G. S. Friebel

Ein schwieriger Fall: Arztroman


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Menschen auch ein Wissen besitzen können, ein sehr gutes Wissen sogar.

      Wie sehr hatte sie ihre Arbeit geliebt. Und wie sehr hatte sie an den Sehnsüchten des jungen Arztes mitgelitten, als dieser davon sprach, wie alles viel einfacher und besser wäre, wenn man ein kleines Haus für die Patienten anmieten könnte. Damals hatte sie gedacht: Wenn Mutter stirbt, dann habe ich Geld genug und kann das alles für ihn tun.

      Bettina wischte sich die Tränen vom Gesicht.

      Sie konnte wohl nicht mehr zurück, hatte zu lange gewartet. Obwohl man ihr gesagt hatte, sie könnte jederzeit zurückkommen. Der junge Arzt verdiente ja nicht sehr viel. Sie würde ihm eine Last sein.

      O ja, sie kannte die Pläne und Gedanken der Mutter sehr genau! Bei ihr drehte sich alles ums Geld. Als wenn sie davon nicht genug hätte. Doch sie wollte mehr und immer mehr. Sogar mit den beiden Kindern wollte sie Geld machen. Der Sohn wurde vorteilhaft verheiratet und würde erst dann alles übernehmen dürfen, wenn sie einmal nicht mehr lebte. Er liebte seine Frau nicht, musste aber aushalten, denn die Mutter beherrschte ihn völlig. Sie teilte ihm das Geld zu und zahlte zwar alles, was er sich wünschte, aber er musste immer darum betteln. Ja, das war es, was sie wollte: Man musste betteln!

      Es wäre so leicht für die Mutter gewesen, ihr hier in der Stadt eine eigene Praxis einzurichten. Eines Tages würde sie, Bettina, ihr Erbteil ohnehin bekommen. Aber wäre es dann nicht zu spät? Wer würde denn einer jungen Ärztin vertrauen, die kaum Erfahrung besaß?

      Als die Mutter merkte, dass sie keine Schönheit wurde, hatte sie für Bettina andere Pläne gemacht. Anfangs hatte sie unter den Söhnen der angesehenen Familien gesucht, um für ihre Tochter einen »Ehemann zu kaufen«, wie sie es bei sich nannte. Ja, sie hatte es Bettina sogar direkt gesagt.

      »Überlass das nur deiner Mutter! Du kriegst auch noch einen ab, mein Kind.«

      Bettina hatte sie fassungslos angesehen.

      »Aber ich will nicht heiraten, ich habe meinen Beruf! Ich liebe meinen Beruf!«

      »Eine Losse gibt sich nicht mit armem Pack ab. Vielleicht zur Übung, aber doch nicht immer.«

      »Mutter!«, hatte sie gerufen. »Wie kannst du nur so hart sein?«

      »Du brauchst einen Mann, dann wirst du auch vernünftig werden. Ich weiß das.«

      Sie hatte ihr tatsächlich einige Anwärter präsentiert. Da Bettina jedoch wusste, dass die jungen Männer nur auf ihr Erbteil schielten, fiel es ihr leicht, sie abzuweisen. Die Mutter hatte ein wenig getobt, aber allmählich doch begriffen, dass sie wohl zu plump vorgegangen war.

      Ihre Taktik hieß jetzt: Die Tochter mürbe machen. Sie sitzt im goldenen Käfig, kann aber nicht allein hinaus. Wenn sie mein Haus verlässt, erhält sie keinen Pfennig zum Leben. Eine Anstellung bekommt sie auch nicht, also wird sie es bald satt haben und den ersten besten Mann heiraten, den ich ihr präsentiere - nur, um mich zu verlassen. Und dann habe ich alles, was ich erreichen wollte: eine Ärztin ganz für mich allein, wenn ich sie brauche, und einen Schwiegersohn mit angesehenem Namen. Bettina wird mir noch dankbar dafür sein. Ein junges Mädchen braucht einfach einen Mann, basta!

      Bettina Losse wusste, dass sie nervlich kurz vor dem Zusammenbruch stand. Lange würde sie diesem Druck nicht mehr standhalten. Sie musste fort, und zwar bald.

      Sie erhob sich und ging davon.

      Obwohl sie jetzt durch die Stadt lief, fühlte sie sich nicht wohler. Wohin sollte sie denn?

      Plötzlich kam ihr die Idee. Ich rufe einfach mal an. Es wird mir guttun, die lieben Stimmen zu hören. Nur einmal andere Menschen hören, jene, die ich mag, die mich vielleicht noch nicht vergessen haben. Ach, wenn sie wüssten, wie erbärmlich ich mich im Augenblick fühle!

      Entschlossen betrat sie eine Telefonkabine.

      2

      Dr. Bernstein hatte gerade seine Sprechstunde hinter sich gebracht. Gleich würde seine Mutter zum Essen rufen. Es war ein schöner Tag. Er war überaus zufrieden. Er spürte, dass ihm alles gelang, was er tat. Er war dem Schicksal unendlich dankbar für diese Chance.

      Da läutete das Telefon.

      »Ich nehme schon ab!«, rief er ins Nebenzimmer. »Britta, Sie können schon meiner Mutter sagen, dass ich gleich komme!« Dann meldete er sich. Zuerst verstand er die leise Stimme nicht, doch dann erkannte er sie.

      »Frau Losse!«, rief Dr. Bernstein erfreut. »Nein, wie sehr mich das freut, dass Sie sich endlich wieder melden! Wie geht es Ihnen denn?«

      Als Bettina die liebe Stimme hörte, hätte sie wieder in Tränen ausbrechen können.

      »Mir geht es gut«, stammelte sie.

      Dr. Bernstein stutzte. Er bemerkte die unterdrückten Tränen in ihrer Stimme.

      »Ist alles in Ordnung?«

      »Ja«, sagt sie gepresst.

      »Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass Sie nicht mehr kommen können, Frau Losse? Liebe Kollegin, das dürfen Sie mir einfach nicht antun!«

      Bettina wäre in der kleinenTelefonzelle beinah vor Schreck umgefallen.

      »Ich soll zurückkommen?«, stammelte sie.

      »Aber ja, ich warte schon auf Sie, liebe Kollegin.«

      »Aber ich war doch nur eine Vertretung. Ich meine, ich denke ...«

      Bernstein spürte, dass sie ganz aus dem Häuschen war. Sie schien tief beglückt zu sein. Etwas musste also geschehen sein.

      »Hier hat sich eine ganze Menge getan. Sie werden staunen. Mehr verrate ich aber nicht. Das müssen Sie sich schon ansehen.«

      »Oh!«

      Bernstein sagte leise: »Oder können Sie noch nicht? Ist Ihre Frau Mutter immer noch krank?«

      Bettina umkrampfte den Telefonhörer.

      »Dr. Bernstein«, stammelte sie tränenerstickt. »Meinen Sie es wirklich ernst?«

      »Ich meine alles so, wie ich es sage. Darin müssten Sie mich doch langsam kennen.«

      Jetzt ließen sich die Tränen doch nicht länger zurückhalten.

      »Darf ich sofort kommen?«

      Dr. Bernstein spürte, dass die Kollegin in einer schweren Krise steckte. Etwas schien mit ihr nicht zu stimmen. Sie war ja völlig aus dem Gleichgewicht. War es da eigentlich gut, sie anzustellen? Er konnte jetzt doch die Kollegen aussuchen, mit denen er arbeiten wollte.

      Eine Sekunde lang überlegte er messerscharf, dann sagte er sich: Ich habe es ihr bereits zugesagt, sozusagen versprochen. Ich muss sie erst wiedersehen. Und wenn sie nicht ganz in Ordnung ist, werde ich auch den Grund dafür feststellen, und dann können wir noch immer sehen, was wir mit ihr tun.

      »Je eher, umso besser!« Am anderen Ende wurde es still. »Sind Sie noch da?«, fragte er.

      »Ja, Herr Kollege.« Wieder Stille. Und dann ganz leise: »Dr. Bernstein, ich glaube, Sie haben mir gerade das Leben gerettet.«

      Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Oh, dachte er, so schlimm ist es also.

      »Ich kann also damit rechnen, dass Sie jetzt kommen?«

      »Ja«, sagte Bettina ganz ruhig und gelassen. »Ja, Sie können damit rechnen. Und ich verspreche Ihnen, ich werde mich für Sie totschuften.«

      »Aber das verlange ich ja gar nicht. Wenn ich das wollte, wäre mein Ärzteverschleiß bald sehr hoch, und wir müssten den Friedhof vergrößern, was der Bürgermeister mir bestimmt verübeln würde.«

      Bettina lachte auf. Ihr Lachen klang frei und herzlich.

      »Ja, ich komme!«, rief sie. Dann legte sie auf.

      Dr. Bernstein legte ebenfalls den Hörer zurück - äußerst nachdenklich. Er starrte eine Weile vor sich hin, dann stand