Theobald Fuchs

Unser täglich Bier gib uns heute


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      Und größer

      Und er schaute ihr in die Augen und sagte:

      „Ich schau dir in die Augen, Kleines“

      „Here’s looking at you, kid“

      Damit es funktionierte, musste er auf einer Kiste stehen

      So wurde er größer

      Vielleicht war es ein Bierkasten.

      Groß, blond, blaue Augen,

      Norddeutscher, E-Gitarrist.

      Er kommt regelmäßig in den

      Laden. Sein Übungsbunker

      ist um die Ecke.

      Ansonsten würde er seltener

      kommen. Er kommt aus

      der holsteinischen Pampa.

      Er ist nett und heißt Jens.

      Viele heißen Jens, viele Jens

      kommen aus Schleswig-

      Holstein, also bekommt er

      den Namen: Der mit der

      blauen Kiste.

      So eine blaue Kiste trägt er

      nämlich immer bei sich und

      er sammelt so lange, bis sie

      randvoll ist. Jens schnackt

      nicht viel, aber nett ist er.

      21.02.

      EIN AUTHENTISCHES BIER

      Eines Tages kommt er mit einer vollen Kiste in den Laden, eine Kiste Selbstgebrautes. Er braut schon seit Jahren und nun dürfen wir kosten. An diesem Tag redet er mehr, bestimmt 100 Wörter sagt er:

      „Hier, das ist mein frisches hanf- und hopfengestopftes Bier. Der Hopfen, Cascade, trägt in diesem Jahr schon richtig gut.“

      „Und der Hanf? Woher kommt der?“ „Den baut mein Bruder an.“ „Wie? Ist das etwa so richtiger Hanf?“

      „Bei uns wird nur mit echten Zutaten gebraut!“

      Ein göttlicher Tropfen, aber ohne jegliche Rauscherscheinungen. Hopfen gehört zur Familie der Hanfgewächse und blaue Kisten sind gute Kisten.

      Jahre später: Manchmal kommt ein blauer Karton per Post und dann weiß ich: Es ist ein authentisches Bier mit nur echten, selbstangebauten Zutaten.

      22.02.

      ÖKOLOGISCH FRAGWÜRDIGES HOBBY

      Denkt man an den ökologischen Fußabdruck beim Bierentdecken, gibt es viele Faktoren, die einem die Freude an einem guten Glas Bier zunichte machen könnten. Die Herstellung von Rohstoffen, der Weg, den diese zurücklegen. Das viele Wasser, das für den Rohstoffanbau notwendig ist. Das viele Wasser zum Putzen, Spülen und nicht zuletzt Brauen. Die Brauanlagen, die massig Energie benötigen. Die Gebindeformen, alle mit ihren Pros und Contras. Die Bewertung dieser, in oftmals von Herstellern beauftragten Studien meist umstritten. Die erhöhte Mobilität der Biere, die eine einfache Bewertung noch schwieriger macht. Die Versuche, das transportierte Gewicht zu minimieren, die oftmals zu Plastik und Aluminium führen. Das schwierige Recycling da, wo es kein Pfand gibt. Und ein Pfandsystem, überkomplex und ausgehungert.

      All das sind Punkte, die man nicht vergessen sollte. Doch dabei sollte man auch nicht auf den Genuss vergessen. Am Ende reflektiert es sich nämlich noch immer am besten über einem Glas guten Bieres.

      23.02.

      UNSER TÄGLICH BIER GIB UNS HEUTE

      Unser täglich Bier gib uns heute

      so drücken wir die Wertschätzung aus,

      die wir für unser flüssiges Brot empfinden.

      Wer wertschätzt, der lässt sein.

      Lässt den andern sein wie er ist.

      Lässt sein Bier sein wie es ist.

      Wer wertschätzt, der gibt Freiheit.

      Der kämpft für Brau- und Genussfreiheit.

      Freiheit ist dynamisch, Freiheit wird gegeben.

      Unser täglich Text gib uns heute.

      Wie die Brauer so auch die Autoren,

      jeder darf schreiben, was er will.

      Unser täglich Grafik gib uns heute.

      auch die Grafikerin hat die Freiheit,

      ihr schönstes Layout zu schaffen.

      Wem unser täglich Bier gegeben wird,

      der gibt auch ab, der teilt, der gönnt.

      Unser täglich Bier gib uns heute und

      morgen und so weiter und immerfort.

      24.02.

      ALLZU OFT

      muss die Bierlaune als Rechtfertigung und Ausrede ex post herhalten für die Dinge, die wir nicht zu ernst genommen wissen wollen. Für die Projekte, die nicht ganz zu Ende gedacht waren und deren Scheitern schon von Anfang an vorprogrammiert schien. Bierlaune, das ist die geistige Gemütsverfassung, in der wir uns befinden, wenn das Morgen noch unendlichweit und das sechste oder siebte Bier ganz nah und unmittelbar vor uns auf dem Tresen steht. Was in der Bierlaune erdacht ist, das geht im Nachhinein getrost auch als Quatsch durch. Aber die Bierlaune wäre dialektisch nicht zu Ende gedacht, wenn ihr nicht ein Kern der Genialität, der Schaffenskraft und der Unumgänglichkeit innewohnen würde. Wenn nicht doch fast immer in ihr und durch sie grandiose Ideen das Licht der Welt erblicken, die ganz ernste Dinge nach sich ziehen. Vor dem Hintergrund dessen muss man sich doch ganz schön wundern, wenn jemand nicht zu seiner Bierlaune steht und diese nicht mit breiter Brust selbstbewusst vertritt. Kopfschüttelnd lesen wir deshalb bei „Panorama“, dass Waldemar Hartmann – der Fußball- und Bierfachmann, der Sportreporter und joviale Gesprächskumpel von Trainern und Spielern, der nicht erst nach drei Weizenbier locker wird – dass eben dieser Waldemar Hartmann zu Protokoll gibt, dass er sich nicht „aus einer Bierlaune heraus als Wahlkämpfer für die CDU angeboten“ habe. „Herr Hartmann leg[e] Wert darauf, von einer Agentur angefragt worden zu sein. Daraus habe sich auf Nachfrage der CDU eine weitere Zusammenarbeit entwickelt“. Bei so viel technokratischer Vernünftigkeit kann einem die Bierlaune doch nur vergehen.

      25.02.

      EINE LEKTION IN DEMUT

      „Man findet, was man sucht!“ lautet eine der wichtigsten Erkenntnisse zur Psychologie des Geschmacks. Wer weiß, dass ein Bier ein bestimmtes Aroma haben soll, hat eine signifikant erhöhte Chance, dieses im wilden Mix des Bouquets auch tatsächlich aufzuspüren. Gleiches gilt auch für Qualitäten. Wer also ein Bier probiert, von dem er weiß, dass es zu den besten seiner Art zählt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dieses Bier auch als besonders gut wahrnehmen.

      Unser Wissen bestimmt unsere Wahrnehmung — unterbewusst, tiefer, vor allem aber unkontrollierbarer, als es unserer Selbstsicht als rational gesteuertes Wesen recht sein kann. Was auch der Grund dafür ist, dass auf ernst zu nehmenden Wettbewerben die Biere „blind“, also ohne Kenntnis davon, was man gerade vor sich hat, verkostet werden. Es ist die einzige Möglichkeit, zu neutralen und vorurteilsfreien Urteilen zu kommen.

      Deshalb sollte jeder ab und an die eigenen Überzeugungen zu Lieblingen und Verhasstem durch Blindproben überprüfen. Wichtig: dabei auch Biere gleichen Stils einzubauen, die man eher geringschätzt (Discounter-Ware, z. B.). Ich garantiere einiges an Überraschung und Verblüffung. Nicht umsonst heißt es bei den Sommeliers: „Blindprobe lehrt Demut!“

      26.02.

      SINNE

      In der Ferne heulte ein Hund, und der Bleistift auf dem Tisch fauchte. Zwei Geräusche, die eigentlich eher zum Abend, zum Dunkel,