unter der es doch immer wieder brodelte, und oft floss ganz unerwartet ein glühender Lavastrom über das schon erstarrte Geröll.
Alles war faszinierend. Und doch sehnte sie sich immer stärker zurück nach Fabian.
Ob es ihm ähnlich erging? Oder war sie für ihn nur ein Flirt gewesen? Eine von vielen Touristinnen, die ihm den Alltag für ein paar Stunden verschönten? Eine Frau, mit der man ein amüsantes Abenteuer erlebte, die man dann aber rasch wieder vergaß?
Der Gedanke, dass es so sein könnte, trieb ihr die Tränen in die Augen.
Doch es blieb nicht viel Zeit für Melancholie. Die Reise ging weiter.
Die beiden winzigen Inseln, noch kaum vom Tourismus erschlossen, begeisterten sie ebenso wie der Ausflug mit einem schnellen Segelboot. Delphine sprangen aus dem Wasser, es wirkte so, als begrüßten sie mit ihren Sprüngen die Besucher aus einer anderen Welt.
Die Zeit verging wie im Flug, und die Rückkehr nach Oahu stand bevor.
Am Abreisetag ging es Sibylle gar nicht gut. Sie hatte Fieber, ihr war übel, und irgendwie hatte sie das Gefühl, alles wie durch einen Nebel zu sehen. Doch energisch riss sie sich zusammen. Nur keine Schwäche zeigen! Den Abflug nur nicht gefährden!
Fabian wartete!
Er stand wirklich in der Hall des Flughafens und wartete mit einem weiß-lilafarbenen Orchideenkranz auf sie. Doch die Blütenkette fiel achtlos zu Boden, als er sah, dass sich Sibylle kaum noch auf den Beinen halten konnte.
„Liebling...“ Seine Stimme, sein Arm, der sie hielt, waren das letzte, was Sibylle für lange Zeit wahrnahm. Das Fieber tobte durch ihren Körper. Nicht einmal, dass Fabian Tag und Nacht an ihrem Bett saß, bekam sie mit.
Und dann, in der vierten Nacht, flatterten Sibylles Lider plötzlich, und ihre Hände glitten unruhig über die Bettdecke - sie sie von einer großen warmen Hand umfasst wurden.
„Ich bin da, Liebes, ganz ruhig...“
„Fabian?!“ Wie ein Hauch nur klang ihr Name, doch der Arzt atmete erleichtert auf.
„Ja!“ Und dann fühlte sie seine Lippen auf den ihren - und alles war gut.
Tief war der Schlaf, in den sie nun wieder fiel. Tief und erholsam. Nur ein Gedanke machte ihr Angst, als sie wieder wach wurde: „Mein Flug geht am zwanzigsten. „Wie... wie lange ist es noch bis dahin?“
„Übermorgen ist der zwanzigste“, erwiderte Fabian ruhig. „Aber ich denke, dass du dann noch nicht transportfähig sein wirst. Ich werde das attestieren.“ Er streichelte ihr Gesicht. „Glaubst du, ich lasse dich so schnell wieder aus meinem Leben gehen?“
Sibylle senkte den Kopf. So rasch nicht... aber bald. Sie konnte nicht ewig hier auf Hawaii bleiben. Konnte nicht so tun, als sei ihre Welt in Deutschland völlig unwichtig geworden.
Immer wieder, wenn sie aus den tiefen Erschöpfungs-Schlafphasen erwachte, malte sie sich aus, wie es sein könnte, wenn sie hier auf Hawaii bliebe. Bei Fabian...
Doch dann war sie zu schwach, um weiter darüber nachzudenken. Um zu grübeln, was wäre, wenn sie ohne ihn weiterleben müsste.
Oder mit ihm...
Es waren wirre Gedanken, die sich nie ganz festhalten ließen, denn sie schlief immer wieder ein. Aber wenn sie erwachte, war Fabian da.
Und das machte sie glücklich.
Noch...
Zehn Tage später war es soweit: Sibylle musste heim fliegen. Sie fühlte sich wieder gesund und stark. Wenn auch traurig. Unendlich traurig.
„Wir sehen uns wieder“, versicherte Fabian. „Ich liebe dich. Vergiss das nicht - ich liebe dich.“
Dann kam der letzte Kuss. Süß und bitter zugleich und von einer Wehmut, die schmerzte.
*
In Deutschland war inzwischen Altweibersommer. Spinnweben schwebten durch die Luft, und die ersten bunten Blätter kündeten vom nahen Herbst.
Alex hatte einen großen Strauß Blumen dabei, als er Sibylle am Flughafen abholte.
Doch sie musste an die gelben und rosefarbenen Hibiskusblüten denken, die um um Fabians Haus wuchsen und ihren zarten Duft verströmten.
„Hibiskus ist die Nationalblume unserer Insel“, hatte er ihr erklärt. „Wer einen Garten anlegt, pflanzt zuerst einmal ein paar Hibiskussträucher.“
Bei diesen Worten hatte sich wieder diese unbestimmte Trauer in seinen Augen gespiegelt, für die Sibylle einfach keine Erklärung gefunden hatte. Doch dass es da etwas in seiner Vergangenheit gab, über das er nicht hinwegkam, dessen war sie sich sicher.
„Sag mal, träumst du? Ich hab dich schon zwei Mal gefragt, ob wir zu dir oder zu mir fahren sollen.“ Alex legte besitzergreifend den Arm um ihre Schultern.
Sibylle liebt abrupt stehen. Sie waren noch auf dem Parkplatz des Flughafens. Alex trug ihren Koffer, sie hielt in der einen Hand den Strauß, in der andern ihre kleine Reisetasche.
„Es tut mir leid, aber...“ Sie schluckte, dann fuhr sie entschlossen fort: „Ich mache Schluss, Alex. Wir sind einfach zu verschieden. Du und ich... das ist vorbei.“
Ungläubig starrte er sie an. „Du hast dir wohl einen anderen angelacht?“ Alex ließ den Koffer aus der Hand fallen und rüttelte Sibylle an den Schultern. „Gib’s doch endlich zu!“
Sie nickte nur. „Ja, ich habe einen anderen Mann kennengelernt. Einen, der mir viel bedeutet. Aber ich werde ihn wohl nie wieder sehen.“
„Ach so!“ Alex grinste. „Du musstest den obligatorischen Ferienflirt haben, verstehe. Na und, Schätzchen? Ich bin doch nicht kleinlich. Das nächste Mal verreise ich, dann gibt’s eben Revanche.“
„Du bist - unmöglich!“ Sibylle fühlt Wut und Entsetzen in sich hochsteigen. Wie konnte er so reden? Wofür hielt er sich? Und wofür hielt er sie? Schätzte er sie so wenig?
Sie winkte einem Taxi. „Leb wohl, Alex.“
Zu Hause weinte sie, bis sie keine Tränen mehr hatte. Was dann blieb, waren Sehnsucht - und Einsamkeit.
Am folgenden Sonntag klingelte es schon früh an ihrer Haustür. Sibylle zog sich schnell Sweatshirt und Leggins an. Gerade halb neun. Wer mochte zu dieser ungewöhnlichen Zeit besuchen?
Nur widerwillig drückte sie den Knopf der Wechselsprechanlage. „Ja bitte?“
„Ich bin’s.“
Zwei Wörter nur, aber sie brachten Sibylles Welt ins Wanken.
„Fabian!“ Ihr Schrei war im ganzen Haus zu hören, doch das störte sie nicht. Er war da! Nur das zählte!
„Ich muss dir so viel erklären“, flüsterte er, als er sie in die Arme riss und so fest an sich presste, dass es beinahe schon weh tat. „Schon auf Hawaii wollte ich dir alles gestehen, aber ich war mir nicht sicher, ob du mich verstehen würdest.“
Und dann erzählte Fabian von seiner Frau, einer Hawaiianerin, die an einer schweren Krankheit gestorben war.
„Ich habe alles Menschenmögliche versuchte und konnte ihr doch nicht helfen. Die Blutkrankheit war zu tückisch, keine Therapie half. Wir sind auch zu etlichen Kollegen in die USA geflogen - immer ohne Erfolg. Mir blieb schließlich nur noch, die Leiden meiner Frau zu lindern, ihr die Zeit, die ihr blieb, so angenehm wie möglich zu machen. Als sie starb, war es für sie eine Erlösung. Nie werde ich ihren letzten Blick vergessen - er war voller Liebe, aber auch schon jenseitig. Sie hat ein wenig gelächelt, als sie mir zum letzten Mal in die Augen gesehen hat.“ Er brach ab, wischte sich kurz über die Augen. „Ich war vor Schmerz halb betäubt, das musst du mir glauben. Aber da war ihre Familie... Sie haben geglaubt, ich hätte ihr eine falsche Medizin gegeben, und sie haben geschworen, sich zu rächen. Schließlich hatte ich meine Frau dahingehend beeinflusst, dass sie nicht zu irgendwelchen Wunderheilern ging, sondern der