Pete Hackett

Roman-Paket Western Exklusiv Edition 11 Romane - Sammelband 7021


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      Rutland zuckte zusammen.

      »Es war Ihre Idee! Außerdem ist Sam freiwillig gegangen. Was fällt Ihnen ein, Mclntosh? Sie werden mir keinen Strick daraus drehen.«

      Mclntosh lachte heiser.

      »Das wird Lorman auch viel besser und gründlicher besorgen.« Ein verschlagener Ausdruck erschien in seinen Augen. »Weshalb, glauben Sie, hat er Sie aus dem Lodgepole Creek gefischt, he? Du liebe Zeit, Rutland, gebrauchen Sie doch mal Ihren Verstand! Was Sie diesem Kerl alles an den Kopf geworfen haben. Glauben Sie im Ernst, dass der das einfach so runterschluckt? Der tut nur so geduldig. Der hat es faustdick hinter den Ohren. Wenn Sie schlau sind, Major ...«

      »Geben Sie sich keine Mühe! Ich werde nie mit Ihnen oder Bancroft gemeinsame Sache machen. Wir Südstaatler haben zwar den Krieg verloren, aber nicht unsere Ehre!«

      »Na, da kaufen Sie sich mal was davon!«, höhnte Mclntosh wütend.

      Inzwischen hatte Clay Scobey mit dem Spaten abgelöst. Er wusste, wie die Zeit drängte. Bei Tagesanbruch wurde es nur wenig heller. Der Wind blies von Osten, und einmal war es Clay, als wehte fernes Hufgetrappel heran. Dann schien ihm die Grube tief genug.

      Es war ein trostloses, beklemmendes Begräbnis. Schweigend senkten er und Scobey den in Decken gewickelten leblosen Körper hinab. Ebenso stumm standen Clinton und Joana dabei. Mit stockender Stimme sprach Scobey danach ein kurzes Gebet. Eine Minute später waren sie wieder mit der Kutsche nach Westen unterwegs.

      Mit jeder Meile, die die Stagecoach durch den Regen schlingerte, sanken die Räder tiefer ein. Clinton lenkte die Pferde mehr nach Norden, vom Lodgepole Creek weg. Aber das brachte nichts. Die Fahrt wurde immer langsamer, mühsamer. Nur ein frisches Gespann hätte ihnen helfen können.

      Auch Clays Brauner zeigte die ersten Anzeichen von Erschöpfung, nachdem der große Mann ein Stück auf der eigenen Fährte zurückgeritten war. Nun trieb Clay sein Pferd auf gleiche Höhe mit der Kutsche. Mclntosh lag immer noch wie ein nasser Kartoffelsack auf dem Dach. Er wurde gehörig durchgerüttelt. Aber die Erinnerung an Dave Slaughters armseliges Grab erstickte jedes Bedauern in Clay. Clinton drehte ihm das nasse, von harten Linien gezeichnete Gesicht zu.

      »Sie sind nur mehr drei Meilen hinter uns!«, rief Clay. »Was denkst du, wie weit schaffen es die Pferde noch?«

      Clinton lehnte sich zurück und stemmte sich gegen die Zügel. Die Tiere standen sofort. Während der letzten halben Stunde hatte Clinton nicht mehr versucht, sie mit der Peitsche anzutreiben. Ihre Flanken zitterten.

      »Nicht weit genug!«, antwortete Clinton rau. »Am besten sehen wir uns gleich nach ’nem Platz um, an dem wir uns verteidigen können. Ich habe dir ja gesagt, dass wir nur kostbare Zeit mit Slaughter verlieren. Na schön, ob wir’s hier oder ein Dutzend Meilen weiter westlich austragen spielt keine Rolle.«

      Er hatte viel von seiner tigerhaften Geschmeidigkeit eingebüßt, als er vom Bock kletterte. Fröstelnd stiegen die anderen aus. Ihre Mäntel flatterten. Pfützen bildeten sich zu ihren Füßen. Der Wind peitschte den Regen in schrägen Schnüren gegen das Fahrzeug.

      »Bindet mich endlich los, ihr Bastarde!«, schrie Mclntosh. »Wollt ihr mich hier oben verrecken lassen?«

      Niemand beachtete ihn. Kopfschüttelnd schaute Scobey auf die Prärie.

      »Ein Platz zum Verteidigen?«, wiederholte er Clintons Bemerkung. »Ich sehe hier nur brettebenes Land mit einem vierrädrigen Kasten darauf, in dem wir alle zur Hölle fahren werden. Ich muss verrückt gewesen sein, dass ich nicht in Julesburg geblieben bin!«

      »Das erste vernünftige Wort, das ich von Ihnen höre«, grinste Clay ihn an. Er war abgestiegen.

      Scobey grinste zurück. Seit sie in der vergangenen Nacht den Lodgepole Creek durchfurtet hatten, wirkte der Zeitungsmann verändert. Seitdem hatte er auch seinen Notizblock und den Schreibstift nicht mehr gezückt. Der Riss an seiner Wange war verkrustet. Er trug ihn wie ein Siegeszeichen.

      Rutland entfernte sich humpelnd von dem Fahrzeug. Die anderen nahmen erst an, dass er ein dringendes Bedürfnis zu verrichten hätte. Sie dachten sich nichts dabei, dass er sein Gewehr mitnahm. Da drehte sich Rutland, schon halb vom Regen verwischt, nochmals um.

      »Seht zu, dass ihr die Hügel nördlich der Kimball-Station erreicht! Dort habt ihr vielleicht eine Chance, sie abzuhängen.«

      Clay fuhr herum. »Rutland, was haben Sie vor?«

      Rutland tauchte noch tiefer in das Grau ein.

      »Verliert keine Zeit! Ich werd’ versuchen, sie eine Weile aufzuhalten. Bleiben Sie, wo Sie sind, Lorman! Es wäre zwecklos, mich zurückzuholen.«

      Betroffen starrten alle auf die gegen den Wind gestemmte schattenhafte Gestalt.

      »Machen Sie keinen Blödsinn, Mann!«, schrie Clay. »Verdammt, kommen Sie zurück!«

      »Bancroft, die fangen jetzt der Reihe nach an, durchzudrehen«, zischte Mclntosh. »Tun Sie endlich was für mich!« Er zerrte an den Stricken, mit denen er ans Dachgitter gefesselt war. Doch Bancroft verharrte ebenfalls wie gelähmt.

      Im nächsten Moment war Rutland verschwunden. Clay wollte zu seinem Pferd. Clinton vertrat ihm schnell den Weg.

      »Vielleicht klappt es. Wenn nicht, war's wenigstens ein Versuch.«

      Das Aufflammen in Clays Augen verriet, was er davon hielt. Drohend senkte er die Hand auf den Kolben seines 44er Colts. Da trat Clinton mit verkniffener Miene zur Seite. Clay schob sich an ihm vorbei. Im selben Augenblick begriff er den Fehler, den er damit machte. Die wilde Entschlossenheit in Clintons Blick wurde ihm den Bruchteil einer Sekunde zu spät bewusst. Er hörte das leise Schaben, mit dem Clintons Sechsschüsser aus der Halfter glitt. Der Schlag traf Clay im Herumwirbeln. Wie von weit her kam Joanas erstickt klingender Schrei. Dann wirbelten Funken vor Clays Augen. Sein letzter Eindruck war, dass er in einen pechschwarzen Schacht stürzte.

      Sein Kopf schmerzte heftig, als er zu sich kam. Ein pelziger Geschmack füllte seine Mundhöhle. Dann flogen die ersten Fetzen der Erinnerung durch sein Gehirn. Er bewegte sich. Sofort spürte er den Druck einer Hand auf der Schulter.

      »Still, um Himmels willen!«

      Clay öffnete die Augen. Scobeys bleiches, angespanntes Gesicht war dicht über ihm. Scobey trug noch immer seinen runden, schmalkrempigen Hut, mit dem er besser nach St. Louis gepasst hätte. Der Regen floss in Strömen über seinen Ölhautmantel.

      Clay lehnte zusammengesunken am Hinterrad der Kutsche. Sein Brauner war an diesem Rad festgebunden. Joana kauerte neben Scobey. Weiter vorn standen Clinton, Bancroft und Mclntosh. Ein Strick spannte sich zwischen den Handgelenken des Hünen. Clinton und Bancroft hielten Waffen. Auch Scobey umklammerte ein Gewehr. Die Kutsche stand zwischen moosüberwucherten Felsen. Tannen ragten düster in den grauen Regenschleiern auf. Clays Kopf schmerzte so heftig, dass er nur das Plätschern und Gluckern des Wassers hörte.

      »Reiter!«, flüsterte Scobey. »Wir haben sie gerade noch rechtzeitig gehört. Weiß der Henker, wo sie jetzt stecken! Sie können jeden Moment hier sein.«

      Clay tastete nach seiner verrutschten Halfter. Der Colt war noch da. Regenwasser lief Clays Rücken hinab. »Rutland?«

      Scobey wich seinem Blick aus.

      »Wir konnten nichts tun. Clinton ließ nicht zu, dass ihm einer folgte. Später hörten wir Schüsse ...« Er zuckte hilflos mit den Achseln. »Jetzt sind wir in den Hügeln, von denen Rutland gesprochen hat. Wir ...«

      »Ruhe, verdammt!«, zischte Clinton bei den Pferden. »Komm her, Scobey, pass mit auf, damit diese verdammten Biester nicht zu wiehern anfangen!«

      Scobey beeilte sich. Joana erhob sich ebenfalls. Nun hörte es auch Clay. Zuerst war es nur ein undeutliches Pochen im Rauschen des Regens. Dann kamen metallische Geräusche dazu. Gebissketten klirrten. Dann und wann schlug ein Hufeisen gegen blanken Fels.

      Clay stemmte sich hoch.