Márta Guóth-Gumberger

Stillen


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      Ein Baby wacht langsam aus dem Tiefschlaf auf. Sein Gesichtsausdruck ändert sich, es bewegt sich, öffnet die Augen und schaut seine Mutter an. Sie nimmt es hoch und spricht leise zu ihm, setzt sich in einen Sessel und macht die Brust frei. Als sie ihr Kind in die Nähe der Brust legt, weiß es schon, was jetzt geschehen wird, und erwartungsvoll öffnet es den Mund. Die Mutter zieht das Baby zur Brust und es beginnt zu sau- gen – zuerst ziemlich schnell. Bald wechselt es in einen ruhigen, tiefen Rhythmus. Intensiv saugend holt es sich seine Milch. Irgendwann ist es satt, lässt los und schaut seine Mutter zufrieden an …

      Eine andere Frau stillt ihr Baby ebenfalls, doch schon nach kurzer Zeit will es nicht mehr weitersaugen. Sie nimmt das Kleine hoch, trägt es eine Zeit lang umher. Nach einer halben Stunde meldet sich das Baby erneut und trinkt wieder nur kurz. Nach einer weiteren halben Stunde möchte es wieder an die Brust. Erst nach vier, fünf kurzen Stillepisoden ist es ganz zufrieden und fällt in einen tiefen Schlaf. Die Mama ist ebenfalls müde geworden …

      Erfahrungen beim Stillen

      Die zwei Beispiele aus dem Alltag zeigen: Die Erfahrungen beim Stillen können unterschiedlich sein. Dieses Buch wird Ihnen helfen zu verstehen, warum das so ist. Es erklärt Ihnen, was beim Stillen geschieht, und Sie erhalten das Handwerkszeug, das Sie benötigen, um ins Stillen hineinzukommen, Ihren persönlichen Weg zu finden und mit Freude dabeizubleiben. Sie können in Ihre eigenen Fähigkeiten und die Ihres Babys vertrauen. Stillen geht leichter, wenn Sie wissen, wann was wichtig ist, und die kleinen Tricks kennen.

      Stillen stärkend erlebt

      Die Ernährung an der Brust ist von der Natur so angelegt, dass sie für Mutter und Kind befriedigend ist und leicht gelingt. Das erste Saugen an der Brust löst bei manchen Frauen ein starkes mütterliches Gefühl aus, und viele Stillpaare kommen nach einer kurzen Einübungszeit zufriedenstellend zurecht. Das Saugen wirkt beruhigend auf beide, sie fühlen sich wohl. Die Stillhormone erhöhen die Frustrationstoleranz der Mutter, sie nimmt alles gelassener. Es ist einfach schön zu erleben, wie ein zuvor unruhiges Baby an der Brust zufrieden wird. Solche positiven Erfahrungen machen viele Mütter – manchmal erst nach den ersten Wochen und nicht bei jeder Stillmahlzeit, aber oft genug, sodass später eine harmonische Zeit in Erinnerung bleibt. Viele finden das Stillen, sobald es sich eingespielt hat, praktisch und flexibel.

      Eine erfüllte Stillzeit stärkt auch das Selbstvertrauen und ist für manche Frau ein Ausgleich nach einer schwierigen Schwangerschaft oder Geburt. Mütter berichten, dass das Stillen sie verändert hat und für ihre persönliche Entwicklung wichtig wurde.

      Stillen schwierig erlebt

      Verschiedene Umstände können allerdings den Zugang zu der von der Natur vorgesehenen Ernährung erschweren. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Hautkontakt nach der Geburt unterbrochen wird, wenn die Mutter keine passende Anleitung oder nicht genug Unterstützung erhält. Gerade in den ersten Tagen und Wochen gibt es manchmal Frustration und Enttäuschung, wenn das Stillen nicht gleich gelingt, beispielsweise wegen Schmerzen beim Anlegen, übervollen Brüsten, wunden Brustwarzen, zu wenig Milch und allgemein einer schwierigen Anfangszeit mit dem Baby. Die meisten erleben in den ersten sechs bis acht Wochen ein Auf und Ab. Wenn sie die turbulente erste Zeit durchgestanden haben, erleben viele das Stillen danach als angenehm. Manche aber erleben das Bedürfnis des Babys nach regelmäßigen, häufigen Mahlzeiten als Herausforderung und einengend.

      Einige wenige Frauen haben aufgrund einer besonderen Situation ungewöhnlich schwierige Startbedingungen, etwa wenn ihr Kind schwer krank ist. Manchmal ist und bleibt die Lage durch eine Reihe von widrigen Umständen schwierig. Beratung kann helfen, auch eine solche Stillzeit innerhalb der realistischen Möglichkeiten als erfüllt zu erleben oder auch einen anderen Weg zu finden.

      Eltern-Kind-Beziehung

      Stillen ist ein Element der Beziehung zwischen Mutter und Baby und ist Teil der mütterlichen Begleitung des Kindes. Die Beziehung zu seinen Eltern ist für das Baby der Schlüssel für seine Entwicklung und Ihr Neugeborenes ist auf Sie als Eltern angewiesen. Deswegen ist es ab Geburt bereits Experte, um die Bindung mit Ihnen aufzubauen. Damit hilft es Ihnen, allmählich ins Elternsein hineinzuwachsen.

      Die grundlegenden Bedürfnisse

      Babys wie Erwachsene haben drei grundlegende Bedürfnisse: Menschen brauchen Sicherheit, aber auch Erregung und schließlich haben sie das Bedürfnis nach Autonomie, dem Gefühl, etwas selbst bewältigen zu können. Diese drei Facetten sind schon beim Neugeborenen zu beobachten. Natürlich ist es je nach Alter unterschiedlich, wie viel und in welcher Weise diese Bedürfnisse auftreten. Sowohl Kinder als auch Eltern brauchen mal mehr, mal weniger Nähe, mal mehr, mal weniger Erregung und auch bei der Autonomie gibt es ein Zuviel und ein Zuwenig.

      Es kommt also nicht nur auf Nähe an. Ständig maximale Nähe ist nicht das Ideal, sondern die stimmige Distanz ist entscheidend, die sich ständig verändert. Genauso braucht niemand, auch Ihr Baby nicht, ständig Anregung oder ständig Selbstständigkeit. Mehr und Weniger wechseln sich bei diesen Bedürfnissen ab. Wenn alles im Fluss ist, fühlt sich das Miteinander leicht an.

      Baby mal nah, mal zurückgezogen

      Kleine Babys sind Meister darin, die stimmige Nähe und Distanz herbeizuführen. Manchmal sucht Ihr Baby den Kontakt zu Ihnen, blickt Ihnen interessiert in die Augen. Und manchmal zieht es sich etwas zurück, wendet den Blick ab oder schläft ein, um bald wieder offen für Kontakt zu sein. Wenn Sie sich auf diesen fließenden Wechsel einlassen, wächst in vielen kleinen, unspektakulären Schritten des Alltags eine tragfähige Beziehung.

      INFO

      BEDÜRFNISSE VERSTEHEN

      Die grundlegenden Bedürfnisse nach Sicherheit, Erregung und Autonomie sind bei Babys (und Erwachsenen) ständig im Fluss zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig. Ihr Baby zeigt Ihnen, was es gerade braucht.

      Impuls von Baby oder Mama

      In den verschiedenen Phasen der Stillzeit können Sie Ihrem Baby erleichtern, dass es aus eigenem Impuls erreicht, was es möchte, und ihm damit etwas Autonomie und Selbstständigkeit ermöglichen. Die Chance, die Impulse Ihres Babys aufzugreifen, haben Sie, wenn es nach der Geburt zur Brust robbt und selbst andockt; wenn seine Hungerzeichen zeigen, dass es gestillt werden möchte; wenn es loslässt, sobald es satt ist; wenn es nach Essen greift und wenn es sich schließlich, satt von der Erfahrung des Stillens, anderem zuwendet.

      Die Initiative kann vom Baby ausgehen, aber manchmal geht sie auch von der Mutter aus – nach der Geburt, bei jedem Anlegen, bei fester Kost und beim Abstillen – je nachdem, wie es für das Paar stimmig ist.

      Nähe, Körperkontakt und Hautkontakt

      Die Fähigkeiten des Babys können sich entfalten, wenn Sie in erreichbarer Nähe sind oder es direkt an Ihrem Körper ist. So bekommen Sie seine Impulse mit. Im Körperkontakt mit der Mutter steht Ihrem Baby alles zur Verfügung, was es braucht: Sicherheit, weil Sie da sind, die Brust, wenn es Hunger hat. Im Körperkontakt kann es auch seine Autonomie entfalten. Es ist verständlich, dass es lange dort sein, oft an der Brust saugen möchte und dort auch gerne einschläft.

      Die allermeisten Neugeborenen verbringen gerne viel Zeit auch direkt auf der Haut ihrer Mama. Der Hautkontakt spricht alle Sinne des Babys an. Er reguliert seine Atmung, seinen Puls, seinen Blutzucker und seine Temperatur. Das Baby kommt mit den Keimen der Mutter in Berührung und nicht mit Fremdkeimen. Hautkontakt macht es wacher oder beruhigt, reduziert Stress und Weinen. Deswegen finden Sie in diesem Buch immer wieder die Anregung – wenn es für Sie beide stimmig ist –, sich Zeit für Körper- oder Hautkontakt zu nehmen, der auch zum Stillbeginn wesentlich beiträgt.

      Wenn das Baby sich wohlfühlt und entspannt ist, gelingen ihm seine Hauptaufgaben leichter, nämlich Beziehung zu seinen Eltern aufzubauen,