hell.“
„Ok. Ruf mich zurück, sobald du kannst. Ich brauche deine Hilfe“
„Mach ich…und warte nicht mit dem Essen auf mich. Wird spät heute.“
Die Verbindung war unterbrochen.
Kai arbeitete seit 8 Jahren als Betriebspsychologe in dem Konzern und hatte darüber hinaus die soziale Verantwortung für die über 800 Angestellten und Arbeiter. Von Drogenmissbrauch über häusliche Gewalt, ungewollte Schwangerschaften, Trunkenheit am Arbeitsplatz, Nervenzusammenbrüchen bis hin zu Burnouts, alles fiel in seinen Verantwortungsbereich. Daneben war er bei Einstellungsgespräche gefragt, führte Entspannungsseminare durch und vermittelte bei Bedarf das Personal an Sportvereine oder Fitnesseinrichtungen.
Als nächstes rief Kai eine Dienststelle der Schutzpolizei an. Nachdem er weiter verbunden worden war, meldete sich eine Frau. Bevor sie noch ihr „was kann ich für Sie tun?“ aussprechen konnte, hatte er sie bereits unterbrochen: „Sina, hier ist Kai. Kannst du mir einen Gefallen tun und feststellen, ob in den letzten 36 Stunden eine Frau, Ende dreißig, dunkelhaarig, schlank und mittelgroß in eines der Krankenhäuser eingeliefert wurde, vermutlich ohne Bewusstsein oder nicht in der Lage ihr Handy oder ein Telefon zu bedienen. Eigentlich wollte ich deinen Bruder mit dieser Aufgabe betrauen, aber der hält sich gerade an einem Tatort auf und hat keine Zeit.“
„Haben wir eine Vermisstenmeldung vorliegen?“
„Nein, die 48 Stunden sind noch nicht um.“
„Ich schaue, was ich tun kann“ sagte Sina ein wenig zögerlich. „Es dauert aber etwas. Ich rufe dich zurück. Soll ich auch im Gewahrsam nachfragen?“
„Ja, sicher ist sicher.“
„Ok. bis dann“.
Es war bereits Mittag, als Kais privates Handy läutete. „Jan Köller“ sagte die Stimme am anderen Ende. „Womit kann ich dem Herrn Psychologen behilflich sein?“
Kai ließ ein leises Lachen hören. „Lass doch bitte mal feststellen, wo sich ein gewisser Herr
Leonhard Berkhof derzeit aufhält. Seine Ex-Frau ist verschwunden, und ich möchte sichergehen, dass er nicht die Finger im Spiel hat.“
„Hast du jetzt den Beruf gewechselt? Seit wann kümmern sich Psychologen um vermisste Personen?“
„Sie ist eine meiner Klientinnen.“
„Ok, geht klar. Ich schicke dir die Nachricht auf dein Phone. Ciao.“
Kurz nach 14.00 Uhr meldete sich Sina wieder. „Negativ“ sagte sie. „Allerdings nur im Großraum Hamburg“.
„Ich weiß deine Hilfe zu schätzen. Vielen Dank!“
„Immer wieder gern“.
Eine halbe Stunde später piepste Kais Handy erneut. Eine Nachricht erschien: „LB sitzt seit 26 Tagen ein. Weitere 54 Tage wird sich dieser Zustand nicht ändern.“
Kai trommelte wieder auf die Tischplatte. Er würde noch einmal mit Rena sprechen müssen. Vielleicht fiel ihr noch etwas ein, wo er ansetzten konnte. Er wählte ihre Nummer und verabredete sich mit ihr um 16.00 Uhr in einem Café in der Nähe der Wohnung ihrer Mutter. Danach informierte er Enno, dass er außer Haus sei, stieg in sein Auto und fuhr los.
Als Kai vor dem Café ankam, wartete Rena schon. Er hatte sich auf der Suche nach einem Parkplatz leicht verspätet. Sie gingen hinein und fanden abseits einen Zweiertisch. Nachdem die Kellnerin den Kaffee gebracht hatte, sagte Kai:
„Um eventuelle Rückschlüsse auf den Verbleib Ihrer Mutter ziehen zu können, muss ich jede Kleinigkeit wissen. Wann haben Sie zuletzt mit ihr gesprochen? Hat sie irgendetwas von einer neuen Bekanntschaft angedeutet? Sind Ihnen irgendwelchen Bemerkungen erinnerlich, die einen Hinweis geben könnten?“
Rena dachte angestrengt nach, was ihrem konzentrierten Gesichtsausdruck deutlich zu entnehmen war.
„Ich habe sie am letzten Mittwoch angerufen und ihr gesagt, mit welchem Zug ich am Samstag ankomme. Daraufhin hat sie mich gefragt, was ich mir denn zum Essen wünsche. Sie müsse ohnehin noch einkaufen gehen. Dies hat sie offensichtlich auch getan, denn der Kühlschrank ist voll.“
Nach einer Pause sprach Rena weiter. „Sie hat noch eine Frau erwähnt, die ihr einen kleinen Laden für ausgefallene Kleidung empfohlen hätte. Dorthin wollte sie mit mir gehen, um etwas für meinen Geburtstag im nächsten Monat zu kaufen. Sie nannte die Frau „Doro von der Eisbar“.“
„Gibt es einen Eissalon in der Nähe ihrer Wohnung?“
„Ja. Zwei Blocks weiter auf der linken Seite.“ Rena zeigte mit dem Arm in die entsprechende Richtung, und Kai machte sich Notizen auf seinem Phone.
„Gehen Sie bitte Ihre Ankunft noch einmal Schritt für Schritt in Gedanken durch.“
Rena lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Ich bin am Samstag um 17.12 Uhr angekommen, der Zug hatte eine Viertelstunde Verspätung. Ich habe dann etwa 20 Minuten gewartet und bin mit dem Bus nach Hause gefahren. Kurz nach 18.00 Uhr war ich dort.“
Sie machte eine Pause, öffnete kurz die Augen, nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und schloss wieder ihre Lider. Sie sprach langsam und bedächtig.
„Die Wohnung war aufgeräumt, es stand oder lag nichts herum. Die Spülmaschine war fertig, aber nicht ausgeräumt, Mamas Bett war gemacht, mein Bett frisch bezogen.“
Kai, der sich weiter Notizen machte, erinnerte sich, was Enno ihm auf Nachfragen bestätigt hatte, nämlich, dass Frau Berkhof am Freitag pünktlich den Betrieb verlassen hatte, wie aus der Zeiterfassung ersichtlich war.
„Weiter“.
„Ich habe mir ein Fertiggericht aus dem Tiefkühlschrank gemacht, habe Cola getrunken, Musik gehört und gewartet. Irgendwann nach 23.00 Uhr bin ich eingeschlafen.“
„Gut, was taten Sie am nächsten Morgen?“
„Als ich sah, dass Mama nicht da ist, habe ich erst schnell geduscht, mir andere Sachen angezogen und dann im Adressbuch neben dem Telefon meiner Mutter nach den Nummern ihrer Freundinnen gesucht. Ich habe alle drei nacheinander angerufen, aber keine wusste, wo sie sein könnte.
Kurz vor 12.00 bin ich dann zur Polizeidienststelle Mitte gefahren, um meine Mutter als vermisst zu melden, aber die wollten noch nichts tun, weil…“
Kai unterbrach sie. „Falls Ihre Mutter aber seit Freitagabend nicht mehr zu Hause war, wären die 48 Stunden jetzt um. Und Sie haben ja keinen Anhalt, dass sie erst am Samstag das Haus verlassen hat, nicht wahr?“
Rena nickte.
„Haben Sie zufällig ein Bild Ihrer Mutter dabei?“ fragte Kai.
Rena entnahm ihrer Tasche eine Fotografie, auf der sie mit Ihrer Mutter abgebildet war.
„Das ist aus dem letzten Urlaub“ sagte sie.
Kai fotografierte das Bild mit seinem Handy und reichte es ihr zurück.
„Ich bitte einen Freund, sich der Sache anzunehmen. Er ist Polizist.“
Er winkte der Kellnerin und bezahlte den Kaffee. Beim Verlassen des Cafés sagte Kai:
„Sollte Ihnen noch etwas einfallen, rufen Sie mich auf jeden Fall an.“
Rena nickte und gab ihm die Hand. „Ich bin Ihnen so dankbar für Ihre Hilfe“ sagte sie und ging in Richtung ihrer Wohnung davon, während Kai sich zum Parkplatz begab.
Wie es Kai in seinem Beruf gewöhnt war, ordnete er die Notizen und schrieb die Fakten auf. Dann überlegte er, ob er kochen oder sich etwas vom Pizzaservice bestellen sollte. Wenn Jan erst spät nach Hause käme, hatte er bestimmt schon irgendetwas gegessen, also lohnte es nicht, heute zu kochen. Er rief „Tonio’s“ an und bestellte eine Pizza Calzone für 19.00 Uhr, bevor er die Unterlagen für das morgige Seminar heraussuchte und bearbeitete.
Tonio