Фиона Грейс

Ein erlesener Mord


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die abendliche Sommerhitze in Schach hielt.

      Sie und Bianca saßen sich gegenüber. Zeitgleich nahmen sie einen Schluck von dem Wein. Dann aßen sie beide ein Stück Pizza. Die Kruste war knusprig, und das Kauen übertönte die unangenehme Stille in der Wohnung.

      Olivia füllte ihre Gläser wieder auf, und auf einmal fühlte sich das Schweigen nicht mehr so undurchdringlich an.

      „Das war wirklich eine schreckliche Aktion“, sagte Bianca mitfühlend und wirkte plötzlich wieder sehr nervös. „Dich zum Abendessen einzuladen und dann mit dir Schluss zu machen.“

      Olivia nickte. „Ich habe erfahren, dass er sich nebenbei mit seiner Assistentin trifft.“

      „Was?“ Bianca klang fassungslos.

      „Morgen fliegt er mit ihr nach Bermuda in den Urlaub. Also bin ich mehr als erleichtert. Er hat sein wahres Gesicht gezeigt. Er ist ein rücksichtloser Betrüger. Ich bin froh, dass ich ihn los bin.“ Ihr kam ein Gedanke. „Ist dir übrigens etwas Seltsames an meiner Strumpfhose aufgefallen?“

      Bianca blickte an ihr herunter.

      „Was soll mir denn daran auffallen?“, fragte sie. „Das Kleid ist klasse.“

      „Ach, nichts. Wollte nur sichergehen.“

      Olivia war erleichtert, dass sie nicht mehr in einer Beziehung mit einem überkritischen Mann war, der ganz klar einen Röntgenblick hatte.

      Sie nahm einen erneuten Schluck von diesem unglaublichen Wein.

      „Ich muss ehrlich mit dir sein. Ich bin nicht glücklich mit meiner Arbeit.“

      „Wieso?“ Bianca rang ihre Hände und lehnte sich vor.

      „Ich fühle mich so ausgelaugt. Irgendwie gefangen. Vielleicht ist es nur diese Kampagne, aber im Moment bin ich total demoralisiert.“

      „Wegen der langen Arbeitszeiten?“

      „Auch, aber vor allem, weil ich befürchte, dass ich mich selbst verkaufe.“

      Olivia bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass sie nicht alle Details der Herstellungsprozesse von Valley Wines mit Bianca teilen sollte, weil ihre Assistentin ja immer noch weiter an dem Auftrag arbeiten musste. Sie wählte ihre Worte sorgsam, als sie fortfuhr.

      „Unsere Aufträge sind alle so durchschnittliche, riesige Unternehmen ohne Seele. Dafür habe ich keinerlei Leidenschaft. Ich will die kleinen Betriebe unterstützen, die handgemachten Marken. Ich will Teil dieses Lifestyles sein, anstatt in diesem Hamsterrad gefangen zu sein, in dem charakterlose Marken um die Weltherrschaft kämpfen und unsere Agentur als Waffe benutzen.“

      Bianca schien beeindruckt von ihrem Gefühlsausbruch. Sie nickte und hickste laut.

      Olivia war selbst beeindruckt. Sie hatte bisher nie die richtigen Worte gefunden, um ihrer Perspektive so eloquent Ausdruck zu verleihen.

      „Kannst du nicht bitten, einem anderen Auftrag zugewiesen zu werden?“, fragte Bianca.

      Olivia seufzte. „Ich weiß nicht, ob James das zulassen würde, weil wir damit solchen Erfolg hatten. Sie wollen vielleicht noch weiter mit uns arbeiten. Außerdem kümmern wir uns als eine der größten Agenturen auch um die größten Marken. Ich glaube nicht, dass wir ein Boutiqueprodukt in unserem Kundenkatalog haben.“

      „Das ist ein Problem“, pflichtete ihr Bianca bei.

      Für einen kurzen, verwirrten Moment fragte sich Olivia, wie sie an diesen Punkt angekommen war. Sie war in einem Teufelskreis gefangen. Sie musste arbeiten, um ihre teure Wohnung zu finanzieren, und sie brauchte diese teure Wohnung, damit sie nicht weit vom Büro entfernt war. Wie konnte sie aus diesem Rad entkommen, ohne unterwegs einen kapitalen Unfall zu verursachen?

      „Weißt du, ich habe diesen verrückten Traum von einem ganz anderen Lebensstil“, vertraute Olivia ihrer Assistentin an.

      „Wie ein Hippie? In einem Wohnwagen?“, fragte Olivia.

      „Nein, anders.“ Olivia war es peinlich, jemandem ihren Traum zu erzählen, weil sie bisher noch nie darüber gesprochen hatte. Nicht einmal mit Matt, was wahrscheinlich auch besser gewesen war, weil er sonst so viele Löcher in diesen Traum geschlagen hätte, dass er irgendwann gesunken wäre.

      „Na, dann sags mir. Wie denn?“ Bianca beugte sich neugierig vor.

      „Ich kann nicht.“ Olivia traute sich nicht, ihre unmögliche Idee auszusprechen.

      „Aber jetzt musst du es mir verraten, oder ich werde heute Nacht vor Neugierde nicht schlafen können“, versuchte Bianca sie zu ermutigen.

      Olivia atmete tief durch.

      „Ich liebe Wein.“ Sie hielt inne, um ihre Gedanken zu sammeln. „Ich wäre gern ein Teil der Industrie. Ich würde mir gern einen kleinen Weingarten kaufen und meine eigenen Weine produzieren. Ich habe mir immer gewünscht, das irgendwo in Italien zu tun. Über die Details habe ich noch nicht nachgedacht, aber ich muss ständig darüber nachdenken, wie mein Leben in einer kleinen Stadt oder einem Dorf wohl verlaufen würde. Wie anders alles wäre.“

      Sie nahm einen weiteren Schluck von dem italienischen Rotwein.

      „Stell dir vor, draußen auf dem Land der Toskana zu leben, in den Weinanbaugebieten. Ein Teil der örtlichen Gemeinde zu sein und sich mit den Leuten von nebenan anzufreunden.“

      „Das klingt wunderbar.“ Bianca nickte mit großen Augen.

      „Es kann ja nicht so schwer sein, Wein herzustellen, oder? Immerhin weiß ich ein wenig darüber, wie er schmecken sollte.“ Olivia leerte ihr Glas.

      „Ich glaube auch nicht, dass es schwer ist“, stimmte Bianca zu. „Man baut die Trauben an, pflückt sie, trampelt auf ihnen herum und dann braut man sie. Das klingt nicht kompliziert.“ Sie nickte gedankenverloren und starrte in ihr leeres Glas.

      „Ich bin froh, dass du so denkst. Weißt du, ich bin vierunddreißig Jahre alt, ich bin wieder single, und ich kann meine guten Freunde an einer Hand abzählen“, gestand Olivia. „Selbst wenn ich morgen von einer schweren Maschine halb zerquetscht werden würde, könnte ich sie immer noch an dieser Hand abzählen. An den seltenen Anlässen, in denen wir zusammenkommen, umarmen wir uns und sagen, dass wir uns so nahestehen, als wären wir nie getrennt gewesen. Aber die Wahrheit ist, wir sehen uns nur selten und je mehr Zeit vergebt, um so mehr entfernen wir uns voneinander.“

      Bianco schaute geknickt drein.

      „Ich verstehe, was du meinst. Das ist wirklich traurig.“

      „Ich beginne, mehr von meinem Leben zu wollen.“ Olivia seufzte und schenkte ihnen den letzten Tropfen nach. „Es ist aber insgesamt eine dumme Idee. Es wird nie passieren.“

      „Wieso nicht?“, fragte Bianca. „Ich finde, es klingt wunderbar. Es ist genau der Wechsel, den du brauchst. Vielleicht solltest du es einfach tun. Fahr dorthin in den Urlaub und schau dich nach Möglichkeiten um. Nimm dir auf jeden Fall eine Auszeit. Du hast es verdient. Du hattest im vergangenen Jahr nicht mehr als ein paar Tage frei.“

      Olivia lächelte.

      „Es ist nur so ein Traum. Die Realität sieht anders aus. Aber ja, vielleicht werde ich mir ein wenig freinehmen und Urlaub machen. Das klingt nach einer guten Idee.“

      Sie aß das letzte Stück Pizza und sah auf die Uhr.

      „Ich kann noch nicht nach Hause“, sagte sie. „Ich habe Matt bis zehn Uhr Zeit gegeben, um seine Sachen abzuholen. Er wird jetzt gerade bestimmt da sein, und ich will ihn wirklich nicht sehen.“

      „Ich kann uns noch eine Flasche aufmachen“, schlug Bianca vor. „Ich glaube, wir können noch ein Glas gebrauchen.“

      „Gute Idee“, sagte Olivia.

      Aber als Bianca die frischen Gläser aus der Küche brachte, starrte sie den Wein darin misstrauisch an.

      Etwas an der wässrigen, hellroten Farbe kam ihr bekannt vor. Sie roch daran und atmete ein süßliches, künstliches Aroma ein, das sie nur zu gut kannte.

      „Was ist das?“, fragte sie