die Praxis gewesen sein muss. Allein das Üben von pañcadhāraṇā, wie es in der Gheraņḍa Saṁhitā4 beschrieben wird, würde zum Beispiel 10 Stunden in Anspruch nehmen. Hinzu kommen die diätetischen und vielfältigen asketischen Vorschriften. Die Yogis von damals hatten keine Kinder zu versorgen, keinem Beruf nachzugehen, keine alternden Eltern zu pflegen. Sie waren Vollzeit-Yogis, die sich zum Ziel gesetzt hatten, in dieser Inkarnation den Durchbruch zur göttlichen Urnatur zu schaffen, komme, was wolle. Nicht umsonst kann das Sanskrit Wort „hatha“ als „kraftvoll“, „energetisch“, „aggressiv“ bis hin zu „gewaltsam“ übersetzt werden.5
Wenn man dies alles im Hinblick auf unsere moderne Welt berücksichtigt, kommt man schnell zum Ergebnis, dass Hatha-Yoga mehr Fragen aufwirft als Antworten liefert und als praktikable spirituelle Disziplin für einen Menschen des 21. Jahrhunderts eher ungeeignet ist.
Dies muss aber nicht bedeuten, dass die Hatha-yogischen Praktiken, maßvoll ausgeführt, komplett aus unserer spirituellen Disziplin verschwinden müssen. Es geht eher darum, dass diese Praktiken, insbesondere die Körper- und Atemarbeit, dem ursprünglichen Sinn dienen, nämlich der Öffnung des Körpers von innen als Vorbereitung auf die Meditation. Dabei können wir uns zusätzlich auf die Erkenntnisse westlicher Pioniere wie z.B. Wilhelm Reich, Gerda Boysen und Paul Brunton sehr gut stützen, um unsere spirituelle Praxis zu ergänzen und zu vertiefen.
Bevor wir uns jedoch dem Thema Praxis und diesen Pionieren widmen, lohnt es sich, einen kurzen Überblick über das Thema Spiritualität aus yogischer Sicht zu geben, damit wir den Gesamtkontext besser verstehen, in dem sich unsere körperliche Praxis abspielt.
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