John F. Beck

5 glorreiche Western 3/2020 - Helden, Halunken, Halsabschneider: Sammelband mit 5 Wildwestromanen


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das künftige Schicksal Juanas, falls er den Kontrakt unterschrieb.

      Das vorgedruckte Papier lag auf dem Tresen.

      »Wir haben dir ‘nen guten Preis gemacht«, fuhr der Wortführer der Fremden fort. »Juana ist hübsch. Du bekommst zehn Goldpesos. Wir kümmern uns dann schon um sie.«

      »Ich will aber nicht, dass ihr euch um sie kümmert!«

      Luis Ottero heulte fast. »Juana bleibt bei mir«, wiederholt er fest. Seine Hände zitterten, als er es sagte.

      Der Mann mit der Waffe in der Faust grinste infam.

      »Wir sind keine Bettler«, sagte der Mann dann. »Wir sind Geschäftsleute. Obwohl es die Regeln eigentlich gar nicht erlauben, werde ich das Angebot um zwei Goldpesos erhöhen. Das sind vierzig Dollar, Mann. Einen besseren Schnitt hast du noch nie gemacht.«

      »Ihr bekommt sie nicht!«, ächzte Luis Ottero. »Niemals werde ich diesen Kontrakt unterschreiben!«

      »Wirklich nicht?«, fragte der Mann mit dem hin und her pendelnden Revolverlauf. »Hombre, dir ist klar, dass du den letzten Fehler deines Lebens machst?«

      »Ich weiß, was ich will. Juana bekommt ihr nicht in eure schmutzigen Finger. Und wenn ich …«

      »Und wenn du …«, meinte der Frager lässig und spannte den Hahn seines Revolvers.

      Der Anführer der Mädchenhändler nannte sich Sarto Singal. Der Name passte zu ihm. Er war so geheimnisvoll wie die Zusammensetzung seines Blutes. Den größten Teil seiner Vorfahren hatten sicherlich Europäer ausgemacht, doch da war die breite, negroide Nase, melanesisch schräg gestellte, tückische, jedoch wasserhelle Augen mit dunklen Rändern und Lider, wie sie bei Indern typisch sind.

      Sarto Singal war ein gnadenloser Revolverheld, der über Leichen ging, das einmal gesteckte Ziel zu erreichen.

      Und das schien er auch jetzt zu haben. Es war etwa eins-sechzig groß, kauerte immer noch in der Mauernische und hieß Juana.

      Das Hindernis auf seinem Weg zum Ziel hieß Luis Ottero.

      »Sprich nur weiter«, ermunterte Sarto Singal den Wirt höhnisch.

      Luis Otteros Schultern wurden steif. Gehetzt huschte sein Blick zwischen dem Wortführer der Mädchenhändler und seiner Nichte hin und her.

      Rauchige Schleier tanzten auf einmal vor seinen Augen. Nur undeutlich nahm er die abgesägte Schrotflinte wahr, die in Haken unter dem Tresen hing. Die beiden Läufe waren zwar nur mit Hühnerschrot geladen, doch der würde auf diese Entfernung seine Wirkung tun.

      Gnadenlose wasserhelle Augen sprangen ihn an. In ihnen war nicht die geringste Regung zu lesen. Kühl wie Glasmurmeln starrten sie.

      Dann handelte Luis Ottero.

      Gerade hatte Singal den Revolver etwas gesenkt, und die Schrotflinte war nicht gesichert.

      Ich muss es wenigstens versuchen, schoss es Luis Ottero noch durch den Kopf. Das war sein letzter Gedanke.

      Er erlosch im grellen Mündungsblitz einer Feuerblume, die aufblühte, rasend schnell größer wurde und sein Leben zerstörte.

      2

      Eine blass-blaue Wolke Pulverdampf kräuselte zur niedrigen Decke, als Luis Ottero zusammenbrach und das Mädchen zu kreischen begann. Es hatte die schrille, hohe Klagestimme vieler Mexikanerinnen.

      Sarto Singal machte auf dem Absatz kehrt und holte zum Schlag aus. Er traf das Mädchen an der Schläfe.

      Der Schrei riss ab.

      Juana glitt die Wand herab und blieb auf dem Lehmboden liegen.

      Singal kümmerte sich nicht um sie. Er halfterte das Schießeisen, als hätte er es eben nur mal kurz überprüft.

      Einer seiner Männer behielt die Straße im Auge. Sie lag nach wie vor ausgestorben. Dabei musste der Schuss gehört worden sein. Singal griente geringschätzig und spuckte aus.

      »Feiges Pack«, murmelte er. In anderen Dörfern in ähnlichen Situationen war es ihm bisher nicht anders ergangen. Geprügelte Hunde verkrochen sich gewöhnlich. Die Einwohner von Sueco waren Bestandteil eines geprügelten und geknechteten Volkes.

      Der Revolverheld spuckte ein zweites Mal aus, griff dann zu einer Flasche Tequila, setzte sie an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er über den Tresen flankte, um nach dem Toten zu sehen.

      Mit ausgebreiteten Armen lag er da. Ein faustgroßer, hellroter Fleck breitete sich auf seiner Brust aus; andere Verletzungen hatte er nicht.

      Sarto Singal war mit sich zufrieden.

      Seine Männer standen in abwartendem Schweigen. Sie schauten zu, wie der Boss nach dem Kontrakt griff und sich neben dem Toten niederbeugte.

      Der Revolverheld praktizierte einen Bleistiftstummel zwischen die schlaffen Finger.

      Luis Ottero hatte Lesen und Schreiben gelernt. Singal hatte es bemerkt, als der Wirt zuvor den Text ohne fremde Hilfe entzifferte. Nun führte Singal die Hand des Toten.

      »Alles muss seine Ordnung haben«, meinte er, nachdem er wieder aufgestanden war und den Kontrakt zusammenfaltete, um ihn dann bedächtig neben anderen Papieren in einer Ledermappe zu verstauen. »Ihr wart Zeugen, Compadres«, wandte er sich an die drei Begleiter. »Wir waren bereits handelseinig, als dieser krumme Hund plötzlich mehr Geld als vereinbart verlangte. Er griff zum Gewehr, und ich musste mich wehren.«

      »Alles klar, Boss.«

      Sie nickten ernsthaft.

      Dann setzte Singal auch noch die »Kaufsumme« ein.

      Zwei Goldpesos.

      Die beiden Münzen warf er achtlos neben den Leichnam.

      »Wir übernachten hier in Sueco«, entschied er. »Mit der kleinen Puta dort drüben haben wir nun erst sechs Mädchen. Doch wir brauchen mindestens acht. Sehen wir uns im Dorf ein wenig um. Wär‘ doch gelacht, wenn wir hier keinen zweiten Kontrakt unter Dach und Fach brächten.«

      Die Männer packten die Nichte des Wirtes und schleppten sie hinter das Haus in einen von Mauern umgebenen Hof, wo ein geschlossener Kastenwagen stand. Luft drang nur durch ein paar kleine, vergitterte Fenster ins Innere.

      Sie stießen Juana zu fünf gleichaltrigen Mädchen.

      Sie waren angekettet.

      3

      Brüllende Hitze lastete auf dem Trockental, das sich durch die ausgedörrte Mesa südwärts schlängelte. Obwohl die Sonne den Zenit bereits überschritten hatte, gab es keinen Schatten.

      Erst weit im Westen ragten die Massive der Sierra Occidental mit ihren Vulkanen empor. Von hier aus wirkten sie nicht größer als Fingerhüte. Und auch im Osten gab es nichts als staubverkrustete verbrannte Weite.

      Dem Auge bot sich kein Ruhepunkt, von einigen schroffen Steinzacken abgesehen, die allein der gnadenlosen Witterung dieses Landstrichs in der mexikanischen Teilrepublik Sonora getrotzt hatten.

      Ein paar kümmerliche Büsche hatten trotzdem ihre Wurzeln in das Erdreich gekrallt. Davonhuschende Eidechsen legten Zeugnis davon ab, dass in dieser öden Region dennoch Leben existierte.

      Die Punkte bewegten sich das Trockental entlang, immer tiefer nach Mexiko hinein.

      Aus der Ferne war den Reitern ihre Gefährlichkeit nicht anzusehen. Trotzdem trugen sie den Tod in ihren Revolvergurten und die wilde Entschlossenheit im Herzen, Unrecht zu sühnen.

      Ein Mann auf einem Rappen ritt allen voran durch die hitzeflirrende Glast. Er unterschied sich schon deshalb von den anderen, weil er keine Kopfbedeckung trug. Die Comanchen, unter denen er aufgewachsen war, stülpten sich nun mal keine Sombreros auf den Schädel.

      Der