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Für meine Mutter
Suca Elles
Was geschah
mit Marion?
© 2020 Suca Elles
Umschlaggestaltung: Suca Elles
Verlag und Druck: tredition GmbH
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN: |
Paperback: 978-3-347-08957-0 |
Hardcover: 978-3-347-08958-7 |
e-Book: 978-3-347-08959-4 |
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Prolog
Er saß vor seiner Staffelei am Ufer und malte den Fluss und die grünen Büsche und Bäume dahinter. Er malte immer Wasser und Ufer, so oft er dafür die Zeit fand. Durch das Gebüsch hatte er sich gezwängt und vor einigen Wochen einen versteckten Platz direkt am Wasser gefunden, der gerade Raum für seine Staffelei und seinen Hocker bot. Deswegen kam auch nie irgendjemand hierher und störte ihn. Der Gesang der Vögel wurde heute einzig durch Lachen und Gesprächsfetzen unterbrochen, die von einem Boot herüber klangen, das in der Nähe des Ufers bei absoluter Windstille dümpelte. Er beachtete weder die menschlichen Laute noch das Boot. Bedächtig wählte er unter den Grüntönen seiner Palette die passende Farbe aus und vervollständigte sein Bild.
Erst eine ganze Weile später fiel ihm auf, dass Ruhe eingekehrt war. Das Boot lag weiter ruhig im Wasser, das Lachen hatte jedoch aufgehört. Er korrigierte einen Baum am rechten Rand seines Bildes und fügte ein paar filigrane Äste hinzu. Zufrieden betrachtete er den Gesamteindruck, als ein Schrei, der aus dem Boot zu kommen schien, ihn aufschreckte. Es war eine Frau, die da geschrien hatte, danach war es wieder still. Er blickte zur Sonne hinauf und überlegte, ob er noch sitzen bleiben oder einpacken und nach Hause fahren sollte, als der Hilfsmotor des Segelbootes angeworfen wurde. Ein Mann trat an die Reling, sah sich um, und als er ihn erblickte hielt er eine Flasche hoch und rief: „Corinna hat sich den Arm in der Tür geklemmt, zu viel Prosecco“.
Er winkte kurz, als das Boot Fahrt aufnahm, und verschwand wieder nach unten.
Kai sah dem Boot nach. Er kannte dieses Fabrikat. Es besaß 3 Kajüten und eine offene Kombüse im Wohnbereich. Neben der Heckkabine gehörte ein Minibadezimmer zur Ausstattung. Nachdenklich packte er seine Utensilien zusammen. Was veranlasste Menschen, sich an einem warmen Sommertag im Bauch eines Bootes zu betrinken? Er hätte Kaffee auf Deck vorgezogen. Er grinste verhalten. „Typisch Psychologe“ dachte er. „Alles hinterfragen müssen und nichts einfach stehen lassen können.“ Er packte seine Tasche und zwängte sich durch das Gebüsch. Vorsichtig spähte er nach rechts und links, bevor er auf den Hauptweg trat. Kein Mensch weit und breit. Gut so. Er wollte diesen Platz für sich allein behalten.
Der Parkplatz hatte sich merklich gefüllt, und auf dem angrenzenden Wiesenstück spielten Jugendliche Fußball. Er legte seine Staffelei, den Koffer mit den Farben und Pinseln, den Hocker und das fertige Bild in den Kofferraum und fuhr los.
Kai saß noch nicht lange in seinem Büro, als Enno, der Personalchef, den Kopf durch die Tür steckte.
„Da ist eine Frau, fast noch ein Mädchen, die mit dir sprechen will“ sagte er. „Hast du Zeit?“
Kai nickte. „Wer ist es denn?“ fragte er „Jemand vom Personal?“
„Nein, niemand von uns, aber sie hat explizit nach dir gefragt.“
„Schick sie herein“ sagte Kai.
Wenig später klopfte es zaghaft an der Tür, und eine Frau betrat das Büro. Sie schien sehr jung, möglicherweise noch nicht einmal volljährig zu sein.
Kai ging ihr entgegen und reichte ihr die Hand. „Kai Lichterfeld“ stellte er sich vor. „Rena Somsen“ antwortete sie und ergriff seine Hand mit festem Druck.
„Was kann ich für Sie tun? Herr Speltmann sagte, Sie wollten zu mir. Kennen wir uns denn?“
Rena schüttelte den Kopf. „Nein, mich kennen Sie nicht, aber meine Mutter. Sie haben ihr vor ein paar Jahren sehr geholfen und jetzt brauche ich Ihre Hilfe.“
Kai überlegte kurz dann sagte er: „Möglicherweise liegt hier ein Missverständnis vor. Ich kenne niemanden, der Somsen heißt.“
„Oh, Entschuldigung. Meine Mutter heißt Berkhof“ sagte Rena.
Kai nickte. „Frau Berkhof kenne ich natürlich“ Er lächelte Rena an. „Nehmen Sie doch Platz. Möchten sie Kaffee oder Wasser?“
Nachdem Kai der jungen Frau den gewünschten Kaffee serviert hatte, sah er sie aufmunternd an: „Also, was kann ich für Sie tun?“
„Meine Mutter ist verschwunden“ platzte Rena heraus. „Seit vorgestern Abend. Ich mache mir Sorgen“.
„Erzählen Sie bitte der Reihe nach“ bat er. Rena nickte und fuhr fort:
„Ich studiere in Bochum, verbringe aber die Semesterferien immer bei meiner Mutter. Weil ich am Freitag noch eine Klausur abgeben musste, bin ich erst am Samstag mit dem Zug gefahren. Meine Mutter wollte mich eigentlich am Bahnhof abholen, war aber nicht da, als ich ankam. Daraufhin habe ich sie auf dem Handy angerufen, aber nur die Mailbox erreicht. Ich habe noch ein Weilchen gewartet und bin dann mit dem Bus nach Hause gefahren. In der Wohnung war sie auch nicht. Ich habe den ganzen Abend gewartet und bin dann auf der Couch eingeschlafen. Am nächsten Morgen, also gestern, habe ich ihre Freundinnen, soweit sie mir bekannt sind, angerufen. Aber keine konnte mir sagen, wo sie ist. Meine Mutter geht schon einmal spontan aus, sie feiert halt gern. Aber für gewöhnlich ruft sie mich entweder an, oder sie legt einen Zettel auf den Tisch. Ich habe dann Angst bekommen, und am Mittag bin ich zur Polizei gegangen. Dort hat man mir gesagt, dass ich erst nach 48 Stunden eine Vermisstenanzeige aufgeben kann. Na, und dann fiel mir ein, dass sie oft von Ihnen gesprochen hat…und ich dachte..“ Sie stockte. „Vielleicht können Sie mir helfen, sie zu finden?“
Kai sah Rena an. Vor seinem inneren Auge formte sich ein Bild. Eine Enddreißigerin, attraktiv, schlank, mit dunklen Haaren und Brauen. Unter dem rechten Auge ein Veilchen, das Jochbein geschwollen, eine bereits geklammerte Platzwunde über der Braue und eine geschwollene Oberlippe, so kam sie vor einigen Jahren in sein Büro. Ihr damaliger Ehemann, der unter Alkoholeinfluss gewalttätig wurde, war der Verursacher der Verletzungen gewesen.
„Ich bin Psychologe und kein Detektiv“, sagte Kai. „Aber ich kenne ein paar Leute, die Ihnen vielleicht helfen können. Fahren Sie jetzt bitte wieder nach Hause. Geben Sie mir ihre Handy-Nummer, damit ich Sie erreichen kann, falls ich etwas in Erfahrung bringe. Und hier ist meine Karte, falls Sie mich erreichen wollen“, und nach kurze Pause fügte er hinzu: „Egal um welche Uhrzeit.“
„Und was geschieht jetzt?“ fragte Rena.
„Ich führe einige Telefonate. Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen. Vermutlich gibt es für die Abwesenheit Ihrer Mutter ein harmlose Erklärung.“ Er nickte Rena freundlich zu und reichte ihr die Hand zum Abschied.
Als er wieder allein in seinem Büro war, trommelte er mit den Fingern auf die Tischplatte. Dies tat er immer, wenn er nachdachte. Dann rief er Enno an.
„Sag mal, ist euch aufgefallen, dass Frau Berkhof heute nicht da ist?“
„Wieso fragst du?“ Kai fiel ein, dass Enno die Zusammenhänge nicht wissen konnte und sagte: „Erzähl ich dir später. Wie ist es nun? Hat jemand ihr Fehlen bemerkt?“
Enno tippte auf seinem PC herum. „Ne“ sagte er dann, „kann keiner bemerkt haben, sie hat nämlich ab heute Urlaub.“
„Danke“ antwortete Kai „bis später“.
Von seinem privaten Handy aus wählte er eine Nummer. Eine Männerstimme meldete sich:
„Was gibt’s? Ich bin gerade an einem Tatort. Ist es wichtig?“
„Sag mir nicht, ihr habt eine Frauenleiche