Karlheinz Benninger

Befreites Christentum


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von ihm erfassen.

      Wenn wir diese geistige Evolution, wie sie Leben erzwingt, erfasst haben, ist uns klar, dass kein Gottesbild als ewig oder endgültig festgeschrieben werden darf. Wie das Gottesbild der Vorfahren uns heute nicht mehr genügen kann, so wird auch unser Gottesbild die Fragen der Zukunft nicht mehr beantworten.

      Die Starrheit unserer Religionen; die Annahme, dass die Zeit der Inspirationen vorüber und die Bibel abgeschlossen sei; die Furcht, Jesus herabzusetzen, wenn man ihn als Menschen auffasst: alles dies zeigt klar genug, welch falsche Wege unsere Theologie wandelt. Des wahren Predigers Aufgabe ist es, uns zu zeigen, dass Gott ist, nicht dass er war; dass er spricht, nicht dass er gesprochen hat (Ralph Waldo Emerson, Essays 46).

       Kapitel 3

       Die eine Bibel? – Zwei gegensätzliche Gottesbilder

      Mose nahte sich dem Dunkel, darinnen der HERR war.

      2 Mos 20, 21

      Der Herr aller Herren … wohnt in einem Licht,

      zu dem niemand kommen kann.

      1 Tim 6, 16

      Das Gottesbild der Jüdischen und das der Christlichen Bibel könnten verschiedener nicht sein. Zwei so gegensätzliche Bilder können aber nicht denselben Gott abbilden.

      Die beiden religiösen Strömungen unter den Juden zur Zeit von Jesus waren die Pharisäer und die Sadduzäer. Matthäus, der selbst aus dem Judentum kam, erkannte die Gefahr, die von hier aus auf die neue Lehre ausging, und überliefert die Warnung Jesu: Augen auf und habt Acht auf den Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer (Mt 16, 6). Ein wenig Sauerteig durchsäuert und verändert den ganzen Teig (1 Kor 5, 6). Doch wie Matthäus gleich im Anschluss berichtet, kapierten seine Schüler die Warnung nicht und meinten, sie hätten Brot vergessen. Sie waren nicht die letzten, die diese Warnung nicht verstehen sollten. So nahm auch die werdende Kirche in ihrer Überzeugung, die ganze Entwicklung Israels laufe auf sie hinaus, die alten Schriften für sich in Anspruch und fügte aus den zwei unverträglichen Teilen ein unstimmiges Ganzes zusammen. In den Gottesdiensten der Kirchen werden bis heute Lesungen aus beiden Testamenten verwendet.

      Indem die christliche Kirche das unheilvolle Erbe dieses Aspektes von Religion samt seinem Gottesbegriff aus dem Judentum übernahm, waren praktisch Gewaltanwendungen in der Kirche vorprogrammiert, wobei die Kriegstheologie des Alten Testaments als Vorbild diente. Und bis heute scheint das Gottesbild der christlichen Kirchen noch stark von dem Gewalt anwendenden Gott des Alten Testaments vorgeprägt zu sein, dem ohne Widerrede zu gehorchen sei. Aber wie soll ein solcher Gott in unseren demokratischen Traditionen und dem hier stark verankerten Toleranzbegriff ein Zuhause finden? (Lüdemann, Unheilig 117)

      In seiner vielbändigen Kriminalgeschichte des Christentums sagt Karlheinz Deschner vom Gottesbild des Alten Testaments: Dieser Gott aber, von Absolutheit besessen wie keine Ausgeburt der Religionsgeschichte zuvor und von einer Grausamkeit, die auch keine danach übertrifft, steht hinter der ganzen Geschichte des Christentums. … Dieser Gott genießt nichts so wie Rache und Ruin. Er geht auf im Blutrausch. Seit der „Landnahme“ sind die geschichtlichen Bücher des Alten Testaments „auf lange die Chronik eines immer erneuten Gemetzels ohne Grund und Schonung“ (Brock) „Sehet nun, dass ich’s allein bin und kein Gott neben mir! …So wahr ich ewig lebe: wenn ich mein blitzendes Schwert schärfe und meine Hand zur Strafe greift, so will ich

      mich rächen an meinen Feinden … will meine Pfeile mit Blut trunken machen, und mein Schwert soll Fleisch fressen, mit dem Blut von Erschlagenen und Gefangenen, von den Köpfen streitbarer Feinde.“5 Mos 32,39 ff (I 75).

      Die Jüdische Bibel enthält Bücher, die mit Recht zu den großen Weisheitsbüchern der Menschheit zählen. Doch das Gottesbild, besonders ab dem zweiten Mosebuch, ist mit dem christlichen Gottesbild keineswegs kompatibel.

      Der HERR des Alten Testaments wohnt im Dunkeln (2 Mos 20, 21), er bereut seine Schöpfung, weshalb er sie von der Erde vertilgen will, was indes misslingt (1 Mos 6, 7). Er führt Abraham in Versuchung, indem er von ihm verlangt, seinen lang ersehnten Sohn und Erben auf einem Opferaltar zu töten.

      Er ruft auf zum heiligen Krieg: Ich will alle Heiden zusammenbringen und will sie ins Tal Joschafat (= Gott richtet) hinabführen. … Bereitet euch zum heiligen Krieg! … Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße. … Die Heiden sollen sich aufmachen und heraufkommen zum Tal Joschafat; denn dort will ich sitzen und richten alle Heiden ringsum. Greift zur Sichel, denn die Ernte ist reif! Kommt und tretet, denn die Kelter ist voll, die Kufen laufen über, denn ihre Bosheit ist groß. … Und der Herr wird aus Zion brüllen und aus Jerusalem seine Stimme hören lassen, dass Himmel und Erde erbeben werden (Joel 4)2.

      Der HERR ist zornig über alle Heiden … er wird an ihnen den Bann vollstrecken und sie zur Schlachtung hingeben. Und ihre Erschlagenen werden hingeworfen werden, dass der Gestank von ihren Leichnamen aufsteigen wird und die Berge von ihrem Blut fließen…. Des HERRN Schwert ist voll Blut (Jes 34, 2 ff).

      Der HERR ist der rechte Kriegsmann, HERR ist sein Name (2 Mos 15, 3). Der HERR dein Gott ist in deiner Mitte, der große und schreckliche Gott (5 Mos 7, 21). Er ist auch ein großer und furchtbarer Gott (Neh 1, 5).

      Er fordert die Ausrottung vieler Völker und verlangt, dass der Bann an ihnen vollstreckt wird: So spricht der HERR Zebaoth … So zieh nun hin und schlag Amalek und vollstrecke den Bann an ihm und allem, was er hat; verschone sie nicht, sondern töte Mann und Frau, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel (1 Sam 15).

      Als der HERR Mose zum Pharao schickt mit der Aufforderung, die Israeliten auswandern zu lassen, sagt er: Du sollst alles reden, was ich dir gebieten werde … ich aber will das Herz des Pharao verhärten … und der Pharao wird nicht auf euch hören. Dann werde ich meine Hand auf Ägypten legen … (2 Mos 7, 2 ff). Es folgen 10 schreckliche Plagen für die Ägypter. Demnach hätte also Gott den ägyptischen König absichtlich verstockt, so dass er nicht auf Mose hörte, um ihn und dessen Volk dann für diesen Ungehorsam grausam bestrafen zu können.

      Ist das mit dem christlichen Gottesbild kompatibel?

      Auch seinem eigenen auserwählten Volk gegenüber ist er ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen (2 Mos 20, 5). Er kennt keine Vergebung, sondern nur blutige Rache nach dem Talionsgesetz: Entsteht ein dauernder Schaden, so sollst du geben Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal um Brandmal, Beule um Beule, Wunde um Wunde (2 Mos 21).

      Jeden Ungehorsam seines Volkes bestraft er grausam. Es hat die Wahl zwischen Gehorsam und Ungehorsam, zwischen Segen und Fluch: Wenn du nun der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchen wirst, dass du hältst und tust alle seine Gebote, die ich dir heute gebiete, so wird dich der Herr, dein Gott, zum höchsten aller Völker der Erde machen, und weil du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorsam gewesen bist, werden über dich kommen und dir zuteil werden alle diese Segnungen: Gesegnet wirst du sein … Gesegnet wird sein die Frucht deines Leibes … Und der Herr wird deine Feinde, die sich gegen dich erheben, vor dir schlagen … Der Herr wird dich zum heiligen Volk für sich erheben … und alle Völker auf Erden werden sehen, dass über dir der Name des Herrn genannt ist, und werden sich vor dir fürchten. Und der Herr wird machen, dass du Überfluss an Gutem haben wirst … und du wirst immer aufwärts steigen und nicht herunter sinken, weil du gehorsam bist den Geboten des Herrn, deines Gottes … und nicht abweichst von all den Worten, die ich euch heute gebiete, weder zur Rechten noch zur Linken, und nicht anderen Göttern nachwandelst, um ihnen zu dienen.

      Wenn du aber nicht gehorchen wirst der Stimme des Herrn, deines Gottes, … so werden all diese Flüche über dich kommen und dich treffen: Verflucht wirst du sein in der Stadt, verflucht auf dem Acker … Verflucht wird sein die Frucht deines Leibes … Der Herr wird unter dich senden Unfrieden, Unruhe und Unglück in allem, was du unternimmst, bis du vertilgt bist und bald untergegangen bist… Der Herr wird dir die Pest anhängen … Der Herr wird dich schlagen mit Aussatz, Entzündung und hitzigem Fieber,