Theobald Fuchs

Unser täglich Bier gib uns heute


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sagt: Ein Bierfass. Im Winter, wenn er drinnen sitzt in der Brauereigaststätte, kommen ständig Kumpels vorbei und kaum einer vergisst, auf Harrys gewaltigen Bauch zu deuten und zu fragen: Harry, alter Maßkrug, was brütest denn du da drin aus? Und Harry lächelt verständnisvoll und sagt: Ein Bierfass. So kennt man den Harry, mehr gibt es da nicht zu berichten.

      Obwohl – eine Sache ist vielleicht noch interessant: Letztes Jahr brachte Harry tatsächlich ein Bierfass zur Welt. Bei sich in der Wohnung, auf dem Wasserbett. Hausgeburt. Er presste zehn Minuten, dann war es schon geschehen. Ein wenig blass um die Nase sah er noch aus, als Harry das kleine Bierfass zum ersten Mal in die Arme nahm. Alle seine Freunde vom Stammtisch und vom Altbierverein waren dabei. Und was soll ich sagen? Nachdem wir es erst einmal auf Trinktemperatur gekühlt hatten, schmeckte Harrys Selbstgebrautes ausgezeichnet!

      Harry arbeitet derzeit übrigens am nächsten Fass …

      19.01.

      OPER UND BIER

      Oper und Bier?! – Empfehle ich Dir!

      Oper und Wein – das passt fein. Oper und Bier – irgendwie nicht so. Gegen dieses Klischee haben angehende Akademiker schon vor über 100 Jahren vehement angekämpft. Studentische Freigeister in Wien kombinierten im 19. Jahrhundert ihre Leidenschaft fürs Biertrinken mit ihrer Begeisterung für die Oper. Sie sangen launige Volks- und Studentenlieder und mixten sie mit aktuellen politischen Ereignissen, Klatsch und Tratsch. Hinzu kam dann noch eine Prise verwegener Kreativität und fertig war: die Bieroper! „Biergläser statt Operngläser und Wirtshäuser statt Tannhäuser“ – so definiert das 1972 gegründete „Erste Wiener Bieropernensemble“ die seltsame Gattung irgendwo zwischen Kunst, Unterhaltung und Politik. Im Grunde ähnlich wie der Rheinische Karneval.

      Besonders häufig haben die jungen Wilden Richard Wagners „Tannhäuser“ aufs Korn genommen und den seriösen Titel genüsslich erweitert: „Tannhäuser und die Prügelei auf der Wartburg“ oder „Tannhäuser im Fegefeuer“. So nannte z. B. der Komponist Richard Thiele seine Kreation. Im echten Leben war er Organist an der Berliner St.-George's-Kirche. Manche Regel aus der Bieroper hätte er sicher gerne auf seine Gemeinde übertragen. Gab es Szenenapplaus für besonders beliebte Stücke, dann wurden sie auf Zuruf kurzerhand wiederholt. Da capo in der Kirche, warum eigentlich nicht?!

      Übrigens: Bei einem multisensorischen Geschmacksexperiment haben belgische Forscher der Freien Universität Brüssel und der Katholischen Universität Leuven herausgefunden: Wer beim Biertrinken Musik hört, dem schmeckt das Bier noch besser. Das gilt allerdings nur, wenn Bier und Musikstil zusammenpassen. Die richtige Paarung überlasse ich Ihnen.

      20.01.

      MAYFLOWER

      Die Fäuste des Steuermanns

      Weiß leuchten die Knöchel

      Es geht an Land

      Der Wind weht stramm und kalt

      Käpt'n Jones bricht die Fahrt ab

      November 1620

      200 Meilen südwärts sollte es noch gehen

      Aber das Bier wird knapp

      Und muss noch für die Rückfahrt reichen

      Die Pilger gehen an Land

      Hier also

      Plymouth Rock, Cape Cod

      Massachusetts wird das hier irgendwann heißen

      Willkommen in der Neuen Welt

      Zuweilen ist es der Mangel

      beispielsweise an Bier

      der den neuen, aufregenden Weg weist.

      21.01.

      ICH HABE EIN PROBLEM

      Ich bin ein zu großer Körper, der grün ist.

      Als grüne 0,5l Mehrwegflasche komme ich nur an den Hals von Männern über vierzig. Es ist immer in Friesland, wo die Gespräche so wortkarg wie das Land sind.

      Da sitzen sie dann auf ihrem Kunstleder und schwadronieren von alten Zeiten, von Zeiten, als sie noch einen Kuhstall hatten, als die Frau noch nicht in die Stadt geflohen war, als alles noch besser war.

      Das ist ja alles völlig in Ordnung, aber ich habe diese Gespräche nun bereits zwanzig mal gehört und kenne meine Konsumenten schon mit Vornamen: Jens, Björn, Jürgen, Fiete und Ole.

      Mein Psychologe und ich haben lange beraten und sind zum Entschluss gekommen, dass es nur eine Möglichkeit für mich gibt: Reinkarnation. Darum habe ich beschlossen, bei der nächsten Gelegenheit so zu fallen, dass ich nicht mehr verwendbar bin, und dann hoffe ich auf eine Transformation in eine grüne Schale oder, wenn ich sehr viel Glück habe, in eine 0,33l Flasche mit Prägung. Dann käme ich zumindest mal bis Bremen.

      22.01.

      DAS KLEINE BBB: BIER-BULLSHIT-BIWGO

      Die letzte Batch war besser.

      Die Brauerei ist mir groß zu geworden. Zu sehr Mainstream.

      Ein Hauch zu stark karbonisiert.

      Für mich zu viel Brett.

      Etwas wenig Körper.

      Die Biere sind mir allesamt nicht mutig genug.

      Moment, ich check’ mal bei Untappd,

      ob ich das schon mal getrunken habe.

      Acht Euro ist nicht zu viel für dieses Imperial Stout!

      Ich bestelle NIE zwei mal das gleiche Bier an einem Abend.

      Unter 80 IBU geht eigentlich nichts!

      Industriebier? Trinke ich NIE.

      Trillium. Du MUSST Trillium trinken.

      Eigentlich rede ich nicht gern über Bier, aber …

      Schlimm, wenn eine Brauerei ihre Qualität einbüßt.

      In der Nase tropische Früchte, ganz dezent im Hintergrund und retronasal eine grasige Hopfennote, …

      Goose Island? Trinke ich nicht mehr.

      23.01.

      WIE DER SCHAUM AUF´S KÖLSCH KOMMT

      In Köln lebte ein Brauer, der braute lange Jahre Woche für Woche sein frisches kölsches Bier. Er tat seine Arbeit recht, und die Kundschaft dankte es ihm.

      Eines Tages aber, da wollte ihm so gar nichts mehr gelingen. Die Hefe schäumte zu stark, das Bier war schnell sauer, es schmeckte fade.

      Das sprach sich schnell herum, und die Leute redeten hinter seinem Rücken, er sei wohl zu schlampig geworden. Oder, er kaufe wohl nicht mehr den guten Hopfen und das beste Malz. Er wolle sich auf ihre Kosten bereichern. So hörte man es in der Stadt.

      Der Brauer rackerte sich ab, und wenn ihm ein Sud mit Müh und Not gelang, dann war er froh. Aber man konnte sich auf ihn und sein Bier nicht mehr verlassen. Das beschämte ihn und machte ihn todunglücklich.

      Osterzeit, die Zeit der Auferstehung des Herren. Die Glocken durften wieder läuten und die Menschen erfreuten sich an ihrem Klang. Es war Frühling, die helle Zeit des Jahres begann.

      Nur für den Brauer änderte sich nichts. Gerade in der wärmer werdenen Jahreszeit bewies sich die Kunst des Brauens in besonderer Weise. Er tat sein Werk, aber es gelang ihm immer seltener. „Ach, käme doch einer, der mir zur Seite steht, dass alle Welt meine Redlichkeit erkenne und mein Bier wieder munde. Was gäbe ich darum, wenn ich wieder so fröhlich lachen könnte, wie die Glocken klingen.“

      Er liebte das Geläut der Glocken von den über hundert Kirchtürmen im Hillije Kölle.

      Es kam der Sommer, es kam der Winter, die Fastenzeit brach an. Die Glocken verstummten. Sie sollten nach Rom geflogen sein, so wurde den Kindern erzählt.

      Aber sie waren natürlich in ihrem Glockenstuhl fest verankert,