also simultan mit der Unterscheidung zwischen Sein und Leere, die ohne Beobachtung eine Einheit bilden, was gleichbedeutend ist mit einer unendlich hohen Frequenz (männlich) der Reflexion oder völlig ausbleibender Selbstreflexion (weiblich). Der Phoenix, das Pentagramm und der Kreis sind damit für sich selbst wiederum göttliche Einheit, denn der Phoenix verkörpert die Summe allen Seins und damit die Leere, das Pentagramm verkörpert die Leere und damit die Summe allen Seins, und der Kreis ist die oszillierende Operation zwischen Sein und Leere, das sich Bedingende und damit der Schöpfer und Zerstörer von Unterschieden. Der Kreis erzeugt die göttliche Einheit im selben Moment, in dem er sie scheidet. Er ist die Selbstreflexion, welche die Schuld nach Erfahrung (Unterscheidung) und die Schuld nach Vollständigkeit (Aufhebung der Unterschiede) zu einer Einheit verschmilzt – Trennung ist Verbindung. Der Kreis resultiert aus der Schuld nach ewigem Wandel, der ewige Einheit schafft. Das Sein, das sich seine Existenz aus der Leere borgt, will Vollständigkeit erreichen und ist in Summe wieder Leere. Und die Leere, die in alle Möglichkeiten des Seins zerbrach, wodurch sie überhaupt erst entstand, will wieder Fülle erreichen und ist als Summe allen Seins wieder Leere. Diese zeitlose Oszillation symbolisiert der Kreis. Er ist die Schuld des Seins, Vollständigkeit zu erlangen, die Schuld der Leere, Fülle zu erfahren und die Schuld Gottes, sich selbst zu erfahren. Alle diese Formen der Schuld bedingen einander. Sie sind eine einzige Schuld, und diese Schuld trägt den Namen »Gott«.
Jedes Teilsystem, das Vollständigkeit erlangen will, ist nur durch sein Milieu lebensfähig, von dem es sich abgrenzt. Damit kann kein System jemals vollständig werden – mit dem Verschlingen des Milieus würde es auch sich selbst zerstören. Jedes System, das mit seinem spirituellen, geistigen oder physikalischen Milieu interagiert und dabei durch das Milieu entsteht und mit dem Milieu koproduziert wird, ist durch seine permanenten Anpassungsprozesse zu einer exponentiellen Erhöhung des inneren Komplexitätsgrades verdammt, an dem es letztendlich untergeht. Ein Teilsystem kann daher niemals Vollständigkeit, Allmacht oder Allwissen erreichen, vor allem auch, weil es die innere Systemkomplexität, d.h. die inneren Unterschiede nicht mitberücksichtigt. Selbst wenn es einem System also gelänge, in die Nähe der Vollständigkeit zu gelangen, so müsste es nicht nur sein eigenes lebensnotwendiges Milieu in sich aufsaugen und damit erblinden, sondern zuvor bereits an seinen inneren Widersprüchen ersticken. Der Mensch kann daher immer nur Teile des Universums (als Milieu) als Interpretation erfahren. Er kann es aber niemals vollständig entschlüsseln – es sei denn, er IST das Universum. Dann aber ist er kein System mehr, das sich durch sein Milieu erfahren könnte. So kann auch das Sein auf dem Weg zur Vollständigkeit immer nur scheitern. Es gibt nie nichts, denn das Nichts ist die Summe allen Seins. Das Oszillieren zwischen Sein und Leere bedeutet nicht, dass einmal etwas existiert und dann nichts mehr existiert. Es ist eine innere Oszillation. Für einen Beobachter im »Inneren« der Leere existiert das Sein. Außerhalb des Seins aber kann es keinen Beobachter geben, denn erst die Summe alles Seienden saldiert sich zu Nichts.
Somit wird das Kapitel »Der Kreis« im Zeichen der Zirkularität und Rekursivität stehen. Wir werden mit dem menschlichen Geist, als fraktales Produkt der göttlichen Einheit, die Ursprünge der Welt erkunden, die uns evolvierte, um herauszufinden, dass wir die Welt, die uns hervorbrachte, selbst erschaffen und erschaffen haben.
Der Phoenix
Denn es werden fünf sein in einem Hause: drei werden gegen zwei und zwei gegen drei sein, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater.
Und sie werden allein dastehen.
Aus dem apokryphen Thomas-Evangelium
Um Sein und Leere zu spalten, muss ein Stück Sein aus der Leere herausgezogen und in die Leere hineingebettet werden. Sein und Leere schulden sich einander. Jeder Pol einer gespaltenen Einheit enthält damit immer das Prinzip des Gegenpols in sich. Nichts kann getrennt vom anderen existieren oder nicht existieren, sondern immer nur in Form von Selbstbezüglichkeit und Selbstreferenzialität. Das Symbol hierfür sind die daoistischen Zeichen Yin und Yang: Ein geteilter großer Kreis mit schwarzem und weißem Pol, und innerhalb des schwarzen Pols ist ein kleiner weißer Kreis und innerhalb des weißen Pols ein kleiner schwarzer Kreis. Die kleinen Kreise enthalten aber ihrerseits wiederum einen Teil des schwarzen oder weißen Halbkreises, als Milieu, von dem sie sich abgrenzen ad infinitum. Kein Teil des Ganzen kann sich vom Rest abkoppeln. Jeder Teil existiert nur durch Wechselwirkung mit dem Rest, und jeder Unterschied zwischen zwei Polen wird in einen der beiden Pole wiedereingeführt und erzeugt dort Komplexität, Dynamik, Ebenen höherer Ordnung und fraktale Muster auf jeder dieser Ebenen – aber auch Raum und Zeit für einen mit Raum und Zeit koproduzierten Beobachter. Wenn der Beobachter eine vorangegangene Beobachtung (Unterscheidung) beobachtet, dann führt er die Ausnahme – den nichtbeobachteten Teil bzw. das duale, zerstörerische Element – in den Beobachtungsprozess ein.
Die Ausdifferenzierung ist ein iterativer Prozess. Das Ergebnis der Unterscheidung wird als Information in einen unterschiedenen Pol eingespeist. Die erste Unterscheidung wird zum Baustein für weitere Unterscheidungen, so wie jede Theorie, Idee, Ideologie und jeder Glaube auf bereits Vorhandenem fußt, wobei dieses Vorhandene seinerseits das Produkt eines Unterscheidungsprozesses ist. Sobald von einem Beobachter eine Unterscheidung getroffen wurde, gibt es eine Referenz, d.h. einen Maßstab, der als Bewertungsschema für weitere Unterscheidungen fungiert. So werden die ersten Erfahrungen eines Kindes zum Bewertungsschema für die Welt, die logischen Axiome der Mathematik zur Basis aller mathematischen Operationen. Die Formel des Physikers wird zum Bewertungsschema für Beobachtungen, das vom Staat definierte Steuertilgungsmittel zum Maßstab für die Bewertung anderer Güter. Wenn ein Beobachter sich von seinem Milieu abgrenzt, so erzeugt er damit die erste Information, anhand derer er sich nun selbst beobachtet und also ausdifferenziert oder sein Milieu beobachtet und weiter unterscheidet. Jede Unterscheidung fußt damit auf vorangegangenen Unterscheidungen, und zusammen bilden sie den Bezugsrahmen für weitere Unterscheidungen. Das Einspeisen einer Unterscheidung zwischen zwei Polen in einen der beiden Pole erzeugt Fraktale, bedeutet gleichzeitig aber immer auch, dass ein Pol, wie er sich auch immer selbst definiert, etwas Fremdes und damit außerhalb seiner Definition Stehendes in sich tragen muss. Alles trägt diese Ausnahme in sich, und auch ALLES trägt diese Ausnahme in sich, nämlich das NICHTS. Die Ausnahme ist immer das, was nicht beobachtet wird – der blinde Fleck. Jedes System ist immer nur ein Teil des Ganzen und als Teil des Ganzen kann es immer nur einen Teil des Milieus, in das es eingebettet ist, erfahren.
Es erfährt, indem es Unterscheidungen trifft, deren Ursachen und »Motive« auf vorangegangenen Unterscheidungen basieren. Jedes System erfährt die Welt also, indem sie diese ausdifferenziert, endlos aufspaltet und sich dabei immer weiter vom Ganzen entfernt. Würde ein System wie der menschliche Geist alles sehen und alles begreifen, dann würde er nichts sehen und nichts begreifen. Auch Gott kann sich nur selbst erfahren, indem er sich spaltet. In dem Moment, in dem Gott allwissend und allmächtig wäre, wäre er wieder die göttliche Einheit, die nicht weiß, dass sie existiert und damit auch nicht existiert. Das Treffen von Unterscheidungen gebiert Teilsysteme, Ordnung und Komplexität. Jedes System wird von einem Milieu hervorgebracht und mit einem Milieu koproduziert. Und jedes System versucht auf seinem Weg der permanenten Anpassung an dieses Milieu, dem Milieu durch Erhöhung der inneren Komplexität zu trotzen. Und jedes System muss, weil es nur auf einem Teil des Ganzen, d.h. einer unvollständigen Basis aufgebaut wurde, irgendwann daran zugrunde gehen. Das Wechselspiel aus Werden und Vergehen stellt die ewige Wandlung dar.
Das Kapitel »Der Phoenix« steht deshalb im Zeichen der männlichen Dynamik, dem Wechselspiel der Systeme im Inneren der göttlichen Einheit und der Ausdifferenzierung der göttlichen Einheit, die sich aus der Oszillation zwischen Beobachter, Beobachtetem und Nichtbeobachtetem ergibt.
Das Ende
Die Jünger sprachen zu Jesus: »Sage uns, wie unser Ende sein wird.«
Jesus sprach: »Habt ihr denn schon den Anfang entdeckt, dass ihr nach dem Ende fragt? Denn dort, wo der Anfang ist, dort wird auch das Ende sein.«
Aus dem apokryphen Thomas-Evangelium
Jedes Teilsystem, ob es ein Lebewesen, ein Universum, ein Gedanke, eine Ideologie, eine Religion, ein Wirtschaftssystem oder eine physikalische Theorie ist, fußt immer auf einer