einem Kulturwandel beteiligen, wie er bereits eingesetzt hat: den Tod zu entmythologisieren.
Bleib also locker und halte lächelnd Distanz zum Reden der Leute.
Der Schritt in den mors voluntari, in den Freitod, ist wahrlich nicht leicht, gerade auch beim Alterssuizid nicht. Selbst wenn du das Gerede der Leute , so ein „Selbstmord“ sei doch abwegig, hinter dir gelassen hast, musst du Dir noch viel Selbstsicherheit, auch Demut (nimm Dich und Dein kleines Leben nicht so wichtig…) und Tapferkeit aneignen.
An der Debatte um den sogenannten assistierten Suizid wollen wir uns nicht beteiligen. Auch in der Schweiz, wo es Exit gibt, wird diese Debatte in aller Heftigkeit geführt. Für uns hier im Blog ist diese Debatte ein Nebengleis. Menschen, denen beispielsweise auch von ärztlicher Seite „ein unerträgliches Leiden“ eingeräumt wird (und die in Deutschland trotzdem nicht sterben dürfen, stattdessen u. U. sediert werden) betteln, so sie ihre Lage klar erkennen, um den Verzweiflungssuizid.
Bewahre Dir die Freiheit, aus eigenem Entschluss zu gehen.
Du hast ein Recht auf Leben, klar. Aus diesem Recht kann aber keine Pflicht zum Leben ableitbar sein. Unsere Bevormunder in der Suizidfrage spielen mit Tabus, mit Deinen Ängsten, auch mit Deiner Autonomie und Deinem Selbstbestimmungsrecht. Und sie stützen sich dabei unterschwellig auf den Vitaltrieb, den Selbsterhaltungstrieb, wie er sich mit aller Heftigkeit zu melden pflegt.
Ach, da fällt uns gerade ein weiser Satz des römischen Dichters Lukrez ein. “Neues Vergnügen bildet sich nicht durch längeres Leben.“ Ja, es gibt das überlange Leben. Seneca sah es bei den Toren, und er hoffte, auch diese würden noch weise werden. Bisher vergeblich.
Albert Camus meinte, „Die Frage nach dem Selbstmord ist das wichtigste philosophische Problem überhaupt.“ Warum? Weil es wirklich schwierig ist, ein Urteil (also auch emotional) darüber zu fällen, wann ein Leben „satt“ ist, wann es nicht mehr lebenswert ist. Die Menschen laufen vor dieser Frage in aller Regel davon.
Der konsequente Entschluss zum Freitod wird immer ein einsamer sein. Es ist keine gesinnungsethische Entscheidung. Da würdest du Gefolgsleute finden oder dich anschließen. Es ist eine verantwortungsethische Entscheidung. Du wirst dabei mit verkrusteten Denkweisen, Tabus, Ängsten und Verdrängungen konfrontiert, wie sie auch zäh in dir selbst leben. Von einem gelassenen Verhältnis zum Tod sind wir noch sehr weit entfernt.
Manches hier im Blog ist wenig geordnet, manches vielleicht auch unausgegoren, und es wird sicherlich auch rhetorische Wiederholungen geben. Diese Wiederholungen werden wahrscheinlich aber auch den Schreiberlingen selbst gut tun. Das Sterben kann man nicht übend lernen, weil es ein einmaliger Vorgang ist. Aber man kann sich in die Gedankenwelt eines freien und würdevollen Sterbens wiederholend mehr und mehr hineinbegeben.
2 Was ist für Dich ein würdevoller Tod?
2.1 Den freien Tod in Würde akzeptieren
Wie viele Menschen sterben in unserer Zeit einen würdevollen Tod? Die allermeisten sicherlich nicht. Wie viele Menschen bringen sich gegenseitig gewaltsam um? Viele – in Kriegen, Attentaten, Unglücksereignissen, auch durch seelische Grausamkeiten. Und überhaupt sieht es so aus, dass sich nun die gesamte Menschheit umbringen will, indem sie den Planeten unbewohnbar macht.
Es ist schon paradox, wie sich die Menschen gegenseitig umbringen und dabei über das fünfte der zehn christlichen Gebote brutal hinweg sehen, und gleichzeitig wollen sie den persönlichen Freitod nicht zulassen. Die individuelle, freie, souveräne Selbsttötung wird mit Vehemenz tabuisiert. Aber sollten wir nicht es geradezu als ein Gottesgeschenk betrachten, dass der Mensch wohl als einziges Lebewesen über diese Gabe verfügt? Seneca hat betont, es sei doch eine Freude zu wissen, dass wir als Menschen wirklich selbstbestimmt unserem Leben ein Ende setzen können.
Wir blicken auf eine Mixtur von religiösen Gewissensvorgaben, Trieben, Gemütslagen und Ängsten. Wenn du zu einem ruhigen Urteil über deine Freitodabsichten kommen willst, müssen wir diese Mixtur aufdröseln. Das macht Mühe und ist nicht einfach.
Der bisher wortgewaltigste Befürworter des freien Todes war Friedrich Nietzsche. Er konnte sich dabei auf antike Vorbilder stützen – Pythagoras, Demokrit, Epikur, einige Kyniker und Stoiker und auch Cato beispielsweise. Natürlich war er sich auch darüber im Klaren, dass wir von einer gesellschaftlichen Akzeptanz des Freitodes noch weit entfernt sind. Auch heute, 150 Jahre später, haben wir diese Akzeptanz noch längst nicht erreicht.
Das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Sterben ist ein konstitutiver Teil unserer persönlichen Würde. Eine Würde, die gemäß dem Grundgesetz der BRD auch gegen das Übliche, gegen das gesellschaftliche „Man“ (Heidegger), gilt. Es geht um ein individuelles Recht vor aller Vergemeinschaftung. Lass dich nicht einschüchtern.
Für Nietzsche war „der natürliche Tod“ kein Tod in Würde. Der Mensch erlange seine Würde erst dann, wenn er souverän von seiner eigenen Vernünftigkeit Gebrauch zu machen versteht.
Die gängige Vorstellung, ein großer Gott oder die Natur habe uns bei unserer Geburt das Leben „geschenkt“ und sie würden uns dieses Geschenk, wenn es denn an der Zeit ist, dann wieder entziehen, empfand der Philosoph des Ecce Homo als eine klerikale Bevormundung.
Auch Epikur sprach sich deutlich dagegen aus, den Tod religiös oder sonst wie aufzuladen. Solange wir da sind, ist der Tod nicht da. Und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr existent. So what? Aber Gott und die Götter? Ach, sagt Epikur, die kümmert das nicht; sie haben anderes zu tun als sich einzumischen in die Natur des ewigen Werdens und Vergehens.
Aus diesem Werden und Vergehen besteht das ganze Leben. Indem die Natur alles Leben nur als ein konkretes einzelnes Leben hervorbringt und auch einzeln und individuell beendet, zeigt sie uns ihre tiefe Weisheit und ihr Vermögen.
Der Tod ist immer ein einzelner Tod und als solcher vollkommen vernünftig und sinnvoll. Du bist angehalten, dazu ja zu sagen und deine Sterblichkeit demütig zu akzeptieren. Es ist auch nichts sonderlich Heroisches dabei.
In seiner Fähigkeit zum Freitod zeigt sich allerdings für den Menschen etwas ganz Besonderes. In einer singulären Verantwortung bezüglich seines Lebens und seines Lebensendes, in dieser besonderen Autonomie, offenbart sich eine einzigartige Würde. Dieser Würde und dieser Verantwortung gerecht zu werden ist schwer. Du musst besonnen, demütig und tapfer sein.
2.2 Das Lebensende
Ist ein Kunststück zu dem nur wenige in der Lage sind.
2.3 Die Freiheit im mors voluntari
Unablässig ist sie im leeren Gerede, die Freiheit. Doch du willst, dass es sie auch sinnvoll gäbe?
Die Freiheit „von“ wird ja gerne eingeklagt, als Willkür. Die Freiheit „zu“ wird gern vertagt. Verantwortung würde uns dabei quälen.
Lästig, lästig.
So kommt es dann gar zu einem Freiheitsverbot, - auch dort, wo es die freie Verantwortung doch gäbe, beim freien Tod.
Du sollst hier nicht frei wählen. Schauerliches vom Tod wird man erzählen.
Im Sterben seist du aller Verantwortung beraubt. Wie falsch! Wohl dem, der auf sich selbst vertraut.
2.4 Erasmus von Rotterdam
Wer aber waren vornehmlich diejenigen, die sich aus Lebensüberdruss selbst den Tod gaben? Waren es nicht die Freunde der Weisheit? … Ihr seht wohl nun, was geschehen würde, wenn der Durchschnittsmensch sich einfallen ließe, weise zu sein." Zitiert nach Svenja Flasspöhler, Gibt es einen guten Tod? Philosophie Reclam 2018, die die Frage anfügt, "Was wenn der Suizid ein durch und durch vernünftiger Akt wäre? Welche Folgen hätte dies ganz praktisch?" Siehe dazu auch LF 3 Das Gesellschaftsargument, dort besonders die von Robert Spaemann hervorgehobenen Ängste.
2.5 Dem Tod rational und gelassen ins Auge sehen
Es gibt viele gute und vernünftige Gründe, mit deren Hilfe wir der unmittelbar