Charles Dickens

Gesammelte Weihnachtsgeschichten


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die auf einer großen Perle saß, welche so groß wie ein Spinnrad war. alle Hofdamen mit ihren Jungfern und den Jungfern der Jungfern, und alle Ritter mit ihren Dienern und den Dienern der Diener, die wieder einen Burschen hielten, standen ringsherum aufgestellt; und je näher sie der Tür standen, desto stolzer sahen sie aus. Des Dieners Dieners Burschen, der immer in Pantoffeln geht, darf man kaum anzusehen wagen, so stolz steht er in der Türe.“

      „Das muss gräulich sein!“ sagte das kleine Gretchen. „Und Karl hat doch die Prinzessin erhalten?“

      „Wäre ich nicht Krähe gewesen, so hätte ich sie genommen, und das ungeachtet ich verlobt bin. Er soll ebenso gut gesprochen haben, wie ich spreche, wenn ich die Krähensprache rede, das habe ich von meiner zahmen Geliebten gehört. Er war fröhlich und niedlich; er war gar nicht gekommen zum Feiern, sondern nur, um der Prinzessin Klugheit zu hören, und die fand er gut, und sie fand ihn wieder gut.“

      „Ja, sicher, das war Karl!“ sagte Gretchen. „Er war so klug, er konnte die Kopfrechnung mit Brüchen! – O, willst du mich nicht auf dem Schlosse einführen?“

      „Ja, das ist leicht gesagt!“ sagte die Krähe. „Aber wie machen wir das? Ich werde darüber mit meiner zahmen Geliebten sprechen; sie kann uns wohl Rat erteilen; denn das muss ich dir sagen, so ein kleines Mädchen, wie du bist, bekommt nie Erlaubnis, hineinzukommen!“

      „Ja, die erhalte ich!“ sagte Gretchen. „Wenn Karl hört, dass ich da bin, kommt er sogleich heraus und holt mich!“

      „Erwarte mich dort am Gitter!“ sagte die Krähe, wackelte mit dem Kopf und flog davon.

      Erst als es später Abend war, kehrte die Krähe zurück. „Rar! rar!“ sagte sie. „Ich soll dich vielmal von ihr grüßen, und hier ist ein kleines Brot für dich, das nahm sie aus der Küche, da ist Brot genug, und du bist sicher hungrig! – Es ist nicht möglich, dass du in das Schloss hineinkommst, du hast ja bloße Füße. Die Wachen in Silber und die Diener in Gold würden es nicht erlauben. Aber weine nicht, du sollst schon hinaufkommen. Meine Geliebte kennt eine kleine Hintertreppe, die zum Schlafgemach führt, und sie weiß, wo sie den Schlüssel erhalten kann!“ Sie gingen in den Garten hinein, in die große Allee, wo das eine Blatt nach dem andern abfiel, und als auf dem Schlosse die Lichter ausgelöscht wurden, das eine nach dem andern, führte die Krähe das kleine Gretchen zu einer Hintertür, die angelehnt stand. O, wie Gretchens Herz vor Angst und Sehnsucht pochte! Es war ihr, als ob sie etwas böses tun wollte, und sie wollte ja nur wissen, ob hier der kleine Karl sei. Ja, er musste hier sein; sie gedachte ganz deutlich seiner klaren Augen, seines langen Haares; sie konnte ihn lächeln sehen wie damals, als sie daheim unter den Rosen saßen. Er würde sicher froh sein, sie zu erblicken, zu hören, welchen langen Weg sie um seinetwillen zurückgelegt, zu wissen, wie betrübt sie Alle daheim gewesen, als er nicht wiedergekommen. O, das war eine Furcht und eine Freude!

      Nun waren sie auf der Treppe. Da brannte eine kleine Lampe auf einem Schranke, und mitten auf dem Fußboden stand die zahme Krähe und wendete den Kopf nach allen Seiten und betrachtete Gretchen, die sich verneigte, wie die Großmutter sie gelehrt hatte. „Mein Verlobter hat mir viel Gutes über sie gesagt, mein kleines Fräulein“, sagte die zahme Krähe, „ihr Lebenslauf ist auch sehr rührend! – Wollen sie die Lampe nehmen, dann werde ich vorangehen. Wir gehen hier den geraden Weg, denn da begegnen wir Niemand!“

      „Es ist mir, als käme gerade Jemand hinter und!“ sagte Gretchen, und es sauste an ihr vorbei; es war wie Schatten an der Wand entlang, Pferde mit fliegenden Mähnen und dünnen Beinen, Jägerburschen, Herren und Damen zu Pferde.

      „Das sind nur Träume!“ sagte die Krähe, „die kommen und holen der hohen Herrschaft Gedanken zur Jagd ab. Das ist recht gut, dann können sie sie besser im Bette betrachten. Aber ich hoffe, wenn sie zu Ehre und Würde gelangen, dass sie dann ein dankbares Herz zeigen werden!“

      „Darüber bedarf es keine Worte!“ sagte die Krähe vom Wald. Nun kamen sie in den ersten Saal, der war von rosenrotem Atlas mit künstlichen Blumen an den Wänden hinauf. Hier sausten die Träume schon an ihnen vorüber, aber sie fuhren so schnell, dass Gretchen die hohen Herrschaften nicht zu sehen bekam. Ein Saal war immer prächtiger als der andere: ja, man konnte wohl betäubt werden, und nun waren sie im Schlafgemach. Die Decke hier glich einer großen Palme mit Blättern von Glas, kostbarem Glas, und mitten auf dem Fußboden hingen an einem dicken Stängel von Gold zwei Betten, von denen jedes wie eine Lilie aussah. Das eine Bett war weiß, in diesem lag die Prinzessin; das andere war rot, und in diesem sollte Gretchen den kleinen Karl suchen. Sie bog eines der roten Blätter zur Seite, und da sah sie einen braunen Nacken. – O, das war Karl! – Sie rief ganz laut seinen Namen, hielt die Lampe gegen ihn hin – er erwachte, wendete das Haupt und – es war nicht der kleine Karl. Der Prinz glich ihm nur im Nacken, aber jung und hübsch war er. Und aus dem weißen Lilienblatt blinzelte die Prinzessin hervor, und fragte, was das sei. Da weinte das kleine Gretchen und erzählte ihre ganze Geschichte und Alles, was die Krähen für sie getan hatten.

      „Du armes Kind!“ sagte der Prinz und die Prinzessin, belobten die Krähen und sagten, dass sie gar nicht böse auf sie seien, aber sie sollten es doch nicht wieder tun. Übrigens sollten sie eine Belohnung erhalten.

      „Wollt ihr frei fliegen?“ fragte die Prinzessin. „Oder wollt ihr feste Anstellung als Hofkrähen haben, mit Allem, was da in der Küche abfällt?“

      beide Krähen verneigten sich und baten um feste Anstellung, denn sie gedachten des Alters und sagten, es sei schön, etwas für das Alter zu haben.

      Der Prinz stand aus seinem Bett auf und ließ Gretchen darin schlafen, mehr konnte er wirklich nicht tun. Sie faltete ihre kleinen Hände und dachte: „Wie gut sind die Menschen und Tiere!“ und dann schloss sie ihre Augen und schlief sanft. alle Träume kamen wieder hereingeflogen, und da sahen sie wie Gottes Engel aus, und sie zogen einen kleinen Schlitten, auf welchem Karl saß und nickte. Aber das Ganze war nur ein Traum, und deshalb war es auch wieder fort, sobald sie erwachte.

      Am nächsten Tage wurde sie vom Kopf bis zum Fuß in Seide und Samt gekleidet; es wurde ihr angeboten, auf dem Schloss zu bleiben und gute Tage zu genießen, aber sie bat nur um einen kleinen Wagen mit einem Pferd davor, und um ein paar Schuhe, dann wollte sie wieder in die weite Welt hinausfahren und Karl suchen.

      Sie erhielt sowohl Schuhe als Muff, sie wurde niedlich gekleidet, und als sie fort wollte, hielt vor der Tür eine neue Kutsche von reinem Gold; des Prinzen und der Prinzessin Wappen glänzte an derselben wie ein Stern. Kutscher, Diener und Vorreiter, denn da waren auch Vorreiter, saßen mit Goldkronen auf dem Kopfe. Der Prinz und die Prinzessin halfen ihr selbst in den Wagen und wünschten ihr alles Glück. Die Waldkrähe, welche nun verheiratet war, begleitete sie die ersten drei Meilen; sie saß ihr zur Seite, denn sie konnte nicht ertragen, rückwärts zu fahren. Die andere Krähe stand in der Tür und schlug mit den Flügeln, sie kam nicht mit, denn sie litt an Kopfschmerzen, seitdem sie feste Anstellung und zu viel zu essen erhalten hatte. Inwendig war die Kutsche mit Zuckerbrezeln gefüttert, und im Sitze waren Früchte und Pfeffernüsse.

      „Lebe wohl! Lebe wohl!“ riefen der Prinz und die Prinzessin, das kleine Gretchen weinte und die Krähe weinte auch. – So ging es die ersten Meilen, da sagte auch die Krähe Lebewohl, und das war der schwerste Abschied. Sie flog in einem Baum hinauf und schlug mit ihren schwarzen Flügeln, so lange sie den Wagen, welcher wie der klare Sonnenschein glänzte, erblicken konnte.

      Das kleine Räubermädchen

      Sie fuhren durch den dunklen Wald, aber die Kutsche leuchtete gleich einer Fackel. Das stach den Räubern in die Augen, das konnten sie nicht ertragen.

      „Das ist Gold! Das ist Gold!“ riefen sie, stürzten hervor, ergriffen die Pferde, schlugen die kleinen Vorreiter, den Kutscher und die Diener tot, und zogen nun das kleine Gretchen aus dem Wagen.

      „Sie ist fett, sie ist niedlich, sie ist mit Nusskernen gefüttert!“ sagte das alte Räuberweib, die einen struppigen Bart und Augenbrauen hatte, die ihr über die Augen herabhingen.

      „Das ist so gut wie ein kleines fettes Lamm! Na, wie soll die schmecken!“ und dann zog sie ihr blankes Messer heraus und das glänzte,