die vom Deckenlicht eigentümlich beleuchtet wurde und sich so vom dunklen Hintergrund des Fensters abhob. So erinnerte mich die Krankenschwester noch mehr an meinen Anästhesieengel und an jenen Abend, als wir das erste Mal alleine zusammen waren.
Ich begann zu träumen, wie ich sie ohne Gesichtsmaske, Operationsmütze und grüne Kleidung sah. Mit ihren langen, dunkelblonden Haaren schien sie mir hübscher denn je. Ihr sanftes Lächeln verzauberte mich, und mein Pulsschlag beschleunigte sich. Nein, mein Herz raste wie wild.
Doch die Schönheit alleine war es nicht, die mich entrückte, sondern vielmehr ihr unbeschreiblicher Charme. Ich war ein bisschen fassungslos gewesen. Wir kannten uns kaum, und schon fanden wir uns in trauter Zweisamkeit.
Etwas unsicher fragte ich sie: „Du fühlst dich gut?“
„Ja, und du auch?“
Ich konnte nur nicken.
„Hast du an alles gedacht?“
Ich bejahte und stellte fest, wie sich ihre Hand schloss.
„Nun mach schon“, flüsterte sie mir leise Mut zu. Die Aufmunterung tat mir gut, denn es war das erste Mal für mich. Langsam näherte ich mich, und da fiel mir ihr betörender Duft auf. So etwas Zartes wie ihre Haut glaubte ich noch nie gesehen und gespürt zu haben. Während ich fein darüber strich, hörte ich sie tief einatmen. Offenbar war es auch für sie ein ganz besonderer Moment. Ich suchte ihren Blick, doch sie schloss die Augen.
Ich gab mir einen Ruck und drang behutsam in sie ein. Sie ließ einen schwachen Laut vernehmen. Hoffentlich hat sie keine Schmerzen, dachte ich. Es blutete leicht. Ich atmete langsam aus. Ich wusste, ich war am richtigen Ort. Es war schlicht ein gutes Gefühl.
„Du machst das gut“, munterte sie mich auf.
Ich war erstaunt, dass sie in diesem Augenblick sprechen konnte.
Ich war befriedigt und entfernte die Kanüle aus dem Unterarm. Meine erste Venenpunktion war dank der gütigen Mithilfe des Anästhesieengels gelungen. Anschließend beschäftigten wir uns dann mit anderen Dingen, und ich fühlte mich himmlisch.
Ein Blick auf die Uhr riss mich aus meinen Träumen zurück in die irdischen Dimensionen. Es war höchste Zeit für die Notfallstation. Ich eilte los, an der Krankenschwester im Raucherabteil vorbei und stellte dabei fest, dass sie meinem unvergleichlichen Engel aus der Nähe betrachtet nur wenig ähnlich sah.
Ich wusste, nun ging es los. Die Sirenen heulten kurz auf und verstummten wieder. Das Sanitätsfahrzeug stand vor der Spitalpforte. „Schockraum“, schrie jemand, und die vollzählig anwesende Besatzung der Notfallstation – bisher in Lauerstellung – stürmte in den besagten „Schockraum“. Dort wurden alle Schwerverletzten eingeliefert, beurteilt und behandelt.
Da standen wir alle in diesem großen, hell erleuchteten Schockraum, Chirurgen und Anästhesisten, Ärzte und Schwestern in etwa ausgeglichenem Verhältnis, insgesamt fast zwanzig Spitalangestellte für einen Patienten.
Kurzer Rapport der Sanitäter: 25-jähriger Patient nach Motorradunfall, bewusstlos am Unfallort aufgefunden, Atmung und Kreislauf stabil, keine offenen Verletzungen, Verdacht auf Schädel-Hirntrauma.
Dann ging alles rasend schnell. Unser Anästhesieteam legte Infusionen an, Puls und Blutdruck wurden gemessen, der Patient an einem EKG-Überwachungsmonitor angeschlossen, die Intubation durchgeführt. Die Chirurgen prüften Ansprechbarkeit, Pupillenreaktion, nahmen eine kurze körperliche Untersuchung von Kopf bis Fuß vor. Wie üblich wurde geröntgt: Schädel- und Thoraxbild.
Die Situation blieb weiterhin unverändert. Die ersten Schritte waren eingeleitet, und nun stand die Besatzung größtenteils tatenlos da, denn für so viele Hände gab es bei weitem nicht genügend zu tun.
Chirurgen und Anästhesisten hatten Zeit für eine Lagebesprechung. Man war sich uneinig.
Unser Anästhesieoberarzt, den ich bisher noch nicht kannte, der aber deutlich sympathischer als Huber wirkte, vermutete aufgrund der hohen Pulsfrequenz und des tiefen Blutdruckes eine innere Verletzung. Er dachte an eine Milz- oder Leberruptur, die Chirurgen hingegen an ein Schädel-Hirn-Trauma. Die Diskussionen brachten uns keinen Schritt weiter.
Viele Köche verderben den Brei, zu viele Ärzte den Patienten, dachte ich für mich.
„Die lassen sich nicht umstimmen“, meinte der Oberarzt enttäuscht zu mir, „die wollen als Erstes ein CT. Du solltest den Patienten dorthin begleiten.“
Ich begriff einmal mehr die Ohnmacht von uns Anästhesieärzten. Wir waren von der Chirurgie völlig abhängig und konnten ihnen nicht vorschreiben, dass sie den Bauch aufschneiden und nachsehen sollten, ob die Milz gerissen sei. Wir konnten nur unsere Meinung äußern, aber letztlich mussten wir tun, was der Chirurg anordnete. Dies behagte mir überhaupt nicht.
Zunächst galt es, den Patienten für den Transport auf ein mobiles schmales Bett zu verladen, was mit all den Infusionen, EKG-Kabeln und dem Beatmungsgerät eine komplizierte Angelegenheit war und mehrere Hände erforderte. Anschließend rollte ich den Patienten vorsichtig zum Röntgen. Schwester Beatrice begleitete mich.
Beim Computertomographen angekommen, wurde erneut umgeladen, diesmal vom Transportwagen auf den Untersuchungstisch. Es dauerte unheimlich lange, bis alles bereit war, und die Röntgenassistentin mit der Lagerung des Patienten zufrieden war. Sie schien sich offenbar des Ernstes der Lage nicht ganz bewusst zu sein, was mich beinahe zur Verzweiflung brachte.
Endlich wurden die Schichtaufnahmen gemacht. Der Tomograph arbeitete wie immer – Notfall oder nicht – im selben gemächlichen Tempo, aber mir kam es vor, als würde es an diesem Tage extrem lange dauern. Laute monotone Apparategeräusche, aber kaum Stimmen.
Plötzlich bemerkte ich bei meinem Patienten einen weiteren markanten Blutdruckabfall und einen gleichzeitigen Pulsanstieg. Doch eine innere Verletzung, schoss es mir durch den Kopf und vermutete eine Milzruptur. Ich alarmierte via Schwester Beatrice die Notfallstation, damit alles für die Notfalloperation vorbereitet werden konnte, und brach kurzerhand das Computertomogramm ab, das ohnehin jeden Moment fertig gewesen wäre. Vor den Augen der fassungslosen Röntgenassistentin packten wir den Patienten so rasch wie irgend möglich wieder auf die Liege und rollten ihn zurück zur Notfallstation. Ich zog an der Patientenliege wie ein wildgewordenes Pferd.
In der Zwischenzeit hatten sich die Chirurgen „unserer“ Diagnose einer inneren Organruptur angeschlossen. Die Notoperation begann.
Wie es die Situation erforderte, arbeiteten die Chirurgen sehr schnell, konzentriert und sicher. Mit gekonnten Skalpellschnitten war die Bauchdecke im Handumdrehen eröffnet. Die Bauchhöhle war voller Blut und die Blutungsquelle wurde rasch lokalisiert. Wie vermutet, war es die Milz. Das Organ musste vollständig entfernt werden. Mit Infusionen und Transfusionen wurde der enorme Blutverlust ersetzt, und allmählich stabilisierte sich der Kreislauf wieder; der Patient war gerettet, und die Freude bei allen Beteiligten groß.
„Ich hatte also doch recht. Das war eine klassische zweiseitige Milzruptur. Die Milz riss am Unfallort erstmals ein, führte zu den inneren Blutungen und zum Kreislaufschock. Stunden später, dann, im Röntgenraum, der zweite Einriss mit nochmaligem massivem Blutverlust“, murmelte unser Anästhesieoberarzt mit einem diskreten Lächeln auf den Lippen zu den Chirurgen. Sie schwiegen, mochten ihre beinahe tödliche Fehleinschätzung nicht kommentieren.
„Hier ist das Schädel-CT“, ertönte eine leise Stimme im Gang. Es war die Röntgenassistentin, die vorsichtig in den Operationssaal guckte.
„Ok, danke“, meinte einer der Chirurgen und legte den Stapel mit den Bildern auf die Seite, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Erneut blickte die Röntgenassistentin verdutzt durch ihre großen Brillengläser; sie schien nicht zu begreifen, wieso das Resultat einer notfallmäßigen Untersuchung anscheinend niemanden mehr interessierte. Offenbar fragte sie sich, warum alle in so ausgelassener Stimmung waren, so interpretierte ich ihre gerunzelte Stirn.
„Wollen Sie die Bilder denn nicht anschauen?“, fragte sie etwas fassungslos.
Um