uns - es war gerade Anfang der Achtziger-Jahre -, dass man weder die Reste seiner Kartoffelsuppe in den Abfluss kippen noch zu viel Spülmittel verwenden solle, weil das Flüsse und Seen überdünge und den Fischen die Luft zum Atmen nehme. Das hatte Substanz und leuchtete mir ausnahmsweise sofort ein. Der Same war auf gut vorbereiteten Boden gefallen und ich wurde echte Umweltschützerin – aus Sicht meiner Familie echt militant – was viel anstrengende Diskussion nach sich zog. Warum ich mich dann ausgerechnet für ein Chemiestudium entschied, war erstens dem Spruch geschuldet: „Du musst deinen Feind kennen, um ihn zu besiegen.“. Also ab ins Auge des Orkans, um zu agieren, anstatt nur von außen ein bisschen rumzustänkern. Und zweitens wegen völlig desaströser Berufsaussichten für Biologen. Chemiker jedenfalls wurden damals nur zu 95 Prozent arbeitslos, Biologen zu 99 Prozent. Und schließlich lernt man im Chemiestudium, was die Welt und somit alles Lebendige im Innersten zusammenhält. Lieber sich über kovalente Bindungszahlen von Molekülen beugen als über Bilanzzahlen von Unternehmen. Immerhin im Hauptstudium konnte ich unter chemischer Tarnkappe dann deutlich biologischer werden, belegte Botanik, Biochemie, Molekularbiologie und teilte schließlich meine Diplomarbeits- und Promotionszeit mit der Molekularbiologie antibiotikaproduzierender Bakterien.
Das dritte Glück kam in Verkleidung eines merkwürdigen Chefs daher. Diese Art von Glück musste natürlich erst einmal gehoben werden. Er bezahlte mich, übertrug mir aber weder Projekte noch Aufgaben. Das verstehe wer wolle! Vermutlich stimmte die Chemie zwischen uns zwei Chemikern einfach nicht. Das Resultat meinerseits nennt man heute neudeutsch „Bore out“. Weil aber Aufgeben nicht gerade zu meinen Stärken zählt, begann ich stattdessen, meine Bürozeit in der Umweltabteilung eines internationalen Großunternehmens mit dem Lesen zur Nachhaltigkeit zu nutzen und nebenbei Fachjournalismus zu studieren.
Da saß ich nun Tag und Nacht vor meinem Computer und fraß mich durch Klimawandel, Artenschwund und Recherchestrategien. Und siehe da, eines Tages kam ein Projekt zur Bearbeitung in unsere Abteilung, das wirklich gar keiner übernehmen wollte: „Umweltverträglichkeitsstudie des Standortes im Kontext zur Biodiversität.“ Bio… was bitte? Damit konnte im Jahr 2007 wirklich niemand etwas anfangen. Und ich wurde gerettet – von der Biodiversität. Von da an stürzte ich mich in Theorie und Praxis und entwickelte Konzepte für die Firma. Ich tingelte durch die Abteilungen und von Haus- und Hofgärtnern über Manager bis hin zum Vorstand mit krassen biodiversen Transformationsideen. Letztendlich gelang es mir, die Außenanlagen eines neu gebauten Standortes naturnah zu gestalten und ein Stückchen Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu schaffen.
Und plötzlich waren sie da in meinem Leben: Die Hummeln und die vielen anderen Wildbienen – als die Tiergruppe, die wir auf unserem neuen Firmengelände fördern wollten. Nicht dass ich bis dahin gedacht hätte alles Gesummse käme ausschließlich von Honigbienen - natürlich kannte ich plüschige Hummeln. Aber so richtig klar waren mir die Zusammenhänge keinesfalls. Wie sie leben, wo sie herkommen, welche Bedürfnisse und Ticks sie haben, wie unglaublich sympathisch, wie vielfältig und vor allem wie ungeheuer wichtig und bedroht sie sind. In Gesprächen mit Kollegen, Freunden und Verwandten merkte ich schnell, dass diese Bienensparte, der allein in Deutschland über 580 verschiedene Arten angehören, den meisten unbekannt ist. Denn obwohl sie mehr als nur ein bisschen seltsam aussehende Honigbienen sind, kommt einzig die Honigbiene im Leben der meisten Menschen vor. Schließlich blicken unsere Fokalaugen völlig anders auf diese Welt als die Facettenaugen der Wildbienen. Spätestens als mich ein Kollege fragte, wann es denn endlich auch Honig von unseren Wildbienen und Hummeln gäbe, war mir klar: Hier muss Wissen her!
Parallel zum beruflichen Schwerpunkt starteten wir in unserer Gemeinde eine Initiative, die neben dem Klimaschutz auch Naturschutz und Biodiversität voranbringen wollte. Also eine Gruppe von Totalverrückten. Denn wer grüngepflegte und vor allem ordentliche Rasenflächen zu Wildblumenwiesen umgestaltet und Totholz darauf schmeißt, kann nur eines sein: Plemplem. Nichtsdestotrotz wurden einige Flächen zusätzlich zu meinem Garten in meiner direkten Umgebung wilder und damit zur Heimat von Wildbienen.
Artensterben – Insektensterben – Wildbienensterben - Hummelsterben. Das alles ist nicht lustig. Und Sie werden sich sicherlich fragen, ob es angemessen sei, ein mitunter amüsantes Buch über solch ein ernstes Thema wie die immense Wichtigkeit der Wildbienen, die Gründe ihres Aussterbens und was wir dagegen tun können zu schreiben. Ich aber meine: Gerade deshalb! Denn mit ein bisschen Humor lässt sich vieles besser aushalten. Und ein Denkprozess, dem tatsächlich Taten folgen, kommt hier leichter in Gang als unter bierernsten (also ich zumindest finde viele Dinge mit Bier deutlich lustiger als ohne) und deprimierenden Umständen. Schließlich ist Panik nicht immer der beste Ratgeber. Wissenschaft muss raus aus ihrem Elfenbeinturm, raus auf die Piste und Wildbienenschutz und Naturschutz muss mitten rein in unser Leben und zum Mainstream werden, weil Biodiversität unser Lebens- und Wirtschaftsfundament ist. Dringend brauchen wir dazu die Naturwende!
Deshalb habe ich Wissenschaft, Theorie und Praxis für Sie ein wenig vorgekocht, zubereitet und mit etwas Humor gewürzt, damit die Kost für alle leichter verträglich wird. Dies in der Hoffnung, Sie ins Staunen zu versetzen über diese Natur, Ihre Begeisterung zu wecken und vor allem Ihre Lebensgeister anzustacheln aus dem ganzen Blumenstrauß der Möglichkeiten aktiv für Wildbienen zu werden. Denn jeder kann und m etwas dafür tun, dass sie auch morgen noch durch unsere Welt summen und brummen und letztendlich unser Überleben hier auf diesem Planeten sichern.
Um die Welt der Hummeln und Bienen zu begreifen, fand ich es nützlich ein bisschen etwas vom ganzen System des Lebens auf diesem Planeten zu erläutern. Erfahren Sie unter anderem, was man unter Biodiversität und einer planetaren Torte zu verstehen hat, warum Parasiten nicht nur am Sex bei Hummeln, sondern auch bei uns Menschen mitverantwortlich sind, oder warum Insekten zu essen ausgerechnet Hummeln gut tut. Aber auch warum eine Naturwende überreif ist. Falls Sie nicht allzu sehr ins Detail gehen möchten, könnten Sie Kapitel Drei „Bienen-Blüten-Evolution und –Revolution“ und Kapitel Vier „Hummeln können fliegen“ nur überfliegen, überblättern oder die Bilder angucken. Auch das sollte funktionieren.
Alexa Sabarth hat mit viel Engagement und Herzblut illustriert, um einprägsamer zu machen, um zu unterhalten und Sie bei der Stange zu halten – bis zum Schluss des Buches und vor allem darüber hinaus.
Ich - Naturschützerin auf dem zweiten Bildungsweg, Ex-Wissenschaftlerin, und mittlerweile Überzeugungstäterin – hoffe, Ihre Blicke ein wenig lenken und schärfen zu können - in Richtung flauschiger Hummeln. Ich wünsche Ihnen interessante und vergnügliche Stunden mit diesem Buch und vor allem im Anschluss daran eine große Portion Herzblut und Tatendrang, mitzuhelfen, den Hummelhimmel auf Erden zu schaffen.
Sollten mir trotz gründlicher Recherche dennoch unbeabsichtigt Fehler unterlaufen sein, bitte ich Sie herzlich um Nachsicht.
Kapitel 1
Bienenleistung – Alles Honig oder was?
Leistung will gesehen werden
Jeder, der Leistung erbringt, möchte dafür Wertschätzung erhalten. Dazu muss sie zunächst einmal wahrgenommen werden und in unser Bewusstsein vordringen. Erst dann kann sie zur echten Leistung in unserer Leistungsgesellschaft aufsteigen und die verdiente Anerkennung dafür bekommen. Am besten funktioniert das Wahrnehmen bei uns Menschen über das Sehen. Auch wenn es um Leistungen aus der Tierwelt geht.
Pandabären haben es da recht leicht. Sie sind groß. Sie sehen knuffig aus und wecken mit ihren vorgetäuschten Kulleraugen Beschützerinstinkt und Zuneigung – bei ihren Mamas und selbst bei uns Homo Sapiensern. Sie punkten über positive Emotionen. Sie leisten was für unser gutes Gefühl. Tiger, Eisbären und Elefanten machen das genauso. Auch sie haben ihre niedlichen Babys mit Knopfaugen ausgestattet. Kindchenschema geht immer. Als Säugetiere ähneln sie uns: im Körperbau, in der Größe, vom Wesen. Ähnlichkeit zu uns gilt als hervorragende Leistung und erzeugt Gemeinsamkeit, Identifikation und Zugehörigkeitsgefühl. Deshalb tun sich manchmal Vertreter unserer Spezies mit gleichem Anliegen zusammen und unterstützen sich gegenseitig: in Vereinen, Gewerkschaften oder auf Tinder.
Bienenmaden, Raupen und Schmetterlingskokons sind dagegen einfach gar nicht niedlich. Einige Raupen von Nachtfaltern besitzen zwar ein Hörnchen. Das hätte