Jahr gefragt, ob du vielleicht vorhast, deine Wohnung zu verkaufen. Ich wollte dich nur an dieses Angebot erinnern, weil ich dringend mehr Platz brauche, und diese Glasfaserkapazitäten wie hier gibt es sonst nirgends in der Stadt. Und ich brauche nicht nur mehr Platz zum Arbeiten, sondern habe jetzt auch noch ein ganzes Set an Miniatur-Eisenbahnmodellen, die ein ganzes Zimmer beanspruchen, und zwei Sets der Größe Z, die vielleicht kleiner sind, aber dafür beachtliches Grundeigentum benötigen.“
„Tatsächlich?“, Olivia holte Luft, um ihm eine höfliche Absage auszusprechen, aber er redete weiter.
„Zudem habe ich jetzt drei weitere Katzen, die ihr eigenes Spielzimmer brauchen. Ich kann sie unmöglich zu den Zügen lassen.“ Er schüttelte besorgt seinen Kopf. „Ich habs versucht, es ist aber nicht gut ausgegangen. Die Züge haben klar den Kürzeren gezogen, wie es dich vielleicht freut zu hören.“
„Da bin ich ja erleichtert“, sagte Olivia.
„Ich bin bereit, mein Angebot zu erhöhen.“
Olivia wollte am liebsten schreien.
„Len, nein, es tut mir leid. Für deine Katzen und deine Züge gleichermaßen. Und deine zusätzlichen Katzen. Und deine neuen, noch kleineren Züge. Ich bin nicht interessiert zu verkaufen, aber ich verspreche dir, es dich als erstes wissen zu lassen, wenn ich meine Meinung ändern sollte.“
Len schien ihr nicht mehr zuzuhören. Stattdessen sah er sie nur seltsam an.
„Hast du dich verletzt? Hatten du und dein Freund eine gewalttätige Auseinandersetzung?“
Olivia blinzelte.
„Nein. Wieso?“
„Du siehst aus, als hättest du ein blaues, linkes Auge.“
„Oh. Das ist mein Make-Up. Danke für den Hinweis.“
Während sie hektisch unter ihrem Auge herumrubbelte, sprintete sie zum Ausgang.
Eine halbe Stunde später erreichte sie das große, gläserne Bürogebäude, in dem JCreative zwei Stockwerke belegte.
Sie nahm den Aufzug nach oben, ihn drängend, doch bitte schneller zu machen, und begann zu rennen, sobald ihre Füße den Teppich des Korridors betraten. Sie platzte um genau eine Minute nach sieben in James’ Büro.
„Sorry für die Verspätung“, keuchte sie.
James saß in seinem Chefsessel, den Olivia als viel zu groß für ihn empfand. Er sah sie streng an, als wäre ihre verspätete Ankunft eine große Enttäuschung.
Wie sie ihn so anschaute, überkam Olivia ein Schauer der Angst, weil sie sehen konnte, wie sie den gleichen Pfad einschlug wie er. Das hier war alles, was er kannte – diese Firma war sein Leben. Er hatte sich vor ein paar Jahren scheiden lassen und sah seine Kinder nur selten. Und obwohl es Sommer war, bemerkte sie, wie blass seine Haut war, als hätte er nie die Gelegenheit, sich in der Sonne zu entspannen, da er all seine Zeit damit verbrachte, sich mit Vorständen in Meetings herumzuschlagen.
„Setz dich. Ich habe aufregende Neuigkeiten für dich“, sagte er.
„Was ist?“, fragte sie und zwang sich zu einem Lächeln.
„Kansas Foods, die Holdinggesellschaft von Valley Wines, ist vom Erfolg dieser Kampagne beeindruckt. Sie witzeln, dass wir ihrer Konkurrenz einen Korken aufgedrückt haben.“
Olivia lächelte noch breiter und wünschte sich, dass das wirklich gute Neuigkeiten wären.
„Es ist im Grunde nicht mal ein Witz. Drei konkurrierende Marken haben so viel Regalfläche verloren, dass sie wahrscheinlich bald pleitegehen werden.“ James lächelte.
„Das ist – ähm.“ Olivia konnte sich nicht dazu überwinden, „gut“ zu sagen. Es war schrecklich, und sie hatte Schuld daran.
„Ab heute sind wir daher für alle Kampagnen von Kansas Food zuständig“, gab James stolz bekannt. „Deswegen sind alle Vorstandsteams bereits im Konferenzraum. Wir machen heute Morgen die Übergaben und unterschreiben einen Fünfjahresvertrag für alle Marken. Dieser Deal ist mehrere hundert Millionen wert.“
Olivia spürte, wie ihr das Lächeln auf den Lippen gefror.
„Das ist großartig. Was für ein Erfolg.“ Sie war sich nicht sicher, wie sie klang, aber sie hoffte, dass James nicht bemerkte, wie sie sich innerlich fühlte.
„Du fragst dich bestimmt, was das für dich bedeutet“, sagte James. Er lächelte. „Ich hoffe, du hast nicht zu viel Urlaub geplant. Du wirst jede Menge zu tun haben, weil du alle wichtigen Kampagnen leiten wirst. Du wirst ein paar zusätzliche Angestellte rekrutieren müssen und deine Zeit abwechselnd hier und in ihrer Zentrale in Wichita verbringen. Du wirst wahrscheinlich eine Woche hier und eine Woche dort verbringen. Für dich sollte das ja kein Problem sein. Du bist doch nicht verheiratet, oder?“
Olivia verkniff sich eine bissige Antwort. Würde ihr Familienstand irgendeinen Unterschied machen? Ja, zufällig war sie seit gestern ohne Freund, aber wie kam James, ein geschiedener Mann, auf die Idee, dass es für sie ein und dasselbe war, unverheiratet und single zu sein?
„Nein, das bin ich nicht“, antwortete sie kühl.
James sah sie überrascht an, als hätte er erwartet, dass seine Worte mit blinder Zustimmung aufgenommen werden würden.
„Du erhältst eine Beförderung zum Account Director, eine wesentliche Gehaltserhöhung, und die Bonusstruktur wird doppelt so hoch sein wie bisher. Da steckt jede Menge Geld drin, mein Mädchen. Eine große Menge Geld.“ Er rieb sich die Hände.
Olivia blinzelte. Sie dachte, sie würde bereits eine Menge Geld verdienen. Wenn also noch mehr kommen würde, wie viel würde das sein? Hieß es nicht, jeder hätte seinen Preis? Sie begann sich zu fragen, ob sie den auch hatte.
„Ich –“, begann Olivia, aber James redete einfach weiter.
„Einer der größten Accounts bei uns wird Daily Loaf sein – das ist ihr Brothersteller.“ Er hackte auf die Tastatur seines Laptops ein. „Deren CEO hat mir gestern ein paar Details geschickt. Ihr Brot hat eine Haltbarkeitsdauer von bis zu zwei Wochen. Zwei Wochen! Kannst du das glauben?“
„Unfassbar“, sagte Olivia. Innerlich überkam sie Panik. Sie wollte nicht für ein Brot mit zweiwöchiger Haltbarkeit werben. Sie wollte mit handgemachtem Brot arbeiten, dessen Mehl in echten Mühlen gemahlen und in rustikalen Lehmöfen gebacken wurde.
„Der charakteristische Geschmack wird mit einer Mischung aus Sucrose und Maissirup verstärkt, was das Brot besonders lecker macht“, fuhr James fort. „Ich glaube, das könnten wir in die Kampagne einarbeiten. Vielleicht etwas wie ‚Täglich Daily auf den Tisch, immer gut und immer frisch‘? Du kannst das bestimmt ein wenig besser ausfeilen, davon bin ich überzeugt. Sie haben auch eine gesunde Version. Es hat zusätzlich zehn Prozent Vollkornmehl und angeblich weniger Zucker.“
James studierte seinen Bildschirm.
„Nein, ich sehe gerade, dass das gesunde Brot den gleichen Zuckergehalt hat. Aber Vollkornmehl, das ist das große Schlagwort. Daily Loaf hat großes Potenzial, und ich kann kaum erwarten zu sehen, was du daraus machst.“
Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen wurde Olivia langsam schlecht.
„Es wäre klasse, wenn du dir aus dem Stehgreif ein paar Ideen, Slogans und Richtungen einfallen lassen könntest, sodass wir sie gleich bei unserem Meeting direkt von den Socken hauen können. Ich weiß, dass du immer viele spontane Einfälle hast.“ Er zog eine verschwörerische Augenbraue hoch.
Olivia zuckte zusammen. Hieß das, was sie dachte, was es hieß?
„Ich habe nur Gutes von dir berichtet, das Vorstandsteam hat also hohe Erwartungen. Sie erwarten nur das Beste von dir, aber ich weiß, dass du sie überzeugen wirst. Wie dem auch sei, zurück zu den Produkten. Lass mich dir kurz von den Softdrinks –“
Olivia stand auf. Sie konnte kein einziges Wort mehr ertragen. Nicht einmal die Aussicht auf das Geld, den Bonus und die Beförderung konnte ihre Meinung jetzt noch ändern. Egal, wie viel Geld es war.
„Das