A. F. Morland

Das Krimi All Star Jahrbuch 2020: 7 Romane


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OB wand sich hin und her. "So war's nicht gemeint!"

      "Doch, das war's!"

      Dr. Werneck seufzte schwer, blickte sich flüchtig um, wobei er aber nicht zu mir herüberschaute, und holte dann etwas hervor, das offenbar sein Scheckheft war. Er legte es auf die Kühlerhaube eines parkenden BMW, fingerte seinen Parteikuli aus der Tasche und krakelte etwas dahin. Dann riss er das Papier aus der Mappe und streckte es seinem Sohn hin.

      Es hätte mich nicht gewundert, wenn sich in diesem Augenblick über Dr. Wernecks Kopf eine große Denkblase gebildet hätte, in der stand: Hoffentlich ist mein missratener Sohn morgen nicht mit mir auf einem Foto in der Zeitung zu sehen. Schon wegen des hässlichen Pullovers!

      "Hier!", fauchte der OB. "Jetzt zufrieden?"

      Hartmut wandte sich um und ging ohne ein Wort zu sagen davon.

      "Wenigstens danke könntest du sagen. Kostet doch nichts!"

      Hartmut ging weiter, die Hände hielt er in den Hosentaschen vergraben.

      "Kann ich dir nicht irgendwie helfen?", rief sein Vater ihm nach.

      Der Filzlockige blieb stehen. Dann drehte er sich kurz herum und sagte: "Bemüh dich nicht!"

      Wenig später war er in eine Seitenstraße eingebogen und verschwunden. Ein paar Augenblicke hörte man noch die schlurfenden Schritte seiner Turnschuhe.

      Werneck drehte sich in meine Richtung und kam mir entgegen. Er wirkte sehr niedergeschlagen und so ganz anders als auf seinen Wahlplakaten. Mit der Hand fuhr er sich über die Stirn und seufzte.

      Nach ein paar Schritten sah er auf und mir direkt ins Gesicht. Er runzelte die Stirn, und ich sagte: "Einen schönen Abend noch, Dr. Werneck!"

      Er schien etwas irritiert.

      Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er in dieser Sekunde überhaupt noch wusste, wer ich war.

      "Danke, gleichfalls", quetschte er zwischen seinen Lippen hervor und ging an mir vorbei.

      14

      Am nächsten Tag holte mich jemand in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett. Und dieser Jemand war ziemlich ungeduldig, klingelte und klopfte abwechselnd. Ich hörte eine Männerstimme irgendetwas grunzen, als ich im Morgenmantel in den Flur taumelte und mir die Augen rieb.

      Dann blickte ich durch den Spion hinaus ins Treppenhaus, und was ich dort sah, war nicht unbedingt dazu angetan, meine Stimmung zu verbessern. Ich blickte direkt in Rehfelds fettes Gesicht, das sich zu einer Maske des Missmuts verzogen hatte.

      What a shock in the morning before breakfast!, pflegte mein Englischlehrer immer zu sagen, wenn jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht oder sonst irgendwelchen Mist verzapft hatte. Genau dasselbe dachte ich jetzt, in diesem Augenblick.

      In Erwartung des Schlimmsten machte ich die Tür auf.

      Aber es kam noch schlimmer.

      "Guten Tag", murmelte ich, und Rehfeld zeigte mir im ganz figürlichen Sinn des Wortes die Zähne. Hätte er in diesem Moment zwei daumenlange Vampir-Fänge entblößt − es hätte mich nur mäßig gewundert.

      "Ob es für Sie ein guter Tag wird, weiß ich noch nicht, Herr Hellmer! Das wird sich noch herausstellen müssen!", zischte er mir entgegen.

      "Wenn Sie es nicht gerade darauf anlegen, ihn mir zu verleiden, könnte er vielleicht doch noch ganz nett werden!"

      Er zuckte mit den Schultern. "Tut mir leid!", log er.

      Rehfeld war nicht allein gekommen. Ich sah noch den schlaksigen Lehmann, der wieder auf ein paar Erdnüssen herumkaute, und Müller-Sowieso.

      Dazu kamen noch zwei Mann in Uniform. Man hätte denken können, dass ein ganzes Gangster-Syndikat ausgehoben werden sollte.

      Aber hier wohnten nicht Ali Baba und die vierzig Räuber, hier wohnte nur ich − Michael Hellmer alias Mike Hell, trotz des gefährlich klingenden Pseudonyms ein relativ friedlicher Zeitgenosse, der keiner Fliege je einen Flügel ausgerissen hatte!

      Rehfeld streckte seinen dicken, kurzen Arm aus und hielt mir ein Blatt Papier unter die Nase.

      Es war ein Durchsuchungsbefehl.

      "Ich hoffe, Sie werden uns keine Schwierigkeiten machen!"

      Ich winkte ab. "Kein Gedanke!"

      "Das ist gut. Kommt, Leute, an die Arbeit!"

      15

      Sie stürmten meine Wohnung und begannen an fünf verschiedenen Stellen gleichzeitig, das Unterste zuoberst zu kehren.

      Rehfeld selbst stand nur daneben und schaute seinen Leuten zu. Wahrscheinlich war es ihm bei seiner Figur einfach zu anstrengend und schweißtreibend, sich zu bücken.

      "Haben Sie was dagegen, wenn ich mich dusche?", fragte ich ihn. Aber er schüttelte energisch den Kopf.

      "Erst, wenn das Bad durchsucht ist."

      "Scheiße."

      "Ein wahres Wort."

      "Wonach suchen Sie eigentlich?"

      "Das wissen wir, wenn wir es gefunden haben."

      "Wie viel haben Sie dem Richter dafür geben müssen, dass er Ihnen den Durchsuchungsbefehl unterschrieben hat?"

      Rehfeld grinste breit. "Wir leben in einem Rechtsstaat", meinte er.

      "Kaum zu glauben!"

      Ich ging in die Küche, und er dackelte hinter mir her, wahrscheinlich, um mich im Auge zu behalten. Glaubte er vielleicht, ich wollte noch schnell meine nicht vorhandenen Schnee-Vorräte in den Ausguss spülen?

      Er schien mir jede Schandtat zuzutrauen. Ich stellte die Kaffeemaschine an. Ich brauchte jetzt einfach etwas, um wirklich wach zu werden.

      "Anstatt mich zu belästigen, könnten Sie sich besser mal um die beiden Typen kümmern, die hinter der Frau her waren."

      "Das tun wir."

      "Ich habe mir übrigens die Nummer ihres Mitsubishi gemerkt."

      "Was Sie nicht sagen ... vorgestern haben Sie davon allerdings kein Sterbenswörtchen gesagt."

      "Vorgestern habe ich es vergessen."

      "Einfach so, ja?"

      "Nein, nicht einfach so. Sie haben so auf mich eingeredet, da habe ich nicht mehr daran gedacht, es zu erwähnen."

      "Und jetzt, da wir Ihnen auf den Pelz rücken, fällt es Ihnen urplötzlich wieder ein!"

      Ich verzog das Gesicht. "So ist es."

      "Wahrscheinlich genauso erfunden, wie die Kerle selbst erfunden sind!"

      "Glauben Sie, was Sie wollen!"

      "Ich halte es zumindest für möglich!"

      Ich hob die Hände. "Okay, okay, ich geb's zu!"

      "Was geben Sie zu?"

      "Dass ich alles erfunden habe. Auch den Tod von Jürgen Lammers. Habe ich alles nur erfunden. Und Annette Friedrichs. Auch nur eine Erfindung von mir."

      Er brauchte fast eine halbe Sekunde, um die Ironie zu bemerken. Er war eben eine Beamtenseele. Langsam, aber gründlich. "Hören Sie auf, mich zu verarschen!", schimpfte er dann ziemlich ungehalten.

      "Das brauche ich gar nicht, das besorgen Sie schon selbst!"

      Der Kaffee war durchgelaufen. Ich schenkte mir eine Tasse ein, suchte unter Rehfelds gestrengen Augen im Kühlschrank nach der Milch und trank das Gebräu schließlich doch schwarz, als ich sie nicht fand.

      Und dann kam Müller-Sowieso herbeigeeilt.

      An seiner