Tobias Haarburger

Margarethe oder Die Schönheit der Farbe Weiß


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dem ein heller Stein funkelte, der in eine besonders große goldene Fassung eingearbeitet war.

      Margarethe, die es nicht gewohnt war, auf verbindliche Art ein Gespräch zu beginnen, ging auf den Herrn zu und fragte ihn von der Seite kommend, was der vergoldete Luchs – dieses Tier hatte man für den Tag ausgewählt – kosten solle.

      Der Herr wandte sich verdutzt zu ihr um. Er musterte sie kurz, hielt sie offensichtlich für eine gänzlich unbedarfte Person, die er nicht als Kundin gewinnen könnte, und antwortete von oben herab kurz, dass das Exponat unbezahlbar wäre.

      »Warum stellen Sie es dann aus?«, fragte Margarethe, die herablassende Ironie des Mannes ignorierend.

      Der Verkäufer besann sich eines Besseren und sagte, das Exponat koste einhundertfünfzehntausend Euro. »Ist das zu viel für Sie?«, verfiel er wieder in seine Überheblichkeit.

      »Das ist zu viel für Sie«, erwiderte Margarethe und wandte sich ab.

      »Bitte warten Sie«, sagte der Verkäufer. »Ich habe mir einen Scherz erlaubt.« Als er das sagte, rieb er sich die Hände.

      »Einen Scherz, so?« Margarethe ging an dem Verkäufer vorbei und trat, um ihr Interesse zu bekunden, an das Exponat heran. »Wie kommen Sie auf den Preis?« Sie besah sich das Werk noch genauer. »Wie hoch ist der Materialwert?«

      Serge blieb abseits stehen, beobachtete Margarethe und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.

      »Gut, ich will offen sein«, sagte der Verkäufer, was wohl als Wiedergutmachung gedacht war, und sagte, der Materialwert läge bei der Hälfte, also etwa fünfundsiebzigtausend Euro. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und trat auf die andere Seite des Luchses.

      »Für den Materialwert plus zwanzig Prozent hätte ich Interesse«, sagte Margarethe und nahm dafür kurz ihren Blick von dem Tier.

      Der Verkäufer sah sie verdutzt an. »Einen solchen Preisnachlass können wir leider nicht geben«, antwortete er indigniert und sprach die letzten Worte mit einem nasal werdenden dünkelhaften Ton.

      Margarethe untersuchte das Exponat genau. Es schien eine saubere Arbeit zu sein. Die Güte des Blattgoldes konnte sie gleichwohl nicht beurteilen. »Führen Sie auch Schwäne und Enten?«, fragte sie. »Ein Schwan würde gut in mein Badezimmer passen. Dort ist noch reichlich Platz.«

      Der Verkäufer war es gewohnt, mit verschrobenen Kunden zu reden. Er blieb ernst und antwortete: »Im Moment führen wir weder Schwäne noch Enten. Ich kann aber nachfragen, ob sich das machen lässt.«

      »Ja, fragen Sie bitte nach. Ansonsten würde ich mich für den Luchs interessieren.« Obwohl sie nicht den geringsten Humor besaß, fand Margarethe einen Gefallen an der grotesk werdenden Unterhaltung.

      »Wir können an dem Preis wie gesagt leider nicht viel machen«, wiederholte der Verkäufer.

      »Ich verstehe«, sagte Margarethe, »ich gehe jetzt eine Runde und komme dann zurück. Sie können es sich ja noch überlegen.« Damit ließ sie den Mann stehen und sah sich nach Serge um. »Mal sehen, was für Bedingungen er noch anbietet, wenn wir zurückkommen«, flüsterte sie ihm zu.

      »Bedingungen? Was meinst du?«

      »Du wirst es sehen. Schwäne und Enten führen sie übrigens derzeit nicht.«

      Sie gingen auf ein Café zu, das sich an einem der Ausgänge der Halle befand. Serge fragte Margarethe, was sie haben wolle, und kümmerte sich um Kaffee und Kuchen.

      Als sie nach einer Weile beides verzehrt hatten, sagte Serge: »Weißt du, ich finde dich sehr nett.« Er griff nach Margarethes Hand.

      Margarethe zog sie grob zurück.

      »Bist du nicht Single?«, fragte Serge.

      Margrethe, die eben noch so gut gelaunt war, verfiel in eine kühle Pose. Eine derart persönliche Frage und diese Annäherung erbosten sie. »Ich habe kein Interesse an so etwas. Ich mag vor allem nicht, dass man mich anfasst.« Sie blickte Serge mit finsterer Miene an. »Lass uns aufstehen. Ich möchte noch einmal zu dem Stand gehen, bei dem wir vorhin waren.« Erst während sie sich erhob, wurde ihr klar, dass sie auf den plumpen Übergang zum Du hereingefallen war. Wenn die unverschämte Provokation des Berührens der Ablenkung diente, war das ein recht beachtliches Manöver, wie sie Serge zugestehen musste.

      Serge war nicht in der Lage, die Endgültigkeit in Margarethes Zurückweisung zu verstehen, auch ohne das Entgegenkommen in der Du-Sache. Er dachte noch immer, weil sie ihn angerufen und zum Besuch der Messe eingeladen hatte, müsste sie ein ausreichendes Interesse an ihm haben. Wie es manchmal bei ihm vorkam, entwickelte er eine Begierde nach einer, nach dieser Frau, die seinen Verstand deutlich einschränkte. »Romantik ist wohl nicht deine Sache«, sagte er und fügte hinzu: »Ich finde dich sehr anziehend.« Er sah sie mit einem Blick an, der sein Begehren fordernd ausdrückte.

      »Du weißt nicht, wovon du redest. Wenn du nicht weißt, was du mit deinem Leben anfangen sollst, bin ich ganz sicher die Falsche, die dir helfen könnte.«

      Serge erschrak. Konnte sie seine Gedanken lesen?

      »Du suchst eine Mutter, das bin ich mit Sicherheit nicht.« Sie ging, ohne sich weiter um Serge zu kümmern, in die Richtung des Standes. Dass sie überhaupt ein so persönliches, ja, intimes Gespräch führen musste, erboste sie nun doch so sehr, sodass sie fast bezüglich des Dus einen Rückzieher gemacht hätte, aber dafür war es nun zu spät, ohne sich weiterer Peinlichkeit auszusetzen. Ach, sie hätte alleine kommen sollen!

      Serge war unentschlossen, ob er ihr folgen sollte, tat es aber dann doch.

      Kurze Zeit später standen sie gemeinsam vor dem Herrn mit dem gegelten Haar.

      »Also nehmen wir an, ich bezahle, sagen wir mal hunderttausend Euro«, nahm Margarethe das Gespräch ohne Umschweife wieder auf, »wie könnten Sie mir entgegenkommen? Wie ist das mit den Steuern zum Beispiel, ich muss doch bestimmt Mehrwertsteuer bezahlen – kann ich das Exponat mit Gewinn verkaufen oder wird dann Einkommensteuer fällig?«

      »Ähem«, räusperte sich der Verkäufer, denn es standen andere Besucher neben ihnen. »Am besten wir besprechen das da drüben.« Er wies auf eine kleine Sitzgruppe.

      Die Dame mit der Perlenkette kam herüber und fragte Margarethe und Serge, ob sie etwas trinken wollten.

      »Nein, nichts«, antwortet Margrethe knapp für sie beide.

      »Künstler, die an Privatleute verkaufen, müssen sieben Prozent Umsatzsteuer abführen«, begann der Verkäufer auszuführen. »Sie als Privatperson natürlich nicht, wenn sie das Exponat wieder verkaufen. Der Künstler wird aber die sieben Prozent auf seinen Verkaufspreis aufschlagen. Es gibt da einige Möglichkeiten …«, der Mann senkte seine Stimme und beugte sich Margarethe und Serge entgegen. »Verkauft man ein Kunstobjekt aus dem Privatbesitz, muss man dann Steuern zahlen, wenn es sich um ein sogenanntes Veräußerungsgeschäft handelt. Es gibt eine Freigrenze bis sechshundert Euro. Verkauft man das Exponat innerhalb eines Jahres und liegt der Gewinn über diesen sechshundert Euro, dann fällt die Einkommenssteuer an.«

      Margarethe und Serge hörten aufmerksam zu.

      »Es gibt aber eine Lösung, wie für alles. Wer kauft schon Kunst, um sie nicht mit Gewinn zu verkaufen?«, raunte der Mann. »Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber viele Kunden haben Bargeld, das sie in den Kreislauf zurückbringen wollen. Ähem, Sie verstehen. Hierfür bieten wir eine Dienstleistung an. Wir verkaufen ein Exponat, sagen wir, den goldenen Luchs«, dabei zwinkerte er Margarethe vertraulich zu, »und nach einem Jahr nehmen wir das Objekt zurück. Sie bekommen Ihr Geld und es ist, sagen wir, gesäubert. Der erste Kaufvertrag wird um zehn Jahre zurückdatiert. Der zweite Vertrag wird mit Handschlag vereinbart. Dafür fällt eine Provision von zehn Prozent an. Wäre das was für sie?« Er sah Margarethe an, die den Blick unbewegt erwiderte. »Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Verkäufer anbietet, die Skulptur zu einem sehr hohen Preis auf dem Papier zu verkaufen. Sie können das als Betriebsausgaben geltend machen. Als Künstler muss ein nicht anerkannter Künstler eingesetzt werden. Das spielt eine Rolle bei der