Im Gegenteil! Es wäre Wahnsinn, wenn wir ...«
»Irgendwann reißt auch mir die Geduld, Rutland«, warnte Clay ihn.
»Stimmen wir doch ab!«, schlug Clinton schnell vor. »Bancrofts Stimme hast du schon, Clay. Meine bekommst du auch.«
»Rutland hat trotzdem recht, dass es Wahnsinn ist«, murrte Slaughter. »Verdammt will ich sein, wenn ich die Station im Stich lasse! Das gilt auch für Joana.«
»Du irrst, Dave«, widersprach die junge Frau ruhig. »Ich werde mit Clay und Rhett über den Lodgepole Creek gehen.«
Slaughter fuhr so heftig herum, dass er die Whiskyflasche vom Tisch wischte.
»Das wirst du nicht!«
»Ich bin dir aus freiem Willen hierher gefolgt, Dave. Aus freiem Willen werde ich auch wieder gehen, wenn ich es für nötig finde.«
»Schätze, ich mache auch mit«, grinste Mclntosh schief. »Lieber ersaufe ich im Lodgepole Creek als dass ich mich von den Cheyennes an den Marterpfahl binden lasse.«
»Damit sind Sie überstimmt, Rutland«, stellte Clinton gelassen fest. »Auch Ihr Gewehr ändert nichts daran. Clay ist der Boss, bis wir über den Fluss sind. Wann soll’s losgehen, Clay?«
»Am besten gleich. Wir werden mit den Vorbereitungen alle Hände voll zu tun haben.«
Mitternacht war schon vorbei, als das Tor im Palisadenwall knarrend aufschwang. Die Wachfeuer der Cheyennes schimmerten als rote Punkte durch die Dunkelheit. Die Nacht lag wie ein schwarzer Schleier auf dem stillen Land.
»Los!«, schrie Clay und zog den Pferden vor der zweiten Kutsche die Peitsche über. Im Innern des Fahrzeugs sprühte der Funken an der Zündschnur.
Wiehernd stoben die Gäule los. Die Zügel waren um die Seitenlehne des Bocks gewickelt. Außerdem hatte Clay die Idee gehabt, eine in alte Kleidungsstücke gehüllte Strohpuppe auf dem Fahrersitz festzubinden. In der Dunkelheit konnte man sie für einen Mann halten, der das Gespann lenkte. Während die Stagecoach auf die Ebene raste, trieb Clinton das Gespann der Julesburger Postkutsche durch die Bresche in der hinteren Palisadenwand.
Slaughter saß als Beifahrer neben ihm. In der Kutsche waren Joana, Scobey, Bancroft und Rutland. Mclntosh ritt auf seinem starkknochigen Wallach voraus. Clay sprang auf seinen Braunen und schloss sich ihnen an.
Bereits beim ersten Peitschenknall war es auf der Prärie lebendig geworden. Kehlige Rufe schwirrten durcheinander. Aufs Geratewohl abgefeuerte Schüsse peitschten dem weiterbrausenden leeren Fahrzeug entgegen. Clay hängte die zusammengerollte Peitsche übers Sattelhorn und zog die Winchester 66 aus dem Scabbard. Jetzt war es nur mehr eine Frage von Minuten, bis die Liberty Station hinter ihnen in Flammen aufgehen würde. Alles hing davon ab, dass sie bis dahin möglichst viel Abstand zwischen sich und die Indianer brachten. Die Kutsche war schon bis zum Wagenschlag im Wasser, als Clay seinen Braunen in den Fluss lenkte. Die Dunkelheit hatte den voraus reitenden Büffeljäger verschluckt.
Sofort spürte Clay die Strömung. Clinton knallte heftig mit der Peitsche und schrie auf die Pferde ein. Sein Vater hatte vor dem Krieg eine Postlinie betrieben. Von daher verstand Clinton etwas von dem Job. Wenn er jetzt den Schwung nicht nutzte, kam er drüben nicht mehr heraus.
Gurgelnd drang das Wasser in die Kutsche ein. Es reichte den Tieren bis zu den Bäuchen. Clay drehte sich halb. Die Konturen der Palisaden und Dächer begannen hinter ihm zu verschwimmen. Auf der Prärie tobte schrilles Geschrei. Hufe trommelten. Dann, als die Stagecoach mitten im Lodgepole Creek war, gab es einen Donnerknall, der im weiten Umkreis die Erde zittern ließ. Der Himmel südlich der Station war jäh in gleißendes Licht getaucht.
»Fahr zu, Rhett, fahr zu!«, schrie Clay.
Das Krachen hallte nach. Die Schüsse und Schreie waren wie abgeschnitten. Schnaubend stemmten sich die Pferde ins Geschirr.
»Verdammt, wo bleibt ihr denn?«, schrie Mclntosh, der schon am Nordufer war. Buschgruppen ballten sich dort zusammen. Dahinter dehnte sich das Grasland so bretteben wie im Süden.
Der Explosionsblitz war erloschen. Da klaffte plötzlich die Wolkendecke auf. Fahle Helligkeit sickerte durch. Reiter jagten über die Ebene auf das offene Palisadentor zu. Mit wütendem Geheul drangen sie in die verlassene Station ein.
Die Gespannpferde der Concord mühten sich am anderen Ufer empor. Aber die Kutsche saß plötzlich fest. Ihre Hinterräder waren tief im Schlamm eingesunken.
»Hölle und Verdammnis, raus mit euch, raus!«, schrie Clinton verzweifelt. Die Sekunden rasten dahin. Mit jeder wurde ihr Vorsprung geringer.
Scobey, Bancroft, Slaughter und Joana sprangen aus dem Fahrzeug in das hier immer noch hüfthohe Wasser. Slaughter kletterte hastig vom Bock. Gemeinsam stemmten sie sich gegen die Räder und das Heck, während Clinton nochmals mit Peitschengeknall und Schreien die Pferde anfeuerte. Clay kam heran, sprang ab und half ihnen. Die Kutsche bewegte sich ein wenig. Mühsam drehten sich die schlammverklebten Räder. Die Sielen spannten sich zum Zerreißen. Aber da war schon wieder Schluss.
»Mclntosh, zum Teufel, komm her, hilf mit!«, rief Clinton.
Ein Bündel bleiches Mondlicht fiel auf sie. Der Fluss glitzerte und schimmerte. Von Süden, wo die Palisaden wie eine schwere Mauer über dem Ufer standen, kam ein wütender Schrei. Dann blitzte es. Fontänen spritzten hoch.
Joana schrie erschrocken auf. Clay schnellte herum. Mit einem Satz war er bei seinem Pferd und hielt wieder die Winchester in den Fäusten.
»Weiter!«, schrie er. »Versucht es nochmal!«
Drüben kamen sie schon. Ein dichtgedrängter Reiterpulk jagte durch die Lücke im Palisadenzaun in den Fluss. Clay stieß das Gewehr über den Sattel und feuerte. Die beiden vordersten Krieger stürzten von den Pferden. Ein heftiges Durcheinander entstand, das die Nachdrängenden für Sekunden behinderte. Sie schwärmten aus. Pfeile und Kugeln fauchten über den Fluss. Wieder holte Clays Schuss einen federgeschmückten, vom Mond gespenstisch angeleuchteten Krieger aus dem Sattel.
Inzwischen tauchte Mclntosh neben dem steckengebliebenen Fahrzeug auf. Vom Sattel aus griff er in die Kutsche und erwischte Bancrofts Geldkoffer. Slaughter sah es. Mit einem Wutschrei ließ er die Speichen des linken Hinterrads los, zog den Revolver und drückte ab. Doch die nass gewordene Waffe versagte. Mclntosh richtete sich im Sattel auf. Er hielt die Zügel zwischen den Zähnen, den Koffer in der Linken, in der Rechten den Colt. Joanas Aufschrei versank im Krachen des Schusses. Die Kugel stieß den Stationer gegen die Kutsche.
Mit Hackenschlägen lenkte der Büffeljäger seinen Wallach herum. Joana wollte sich an ihm festklammem, doch das Pferd stieß sie um. Da sprang Clinton vom Kutschbock auf den vorbeistampfenden Reiter. Er riss Mclntosh vom Pferd. Beide stürzten ins Wasser. Reiterlos stürmte das Tier in die Nacht davon.
Nach Luft schnappend kam Mclntosh hoch. Er hatte zwar den Sechsschüsser verloren, presste jedoch den geldgefüllten Holzkoffer gierig an sich. Nur weg hier! Das Geld retten!, war alles, was ihn jetzt erfüllte. Doch ebenso besessen war Clinton davon, ihn nicht mit der Beute entkommen zu lassen. Keuchend watete er ihm nach. Mclntosh war schon auf festem Boden, als er ihn kommen hörte, herumfuhr und zum Messer am Gürtel griff. Nicht schnell genug. Clinton knallte ihm den Coltlauf an die Schläfe. Das war auch für einen Bullen wie Mclntosh zu viel. Er stürzte wie ein vom Blitz getroffener Baum.
Das alles dauerte kaum eine halbe Minute. Währenddessen hatte Clay seine Winchester nachgeladen und schickte wieder ein Stakkato von Schüssen über den Fluss. Joana war zu Slaughter gelaufen. Verzweifelt versuchte sie, ihn festzuhalten, als die Beine ihn nicht mehr trugen. Scobey half ihr.
Von den Schüssen und dem Geschrei der Indianer erschreckt, zogen die Pferde nochmals heftig an. Die Kutsche ruckte wieder. Dann kamen langsam die Räder frei. Clinton hatte Mclntosh den Koffer entrissen. Damit war der Rausch verflogen. Er duckte sich unter den Pfeilen und Kugeln, die über den Lodgepole schwirrten. Geistesgegenwärtig griff er wieder nach den schleifenden Zügeln.
»Geschafft!«,