Karlheinz Benninger

Befreites Christentum


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von Mossul zu zerstören. Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigten IS-Kämpfer, die drei Jahrtausende alte Statuen von den Sockeln stürzten und mit dem Hammer bearbeiteten: Die „Götzenbilder“ mussten zerstört werden. In Palmyra wurde die große Athenestatue, deren Überreste Archäologen sorgsam restauriert hatten, erneut attackiert. Wieder wurde die Göttin enthauptet; wieder wurde ihr der Arm abgehackt (Nixey, Zorn 24).

      Der reine Monotheismus lässt keinerlei Dualismus zu. Das griechische monos bedeutet »allein« oder »nur«. Monotheismus bedeutet: Es gibt nur Gott, nur eine einzige Macht, das Gute. Warum das Gute? Weil das Wirkliche oder seiende das Positive oder Gegebene ist. Das, was das seiende negiert, ist per definitionem das Negative. Das Negative hat keine Eigenexistenz, es ist lediglich die Verneinung des Positiven, ersetzt es aber nicht. Wer auf Nichtwirkliches, also Nichtseiendes setzt, mit illusionen statt mit ideen das Haus seines Bewusstseins baut, macht böse Erfahrungen (Erfahrungen mit dem Bösen), denn er steht, wenn er Halt und Schutz sucht im Nichts – im Nihilismus.

      Der erste reine Monotheist, von dem wir wissen, war der Pharao Amenophis IV. Echnaton (1365-1347 vor). Für ihn und Zarathustra (~ 800 vor) gibt es als Wirklichkeit nur das allgegenwärtige Licht, neben dem es keine Finsternis geben kann. Die nächsten Monotheisten sind Parmenides von Elea (ca. 515-445 vor), Platon (427-347 vor), für den Gott das Gute ist, und Jesus von Nazareth. Der reine Monotheismus hat in keiner der Religionen überlebt, die sich auf sie als Gründer berufen.

      Die reinen Monotheisten greifen zur Verdeutlichung ihrer Einsicht und Lehre zur »Licht-Finsternis«-Symbolik1. Sie sehen jedoch »Licht« und »Finsternis« nicht als Dualismus von Gott und einem Teufel, nicht als Kampf zweier widerstreitender Mächte, des Guten und des Bösen, die sich auf Augenhöhe im Kampf gegenüberstehen. Was sich da gegenüberzustehen scheint, ist Seiendes und Nichtseiendes.

      Es gibt eine Lichtquelle, aber keine Quelle, die Finsternis verströmt. Man kann in einem riesigen dunklen Raum ein kleines Licht anzünden: auch die größte Finsternis kann das kleinste Licht nicht zum Verlöschen bringen: Das Licht erleuchtet in der Finsternis, und die Finsternis kann es nicht überwältigen (Joh 1, 5).

      Auch kann man in einen hellen Raum keine Finsternis einleiten und so das Licht schwächen oder zum Verlöschen bringen. »Raum« ist wie »Haus« ein Symbol für Bewusstseinskapazität: sie kann erleuchtet sein, dann ist es hell; sie kann unterbelichtet sein, dann herrscht mentale Finsternis.

      Auch kann GOTT, die Quelle des Guten, nicht gleichzeitig die Quelle des Bösen sein. Lässt denn die Quelle aus demselben Loch Süßwasser und Meerwasser fließen (Jak 3, 11)? Gott ist nach Paulus Alles in Allem (1 Kor 15, 28). GOTT ist Licht und in ihm gibt es keinerlei Finsternis (1 Joh 1, 5). – wenn der Unwissende belehrbar ist. Er kann auch kein Vergehen gegen seine Gesetze bestrafen, indem er Unheil schickt, um den Übeltäter zu züchtigen und krank zu machen.

      Im monotheistischen Gottesbild kennt Gott das sogenannte Böse gar nicht, weil es nicht zur Wirklichkeit, sondern in die Nicht-Wirklichkeit gehört. Ebenso kann die Mathematik keine Fehler kennen oder bestrafen, weil Fehler in der Mathematik nicht enthalten sind. Sie sind außerhalb, in einer sogenannten mutmaßlichen Nicht-Mathematik.

      Monotheisten aus wissenschaftlicher Überzeugung kennen keine militante Intoleranz. Sie wissen: Wer da behauptet, 2 x 2 sei 5, ist einfach unwissend. Unwissenheit kann aber nicht mit physischer Gewalt bekämpft werden, sie kann nur durch das Licht der Erkenntnis Aufklärung erfahren und verschwinden – wenn sich der Unwissende belehren lässt. Aus der Toleranz würde aber Tollheit werden, würde man sein Schicksal einem Überseeschiff anvertrauen, das von einem blinden oder in der Seefahrtkunst unkundigen Kapitän gesteuert wird. In ein Haus, dessen Bau auf einer falschen Statik beruht, sollte man klugerweise nicht einziehen.

      1 Vgl. Exkurs Licht und Finsternis

       Kapitel 2

       GOTT und die Gottesbilder

      Du sollst dir kein Bild noch irgend ein Gleichnis machen,

      -weder von dem, was oben im Himmel ist,

      noch von dem, was unten auf Erden ist, …

      bete sie nicht an und diene ihnen nicht!

      2 Mos 20, 4 (Luther 84)

      Das Göttliche oder Unvergängliche, wie Epikur es ausdrückt, ist ein Neutrum, d.h. es ist keinem menschlichen Geschlecht zuzuordnen.

      Der Lehre der Sophisten, dass der Mensch das Maß aller Dinge sei, tritt Platon entgegen mit dem Wort, dass Gott das Maß aller Dinge sein müsse und nicht ein Mensch. Und mit Gott meint Platon das Absolute, die Trinität des Guten, Wahren und Schönen.

      Gibt es aber ein Absolutes, einen ewig unveränderten Maßstab für alles menschliche Handeln? Wer sich nach Gott umschaut, dem halten tausend verschiedene Religionen ihr jeweiliges Gottesbild vor Augen und fordern Anbetung. Und verwirrt fragt man sich mit Horaz: Belua multorum es capitum, nam quid sequar aut quem – Du bist ein Ungeheuer mit vielen Gesichtern, was soll ich annehmen, auf wen soll ich hören?

      Die Psyche schafft einen Gott nach ihrem Bild und Gleichnis: das Gottesbild, das sie entwirft, spiegelt den psychischen Zustand eines Einzelnen oder einer Gruppe wider. In einem Brief an einen Anhänger seiner Lehre schrieb Epikur (341 - 270 vor): Halte Gott für ein unvergängliches und glückseliges Wesen, wie die allgemeine Gotteserkenntnis vorgeprägt wurde. Schreibe ihm nichts zu, was mit seiner Unvergänglichkeit und Glückseligkeit unvereinbar ist. … Denn Götter gibt es; ihre Erkenntnis ist ja evident. Wofür sie aber die Masse hält, so sind sie nicht. Denn die hält sich nicht an die Vorstellung, an die sie glaubt. Ein Gotteslästerer aber ist nicht, wer die Götter [Gottesbilder] der Masse beseitigt, sondern wer die Auffassungen der Masse den Göttern anhängt. Denn die Aussagen der Masse über die Götter sind keine echten Intuitionen, sondern irrige Annahmen. Von ihnen zieht man sich den größten Schaden und Nutzen von Seiten der Götter zu. Denn indem die Masse ihre eigenen Eigenschaften völlig richtig und gut findet, schließt sie auf ebenso geartete Götter, denn alles, was nicht so ist wie sie selbst, hält die Masse für abwegig (Epikur an Menoikeus 123 f).

      Die Psyche produziert viele Gottesbilder nach dem Grundsatz: divide et impera – spalte und herrsche: Mittelfristig wird die parallele Entwicklung der religiösen Bewegungen, die alle die Welt zurückerobern wollen, unvermeidlich zur Konfrontation führen. So scheint der Konflikt zwischen den »Gläubigen« vorprogrammiert, die das Wiedererstarken ihrer religiösen

      Identität zum Maßstab ihrer ebenso ausschließlichen wie begrenzten Wahrheiten machen (Kepel, Rache 289).

      Wenn ich als Gast in einer Moschee bete, bete ich zu dem Gott, der sich in der Bibel offenbart. Er ist derselbe, zu dem Juden und Muslime beten, alle mit ihren Worten, ich mit dem christlichen Vaterunser (Ehrhardt Körting, Berliner Innensenator (SPD), in der Berliner Zeitung vom 15. Oktober 2010) Doch ist dem so?

      Aus Indien kommt ein Gleichnis: Ein König versammelte einst alle Blinden der Stadt an einem Platz und ließ ihnen einen Elefanten vorführen, damit sie sich ein Bild von ihm machen könnten. Die Blinden standen um den Elefanten herum und betasteten ihn: die einen den Kopf, die anderen das Ohr, andere den Stoßzahn, den Rüssel, den Rumpf, den Fuß, das Hinterteil und die Schwanzhaare. Darauf fragte der König diese Blinden: Was für einen Eindruck habt ihr? Wie sieht der Elefant aus? Und je danach, welchen Teil sie betastet hatten, antworteten sie: Er ist wie ein geflochtener Korb! … Nein, er ist wie ein Topf! … Nein, er ist wie eine Pflugstange! … Nein, er ist wie ein Speicher! … Nein, er ist wie ein Pfeiler! … Nein, er ist wie ein Mörser! … Nein, er ist wie ein Besen!

      Darüber gerieten die Blinden untereinander in heftigen Streit, und mit dem Geschrei, er sei so oder so und nicht anders, stürzten sie sich aufeinander und schlugen sich mit Fäusten.

      Der König soll sich mit zynischem Lachen abgewandt und entfernt haben.

      Neidisches Vorenthalten ist mit dem göttlichen Wesen unvereinbar, schreibt auch Aristoteles in seiner Metaphysik (982 b). GOTT ist offenbar, die einzige Gegenwart, doch