erst herumschwingen müssen. Er starrte Clay wie ein Gespenst an. Die Wölfe, wenn es wirkliche welche waren, heulten schaurig. Der Wind pfiff dazu.
Clay lächelte schmal, ohne dass der Ausdruck seiner Augen sich dabei veränderte. Er wunderte sich selber über die kalte Ruhe, die ihn erfüllte.
»Das scheint nicht gerade dein großer Glückstag zu sein, Rhett«, meinte er mit einer Kopfbewegung zu dem zerbrochenen Kutschenrad. »Aber angefangen hat es schon damit, dass du die verkehrten Leute auf die Wilburn-Farm geschickt hast. Du hättest selber da draußen auf mich warten sollen.«
Nach dem ersten Schock spannte sich Clintons Miene nun wieder. Sein Blick wurde dunkel.
»Nein, Clay«, murmelte er gepresst. »Mein entscheidender Fehler war, dass ich dich damals, als die Rebellen uns von allen Seiten angriffen, nicht getötet, sondern nur verwundet liegengelassen habe.«
»Du kannst ja versuchen, diesen Fehler jetzt noch zu korrigieren.«
Clinton schien drauf und dran, es tatsächlich zu riskieren. Aber sein glasklarer Verstand bezwang das Aufwallen des alten Hasses, der jäh in seinen Augen loderte.
»Du wärst mir jetzt um den entscheidenden Sekundenbruchteil voraus, Clay. Ich bin kein Selbstmörder.« So, dass Clay die Bewegung genau beobachten konnte, schob er den Colt in die Halfter. Ein lauerndes Lächeln zuckte um seinen Mund. »Wenn du nun ebenfalls dein Eisen wegsteckst, könnten wir es ja versuchen, Clay.«
»Ihr seid ja verrückt!«, keuchte Bancroft. »Die Indianer ...«
»Halten Sie sich da 'raus, verdammt noch mal!«, zischte Clinton, ohne den Blick von Clay zu wenden.
»Er hat recht«, sagte Clay ruhig. »Da draußen schleichen keine Wölfe herum. Es sind die Späher der Cheyennes.«
Clinton grinste bissig.
»Da hast du dir einen ziemlich schlechten Zeitpunkt für deine große Abrechnung ausgesucht, wie?«
»Ich bin nicht hergekommen, um dich zu töten.«
Clinton starrte ihn verblüfft an. Dann lachte er heiser.
»Ich glaub’ fast, du meinst das wirklich ernst, Clay. Du warst schon immer ein Bursche, dessen Gesetzeseifer und Fairness ich nie ganz verstand. Ich trau's dir zu, dass du vorhast, mich zum nächsten Richter zu schleppen und dort Anklage gegen mich zu erheben.«
»Genau das werde ich tun.«
Clint schüttelte den Kopf.
»Du hast dich wirklich nicht verändert, Clay. Aber es ist verrückt, wenn du denkst, dass du damit durchkommst. Damals ging alles drunter und drüber. Niemand bekam mit, was geschah. Alle dachten, eine Rebellenkugel hätte dich erwischt. Du hast keine Zeugen, Clay. Alles ist zu lange her.«
»Nicht so lange, dass ich auch nur die kleinste Kleinigkeit vergessen hätte! Ich brauch' keine Zeugen von damals, wenn ich dein Geständnis habe. Außerdem hat dieser Mann da eben gehört, was du ...«
»Ich will damit nichts zu tun haben!«, stieß Bancroft hervor. »Ich werde alles abstreiten! Ich will nur ...«
Clay beachtete ihn nicht. Mit dem angeschlagenen Colt ging er steifbeinig auf Clinton zu.
»Wo ist Joana?«
Clinton zuckte zusammen. Gehetzt starrte er auf die Waffe, die so nahe herankam, dass sie fast seinen Bauch berührte. Dann schaute er wieder in Clays steinernes Gesicht.
»Deshalb also bist du den langen Weg nach Julesburg heraufgeritten, nachdem Scobey, diese Ratte, dir den richtigen Tipp gab!« Er grinste verzerrt, hielt aber im nächsten Moment den Atem an. Der kalte Waffenstahl berührte seine Kehle. Der Blick in Clays Augen trieb ihm alle Farbe aus dem Gesicht. Das waren nicht mehr die Augen des stets ruhigen, besonnenen und gut gelaunten Mannes, der einmal sein Freund gewesen war. Es waren Augen, in denen sich die Hölle widerzuspiegeln schien.
»Wo ist Joana?«, wiederholte Clay schneidend.
Clinton schwitzte plötzlich. Er keuchte: »Es geht ihr gut, Clay! Du wirst sie wiedersehen! Aber nur, wenn du Bancroft und mir hilfst, von hier wegzukommen, bevor die Cheyennes da sind.«
Drei, vier Sekunden verstrichen, dann sank Clay Lormans Sechsschüsser herab.
»Glaub nur nicht, dass du jetzt einen Trumpf hast, mit dem du dich freikaufen kannst, Rhett!«
»Alles, was ich verlange, ist ein Waffenstillstand, bis wir in Sicherheit sind.«
»Ein Waffenstillstand, den du brechen wirst, wenn’s dir günstig erscheint. Genauso wie du damals unsere Freundschaft gebrochen hast, um Joana für dich zu gewinnen.«
»Von Minute zu Minute bereue ich es mehr, dass ich damals nicht besser gezielt habe«, knirschte Clinton.
Mit ausdrucksloser Miene halfterte Clay den 44er.
»Du hast recht, wir müssen weg. Auf der Liberty Station warten sie außerdem verzweifelt auf Hilfe aus Julesburg. Wir müssen versuchen, etwas für sie zu tun.«
»Was, zum Teufel, redest du da?«
Clay berichtete kurz, wie er Talbot gefunden hatte. Er erwähnte auch die anderen Männer, die den Messern und Tomahawks der Cheyennes zum Opfer gefallen waren. Dabei beobachtete er Clinton scharf, überzeugt, dass dieser für den Tod dieser Männer verantwortlich war. Clinton fluchte nur heftig.
»Ich denke nicht daran, mich in der Nähe der umzingelten Station blicken zu lassen«, stieß Bancroft heftig hervor. »Clinton, es gibt doch hoffentlich eine Möglichkeit, dort unbemerkt vorbeizukommen. Selbstverständlich gilt mein Angebot mit den zwölfhundert Dollar nach wie vor. Wir ...«
Clay wandte sich ihm stirnrunzelnd zu.
»Ich weiß, dass Sie versessen darauf sind, nach Cheyenne zu gelangen. Deshalb haben Sie die Kutsche gemietet oder gekauft. Das alles zählt nicht, solange es für die Menschen in der Station am Lodgepole Creek um Leben und Tod geht. Hilfe aus Julesburg herzuholen ist unmöglich. Inzwischen ist die Stadt gewiss von mehr Indianern umzingelt, als es zwischen hier und Cheyenne gibt. Von Talbot weiß ich außerdem, dass eine Frau in der Station ...«
Der hagere, eben noch vor Furcht und Aufregung bebende Bankier hielt plötzlich einen doppelläufigen Sharps Derringer in der Hand. Clinton war ebenso überrascht wie Clay. Es war eine von den handlichen Taschenpistolen, die hauptsächlich von Kartenhaien und Saloongirls benutzt wurden. Auf kurze Distanz war so eine kleinkalibrige Waffe ebenso tödlich wie ein 45er Colt.
»Sie werden jetzt zusammen mit Clinton das Rad wechseln!«, zischte Bancroft. »Machen Sie dann, was Sie wollen! Nur hören Sie auf, von mir zu verlangen, dass ich meinen Kopf freiwillig in die Schlinge stecke! Außerdem könnten wir ja sowieso nichts für die Eingeschlossenen tun.«
»Eine Menge sogar, wenn Rhett mit seiner Kanone noch immer so gut wie früher ist.«
»Halten Sie endlich den Mund, Lorman! Clinton, nehmen Sie ihm den Colt weg!«
»Rhett, mach du ihm klar, dass ihr keine Wahl habt! Mit diesen Gäulen schafft ihr keine zwanzig Meilen mehr. Ihr braucht frische.«
»Stimmt, Bancroft!«, bestätigte Clinton kühl. »Lassen Sie also Ihr Spielzeug verschwinden! Es könnte sonst sein, dass Sie eine blaue Bohne aus meiner Bleispritze zu schlucken bekommen.«
Bancroft verkrampfte sich. Clintons Waffe war auf ihn gerichtet. Das alte Tigerlächeln lag auf Clintons Gesicht. »Geld ist nun mal nicht alles, Bancroft. Ich weiß, es ist ein Witz, dass Sie das gerade von mir zu hören kriegen.«
»Verdammt, Clinton, es wäre Ihre Chance, mit Lorman ...«
»Ich werde meine Chance auch ohne Sie bekommen!« Eisige Verachtung schwang in Clintons Ton. Er ging zu Bancroft und nahm ihm die Waffe aus der Hand. Dann hob er den Holzkoffer auf, wog ihn prüfend und warf ihn in die offene Kutsche.
»Danke«, sagte