Harry Paul

Plauderei über natürliche und künstliche Intelligenz


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Gelegenheit auch gleich die Macht an sich zu reißen. Das dominante Männchen der Gruppe ist daher über den Anblick eines solchen Außenseiters alles andere als erfreut. Als dieser von seinem Baum herunterkletterte und sich anschickte, das offene Land in Richtung auf die Baumgruppe zu überqueren, in der sich die Affen aufhielten, griff der Chef zu einer List. Er stieß nämlich den allen bekannten vertrauten Laut aus, der Leopardenalarm signalisiert. Der Eindringling schoss wie erwartet zurück auf den sicheren Baum. Das Spiel wiederholte sich ein zweites Mal. Doch dann beging der Chef einen entscheidenden Fehler. Er stieß den Warnruf aus, während er selber über die freie Fläche spazierte. Damit hatte er jedoch den Bogen überspannt. So dumm kann man doch wohl nicht sein zu glauben, dass sich jemand derartig leichtsinnig der Gefahr aussetzt, von einem Leoparden gefressen zu werden, das war so ungefähr das, was dem Eindringling durch den Kopf ging. Moral der Geschichte: Lass dich beim Lügen nicht ertappen! (Das gilt im besonderen für fremdgehende Ehemänner.)

      Um mit einer Lüge durchzukommen, ist es oft nötig, sie durch eine weitere Lüge “abzustützen“. Auf diese Weise entsteht dann manchmal ein kunstvolles Lügengebäude, das von der Intelligenz seines Schöpfers, beispielsweise eines Hochstaplers oder eines Heiratsschwindlers, zeugt. Allerdings bleibt es immer ein fragiles Gebilde. Es bricht zusammen, wenn nur ein einziger Baustein herausfällt. Oft genügt schon ein dummer Zufall, mit dem der Konstrukteur nicht rechnen konnte, alles Erreichte zunichte zu machen. Aber man kann eben nicht an alles denken!

      Beispielsweise scheiterten in der ehemaligen DDR untergetauchte RAF-Terroristinnen daran, dass ihnen ihre neuen Arbeitskollegen und Bekannten nicht abnahmen, dass sie seit jeher in der DDR gelebt hätten. Der Grund war, dass sie einige DDR-spezifische Vokabeln nicht kannten. – Nichtsdestoweniger bleibt die Lüge und ihre Widerlegung ein zentrales Thema der Strafjustiz.

      Uber die bloße Lüge hinaus geht die Entwicklung intelligenter Strategien durch Kriminelle. So muss man es beispielsweise als eine besondere Intelligenzleistung würdigen, wenn Lücken in Gesetzen, insbesondere Steuergesetzen, aufgespürt und konsequent ausgenutzt werden. Und wir erinnern uns auch gern an Dagobert. Wie er die Polizei an der Nase herumgeführt hat, war schon wirklich bewundernswert.

      Hohe Anforderungen an die Intelligenz stellt auch das Doppelleben, das Spione häufig führen müssen. Wie weit das gehen kann, zeigt der Fall des Atomspions Klaus Fuchs. Er bekannte, dass er vor seiner Enttarnung in einer Art selbsterzwungener Schizophrenie lebte. Sein Bewusstsein war säuberlich in zwei Bereiche getrennt: Der eine betraf seine (angesehene) soziale Stellung im Kreis seiner Kollegen (bezeichnenderweise konnte es von denen zuerst keiner glauben, dass er zum Verräter geworden sein sollte) mit all den zwischenmenschlichen Beziehungen, wie sie sich normalerweise entwickeln, während der andere seiner Spionagetätigkeit Vorbehalten blieb. Dass es ihm gelang, diese Spaltung über Jahre hinweg durchzuhalten, ist sicher eine beeindruckende intellektuelle Leistung.

      Es gibt jedoch eine Form der Lüge, die wir bedenkenlos verwenden, ja des öfteren für moralisch gerechtfertigt oder sogar notwendig erachten. Ich meine die Lüge aus Höflichkeit. Wie heißt es doch in Goethes “Faust“? “Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.“ (Ich denke allerdings, dass man dieses Problem in jeder Sprache hat.) Oft lügen wir aber auch aus Mitgefühl. Wo kämen wir denn hin und was könnten wir anrichten, wenn wir dem (der) anderen immer die “reine Wahrheit“ ins Gesicht sagen würden? Etwa über das Aussehen oder die Heilungschancen bei einer schweren Krankheit. Tatsächlich muss man, um ein Zusammenleben zu ermöglichen, seine wahre Meinung oft verbergen. Aber es existiert eine Art “Grauzone“, in der Sachverhalte nur angedeutet werden. Man überlässt es dann dem Gesprächspartner, “sich seinen Teil zu denken“. Das gilt seit eh und je auch in der Politik. Dort spricht man von Diplomatie, und die Kunst besteht darin, den anderen “zwischen den Zeilen lesen“ zu lassen.

      Dazu noch ein Beispiel für eine ungewöhnliche Form der Höüichkeit! Der Däne Niels Bohr war nicht nur einer der Großen der Physik, sondern zugleich ein großartiger Mensch. Er hatte sein Institut in Kopenhagen zu einem Mekka für junge Theoretiker gemacht, und er wurde von ihnen geliebt wie kein anderer Lehrer. (Bei einem Besuch der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften antwortete er auf die Frage, wie es ihm gelungen sei, eine so erstklassige Schule von Physikern aufzubauen: ”Vermutlich, weil es mir niemals etwas ausgemacht hat, meinen Studenten zu gestehen, dass ich ein Esel bin.“) Und er praktizierte eine ausgesuchte Form von Höflichkeit. So vermied er es grundsätzlich, eine wissenschaftliche Arbeit, von der er nichts hielt, als falsch zu bezeichnen. Statt dessen pflegte er zu sagen: “Das ist interessant“ mit der Steigerungsform “Das ist sehr interessant“. Alle wussten Bescheid, wie es gemeint war, aber der Vortragende konnte “sein Gesicht wahren“. Im Gegensatz zu Bohr war der geniale Physiker Wolfgang Pauli ein Zyniker. Er erfand als vernichtendes Urteil über eine Arbeit die Formulierung: “Das ist ja noch nicht einmal falsch! “

      Humor

      Zweifellos zeugen Witze und Anekdoten von menschlicher Intelligenz. Ihre Pointe beruht auf einem Verblüffungseffekt. Im Zuhörer wird eine bestimmte Erwartung erweckt, und dann kommt es ganz anders. Hierzu ein paar Beispiele!

      Lord Fox sagt zu seinem Sohn: “Ich verstehe nicht, wie du bei deinem riesigen Schuldenberg noch ruhig schlafen kannst.“ Darauf antwortet der Sohn: “Euer Lordschaft können ganz beruhigt sein. Ich wundere mich eher, wie meine Gläubiger noch ruhig schlafen können. “

      Der letzte sächsische König mischte sich gern unter das Volk (was ihn sehr behebt machte). Eines Tages lässt er sich von einem Dorfbarbier rasieren. Als er Seine Majestät vor sich sitzen sieht, befällt den Barbier ein Zittern, und prompt schneidet er dem König in die Haut. Der kommentiert das mit den Worten: “Das kommt vom vielen Saufen.“ Darauf der Barbier: “Ja, davon wird die Haut so spröde.“

      Kaiser Franz Joseph kommt in eine polnische Kleinstadt und besucht dort auch das Gefängnis. Einem Häftling erklärt er großmütig: “Ich erlasse dir Hälfte deiner Strafe.“ Nach seiner Abreise stehen aber die Behörden vor einem Problem, der Mann hat nämlich “lebenslänglich“. Da sucht man schließlich Rat beim Rabbi. Der fällt eine weise Entscheidung: “Sperrt ihn abwechselnd einen Tag ein und lasst ihn einen Tag frei! “

      Ein schon in die Jahre gekommener Professor sagt eines Tages zu seinen Mitarbeitern: “Es ist ja bekannt, dass im Alter die geistige Leistungsfähigkeit nachlässt. Das Problem ist dabei, dass man es selber nicht merkt. Wenn Sie also einmal so etwas bei mir bemerken sollten, kommen Sie doch zu mir und sagen mir Bescheid.“ Nach einiger Zeit meinen die Mitarbeiter, es wäre jetzt so weit. Sie gehen also zu ihrem Chef und beginnen: “Herr Professor, Sie haben uns doch seinerzeit gesagt, wenn wir einmal bei Ihnen merken sollten“ Da unterbricht er sie: “Ja, kommen Sie ruhig, wenn’s einmal so weit ist! “

      Anfrage an den Sender Jerewan: Wird es im Kommunismus noch Geld geben? Antwort: Nur noch.

      Gorbatschow erzählte gern den folgenden Witz. Eine große Schlange vor dem Wodka-Laden. Es geht und geht nicht voran. Einer verliert die Nerven, springt aus der Reihe und ruft: “Ich bringe den Kerl jetzt um! “ Nach einiger Zeit kommt er wieder und reiht sich brav wieder ein. Da fragen ihn die anderen: “Wie war’s denn? “ Er antwortet: “Dort war die Schlange noch länger! “

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