die armen Teufel nach den Nordstaaten durchschleusten. Jahrelang half Dad den Sklaven, die auf seltsam geheimnisvollen Wegen erfuhren, dass mitten im Moor auf der Teufelsinsel Hilfe für sie durch einen weißen Mann gebracht wurde. Dad verschwendete für seine Hilfeleistungen viel Zeit, und die Ranch wurde dadurch etwas vernachlässigt. Er ließ sich in seinem Tun nicht stören und nahm es in Kauf, dass die Ranch wenig abwarf. Des öfteren sagte er zu mir, dass wir genug hätten zum Leben und den armen Teufeln ruhig helfen könnten. Kein Wunder also, dass er sich wenig um geschäftliche Dinge kümmerte und es versäumte, das Land, auf das er die Ranch gebaut hatte, ins Grundbuch eintragen zu lassen. Er sagte zu mir, dass vor Gott alle Menschen gleich seien und dass niemand das Recht habe, sich Menschen einer anderen Rasse zu kaufen und sie als Sklaven zu halten.“
„Der Tod deines Vaters vernichtete die Hoffnungen vieler Menschen, Dan?“
„Ja, Lee“, erwiderte Dan nachdenklich. „Irgendwie musste es durchgesickert sein, was er für die Verlorenen tat. Niemand war da, der ihn auf das Gesetz aufmerksam machte, das die Eintragung ins Grundbuch verlangte. Stuart Jugens hatte seine Hände im Spiel. Der einstige Partner hatte sich als Gegner entpuppt und ihn um alles gebracht. Stuart Jugens suchte in der Zeit, da man mich zum Tode verurteilte, die Teufelsinsel und musste sie auch gefunden haben.“
„Du hast deinen Vater zu der Insel begleitet?“
„Ja“, beantwortete Dan die Frage von Paul Millard. „Ich war der Vertraute meines Vaters. Sein Tod schlug mir eine Wunde, die nie wieder heilen wird.“
Dan Flemming schwieg. Paul atmete schwer, dann sagte er zu Lee:
„Bruder, Dans Vater hatte uns manches voraus. Eins ist sicher, wenn wir uns mit ihm vergleichen und uns selbst betrachten, sind wir richtige Barbaren gegen ihn. Wir können unserem Dan nicht den Vater ersetzen. Eins aber können wir, ihm helfen.“
„Reiten wir weiter“, sagte Lee, der nicht auf Pauls Worte einging. „Vertrauen wir uns Dan an, und wenn uns auch nicht geheuer bei diesem Ritt ist.“
Der See wurde kurz darauf sichtbar, und hart am Ufer ging der Ritt weiter, bis wieder die dichten Büsche über ihnen zusammenschlugen und die Schwärze der Nacht die Sicht einengte. Der Boden
wankte unter den Hufen der sich vorsichtig vorwärts tastenden Pferde. Die Hufe der Tiere sanken mit einem eigenartig klingenden saugenden Geräusch bis auf den Knüppeldamm ein, den die Sklaven vor langen Jahren angelegt hatten. Die Mückenplage wurde stärker. Wolken von ihnen machten sich über Pferd und Reiter her. Wenn man sich ihrer erwehrte, klebten die Hände vom eigenen Blut. Insektenjagende Fledermäuse schwirrten dicht an den Reitern vorbei und schienen mit ihren ausgebreiteten Schwingen die Hüte der Männer fast zu berühren.
„Man hat in der Tat einen Vorgeschmack der Hölle, und kein Wunder daher, dass man die Insel Teufelsinsel getauft hat“, sagte Lee. „Dieser Jim Jugens hat sich für Kan Palmer einen höllischen Aufenthaltsort ausgesucht. Ich frage mich, wie ein Mensch einem anderen Menschen so etwas antun kann! In wenigen Tagen haben die Mücken Kan Palmer sicherlich auf gefressen.“
„Die Plage ist auf der Insel zu ertragen“, gab Dan Auskunft. „Immerhin, ein Mensch kann trotz alledem zur Not hier leben. Es gibt essbare Früchte und sogar etwas Wildbret. Man kann sich dort schon durchschlagen. Aber nicht die Verpflegung ist das Schlimmste, weitaus schlimmer ist die Einsamkeit und das Alleinsein oder aber die Tatsache, dass man so bald keinen Weg durch das Moor zum Festland findet. — Jetzt müssen wir in ein Versteck gehen und auf die Rückkehr von Jim Jugens’ Trupp warten. Wenn wir jetzt weite reiten, könnten wir auf die von der Insel zurückkommende Meute treffen.“
Dan sprang vom Pferd, und seine Begleiter folgten seinem Beispiel. Wenig später führten die drei Männer ihre Pferde hinter sich her über einen kleinen Seitenpfad, durch verfilztes Gestrüpp, das hinter den Pferden zusammenschlug. Sie gelangten zu einer verfallenen Hütte, die aus Knüppeln errichtet worden war. Hier wollte man die Rückkehr der Meute abwarten.
„Von hier aus startete der Sklave, der zuerst die Insel entdeckte, seine Hilfsaktionen für andere entflohene Sklaven. Von hier aus gingen die armen Teufel zur Jagd im Moor, und es war immer erstaunlich, wie sie sich mit ihren primitiven Mitteln Nahrung besorgten. Trotzdem hatten sie oft nichts zu essen. Dazu lebten sie in ständiger Angst, dass ihnen ihre Zufluchtsstätte genommen werden könnte.“
„Kein Wunder, Dan, dass du dir diese Zustände tief im Inneren gemerkt hast“, sagte Paul. „Nach allem, was ich jetzt aus deiner Vergangenheit weiß, verstehe ich, wie sehr du das Unrecht hasst, wie sehr du aber auch das Leben achtest und dich scheust, den Tod aus dem Revolver zu jagen und dir jede Kerbe weh tut, die du in deinen Revolverkolben geschnitten hast. Dein Vater war dir ein guter Lehrmeister, Dan. Deinetwegen braucht er sich im Grab nicht umzudrehen, deinetwegen hätte er Frieden.“
Dan Flemming antwortete nicht darauf. Er ließ sich auf einem Baumstumpf nieder und legte die Hände mit den Zügelenden in den Schoß. Seine beiden Begleiter ließen sich ebenfalls nieder. Alle drei warteten sie auf die Rückkehr von Jim Jugens und seiner hartgesottenen Mannschaft.
Langsam, unendlich langsam dehnte sich die Zeit. Das Warten fiel schwer. Sie nützten die Zeit, um einige Biskuits zu essen. Die Erregung war aber so groß in ihnen, dass sie kaum schmeckten. Die Pferde versuchten sich der Mücken durch Zucken mit dem Fell und Schlagen mit dem Schwanz zu erwehren. Dünn sickerte das Mondlicht durch die dicht wuchernden Büsche. Dan saugte tief die Luft ein. Jetzt fühlte er sich daheim, magisch mit der Vergangenheit verknüpft. Die Erlebnisse der Jugend kamen wieder in seine Erinnerungen. Hier war es gewesen, wo der Vater ihm die Angst vor der Nacht und vor der Dunkelheit genommen hatte, wo er zum ersten mal gefühlt hatte, wie mächtig das Leben in ihm pulsierte.
„Sie kommen“, hörte er Paul sagen. Pauls Worte schreckten ihn aus seinen Gedanken und ließen ihn augenblicklich in die Gegenwart zurückfinden.
„Halten wir den Pferden die Nüstern zu“, sagte er. Alle drei erhoben sich, um ein Wiehern und Schnauben ihrer Pferde zu verhindern. Stärker schwoll das Geräusch der zurückreitenden Kavalkade an, um dann langsam zu verebben. Die drei Partner verließen ihre schützende Deckung, um den Ritt fortzusetzen. Bald befanden sie sich wieder auf dem stark schwankenden Knüppelpfad auf dem Marsch zur Teufelsinsel, die wie eine Oase mitten im Sumpfgebiet lag.
Aus moorigem Grund stiegen Blasen auf. Nebelschleier wogten aus fauligem Laub und trügerischem Boden. Blaue Lichter huschten gespenstisch aufleuchtend über die Moordecke. Es war eine fremde, feindliche Welt, die zwar noch an das Präriebuschland erinnerte, aber so ganz und gar anders war. Das menschenfeindliche Land wurde ängstlich gemieden. Jeder Schnitt vorwärts schien ein Risiko zu sein, das in den Tod führte.
Dan ritt an der Spitze, seine beiden Begleiter hielten sich dicht hinter ihm. Der starke Modergeruch nach faulem Holz und verwesenden Pflanzen nahm ständig zu. Ein Uhu ließ seinen unheimlich klingenden Ruf erschallen. Der Schweiß trat den Männern aus und klebte ihnen das Hemd auf den Rücken.
Zum Glück machten die Pferde keine allzu großen Schwierigkeiten. Sie mochten wohl spüren, dass ihnen nichts Arges geschehen konnte. Längst waren die Männer abgesessen und führten die Tiere hinter sich her. Als der Knüppelpfad unter ihren Hufen fester wurde, ließ auch die Nervosität der Tiere nach. Blacky gab ein erleichtertes Schnauben von sich, in das seine beiden Artgenossen einstimmten. Als der Weg ganz fest wurde, bewegte man sich durch ein Blumenmeer von blühenden Azaleen.
„Wir sind am Ziel“, meldete Dan, „wir sind auf der Teufelsinsel. Sie hat einen Durchmesser von etwa sieben Meilen. Ich denke, dass man Kan Palmer zu den Behausungen geschafft hat, die sich einst die Sklaven erbauten. Vorwärts also Männer, bevor ihn die Verzweiflung zu einer unüberlegten Handlung treibt.“
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