wir fahren unsere Ellenbogen aus und versuchen, uns durchzusetzen. Je mehr wir an diesen schwierigen Leuten herumzerren, desto gestresster fühlen wir uns. Es ist fast so, als wollten wir einem Hamster das Fliegen beibringen. Die Sache mit dem Hamster möchte ich an einem Beispiel erklären.
Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie besitzen einen kleinen Hamster. Aus irgendwelchen Gründen haben Sie hohe Ansprüche an das Tier. Sie erwarten, dass Ihr Hamster fliegen kann. Ihr Hamster fliegt aber nicht. Sie sind frustriert.
Sie führen ein ernstes Gespräch mit ihm. Dabei sprechen Sie ganz offen über Ihre Bedürfnisse und Gefühle. Sie reden davon, wie glücklich Sie wären, wenn er nur ein wenig herumfliegen würde. Wenigstens mit dem Hüpfen könnte er doch anfangen. Trotzdem: Der Hamster fliegt nicht. Er hüpft nicht. Er nimmt einfach keine Rücksicht auf Sie. Sie sind sauer, weil Ihr Hamster Ihnen das Leben schwer macht.
Also fangen Sie selbst an, zu hüpfen, um Ihrem Hamster zu zeigen, wie das geht. Was Sie schaffen, müsste er doch auch können. Aber Sie beißen bei ihm auf Granit. Er gibt sich keine Mühe. Er ist nicht bereit, Ihnen auch nur ein Stück entgegenzukommen. Das Tier ist wirklich schwierig.
Ihr Leben könnte so schön sein, wenn dieser Hamster nur ein wenig guten Willen aufbringen würde. Nur ein paar Hüpfer – das wäre doch ein Anfang. Aber nein, das blöde Tier kümmert sich nicht darum, wie es Ihnen geht. Sie kritisieren ihn – sachlich natürlich. Sie konfrontieren ihn mit Ihrer Meinung. Sie machen ihm deutlich, dass sein Verhalten