wie Peter Sellers, Ernie Kovacs und sogar Steve Allen arbeiteten an der Grenze zum Surrealen. Auf der lokalen Ebene ging es sogar noch freakiger zu. Bevor man die Fernsehindustrie unter einem großen Hut vereinte und dabei homogenisierte, gab es im ganzen Land regionale Programme bei Lokalsendern. In Arizona war eine winzige TV-Show namens The Wallace and Ladmo Show besonders angesagt, in der sie Sketche und Zeichentrickfilme brachten. Meine Güte, sie fütterten uns täglich aus einem riesigen Kessel des Wahnsinns.
Wallace, der Normale, trug eine Beanie-Mütze mit einem Propeller. Ladmo spielte den blöden Sidekick, trug einen viel zu großen Hut und eine gepunktete Krawatte. Wallace’ und Ladmos Sketche waren überirdisch gut. Natürlich passierten einige unglaubliche Pannen – Requisiten funktionierten nicht, oder Schauspieler vergaßen den Text –, doch was mich anbelangte, konnte es bei der Show gar kein Malheur geben. Die beiden machten sich eine Katastrophe zunutze und blieben letztendlich Sieger. Im Grunde genommen wurde es noch witziger, je mehr Missgeschicke vorkamen!
Eines Tages nahm Vince seinen ganzen Mut zusammen und wählte die Nummer des Senders KPHO. Wallace nahm den Anruf höchstpersönlich entgegen. Vince erzählte ihm von den Earwigs und dass wir gerne in der Show auftreten würden.
„Na klar“, meine Wallace großzügig. „Ich werde euch mit einbeziehen.“
Während der nächsten Wochen beschäftigten wir uns nur noch mit der Vorbereitung der uns zugestandenen zwei Songs. Vince bemalte das Fell von Johns Bass-Drum. Wir trugen schwarze Rollkragenpullover und dazu passend goldene Cordsamt-Jacketts ohne Kragen. Trotzdem gelang es uns, noch gammelig auszusehen.
An dem Tag, an dem die Band das Fernsehstudio betrat, sahen wir voller Überraschung Wayne Newton. Er war ein junger Sänger aus der Gegend, der sich auf alte Standards spezialisiert hatte und uns beim Aufbau beobachtete.
„Stellt euch eng zueinander“, riet uns der zukünftige Mr. Las Vegas mit seiner samtweichen hohen Stimme. „Das hat auf dem Bildschirm eine bessere Wirkung.“ Allen war klar, dass er wusste, wovon er sprach, denn wir hatten schon die Newton Brothers bei Lew King Rangers gesehen.
Da standen wir also, vor unserer Nase die Aufzeichnungskameras, so groß wie Luftschiffe. Als sich Schweinchen Dick verabschiedete („Th-th-that’s all, folks!“) wurde uns kurz und bündig das Prozedere erklärt, und schon donnerten die nervösen Earwigs in das erste Stück. Wir waren so aufgedreht, dass die Nummer einem schnell laufenden Charlie-Chaplin-Film glich. Das zweite Stück verwirrte uns so sehr, dass wir aufhören mussten. Glücklicherweise rettete uns Vince, indem er in die Kamera winkte und „Yabbada-yabbada, that’s all, folks!“ intonierte.
Die Beleuchtung wurde abgedimmt. Unsere Herzfrequenzen näherten sich wieder dem unteren Hunderterbereich an. Wayne schritt locker-lässig an uns vorüber und sagte: „Gut aus der Affäre gezogen.“
1964. Längere Haare waren angesagt. Dadurch wurden wir für die strengeren Lehrer und ihre „Spitzel“, die Flur-Aufsichten, die uns nur allzu gerne verpetzten, zu geeigneten Angriffszielen. Jeder Typ mit langen Haaren musste ganz einfach ein Drogenfresser sein. Was noch hinzukam und die Situation verschlimmerte: Ganz Arizona schien voller mieser Typen zu stecken, denen es einzig und allein darum ging, sich an den Wochenenden bis zum Schielen volllaufen zu lassen und dann andere zu vermöbeln. Einige Langhaarige grün und blau zu schlagen, schien daher ein nettes Freizeitvergnügen zu sein.
Die Parkplätze der Teenager-Clubs verwandelten sich in regelrechte Schlachtfelder. In unserem Fall klappte es aber nicht immer mit dem blöden Anmachspruch der Cowboys: „Bist du ein Junge, oder bist du ein Mädchen?“ Einige der Typen lagen Sekunden später auf dem Boden, alle viere von sich gestreckt und mit blutigen Zähnen, während unser athletischer Freund John Tatum mit einem teuflischen Grinsen über sie gebeugt stand. Auch Glens Fäuste richteten einigen Schaden an.
Wir waren noch nicht so alt, dass uns die Eltern erlaubt hätten, diese Läden zu besuchen, hatten aber schon viel vom beliebtesten Club in Phoenix gehört, der VIP Lounge. Eines Abends tauchten wir dort unangekündigt auf und stellten uns dem Besitzer Jack Curtis vor, der sich zu einem Vorspielen überreden ließ. Jacks Stil ähnelte ganz und gar dem des höchst sympathischen Dick Clark.
Am nächsten Tag hörte er sich nur einige Stücke an und engagierte uns sofort. Doch der Bandname musste seiner Meinung nach gestrichen werden.
„Wir hätten es ohne den Namen nicht so weit gebracht“, warf Glen ein.
„Und wie wäre es mit Spiders?“, schlug Jack vor. „Das hört sich auch im Radio gut an.“
„The Spiders!“, frohlockte Vince. „Ist immer noch ein Insekt. Ich mag es.“
Jack schlug einen neuen, zum Namen passenden Bühnenaufbau vor, der „Spider Sanctum“ [dt. „Das Sanktuarium der Spinne“] heißen sollte.
„Ich habe zwar nicht die leiseste Idee, wie das aussehen soll“, sagte Jack, „doch wir werden es uns zurechtzimmern.“ Einige Tage später traf sich die Band im VIP zum Bau der großartigen Bühnendekoration. In unserem Arbeitseifer ähnelten wir einem Rudel Schimpansen. Mr. Ward, der Dad, der die Guillotine gebaut hatte, kam mit einem Transporter voller Holz. Sogar Mr. Furnier und Mr. Buxton rafften sich auf, um einige Tipps der hohen Ingenieurskunst vom Stapel zu lassen.
Ähnlich wie bei der Das Pendel des Todes!-Tanzveranstaltung auf der Cortez nutzte man Wäscheleinen zur Darstellung von Spinnenweben. Ich malte eine gigantische Spinne auf Johns Bass-Drum-Fell. Glen fand einen mit Pailletten bestickten funkelnden Teppich in verblassendem Braun, den er am Bühnenhintergrund befestigte. Er nannte ihn „Die große Scheißeritis“. Ich befestigte einige Spots in Indigo und Magenta. Wir gingen ein paar Schritte zurück und bewunderten die Höhle der Verdammnis.
Jack hatte sich zwischenzeitlich um einige Radio-Jingles gekümmert, in denen er mit einem Echo „Das Spider Sanctum-sanctum-sanctum“ ankündigte.
Zu diesem Zeitpunkt machten wir eine bedeutende musikalische Entdeckung. Glen besuchte mich und brachte das Yardbirds-Album For Your Love [Compilation mit den Gitarristen Jeff Beck und Eric Clapton] mit. Die Gitarre brachte die einzelnen Songs zum Explodieren. Schneidende Triolen unterstützten die Hauptmelodie und verschwanden mit einem Echo, als glitten sie durch einen Canyon. Glen und ich konnten es gar nicht erwarten, den anderen davon zu erzählen, entschieden uns jedoch zuerst zum Erlernen einiger Songs. Wir verbrachten den Nachmittag damit, die einzelnen Teile abzuhören, hoben die Nadel von der Vinyl, setzten sie wieder auf und spielten jeden Part so lange, bis wir ihn draufhatten. Besonders eine Nummer, ein Song von Mose Allison mit dem Titel „I’m Not Talking“, erforderte unzählige Wiederholungen.
Später, als wir Vince die Scheibe vorspielten, lernte er die Mundharmonika-Parts von Keith Relf recht zügig. Die nasalen Teenager-Stimmen der beiden ähnelten sich, ja, stimmten fast überein.
Da uns eine Gage vom Horizont aus anblinzelte, gingen wir ins Arizona Music Center und kauften neue Fender-Verstärker. Glen legte sich seine Traum-Gitarre zu, eine Gretsch Chet Atkins Tennessean, eine Halbakustik mit einem Single Cut-Out. Vince erwarb Mundharmonikas für alle Tonarten, wobei er nicht auf die schicken chromatisch angelegten abzielte, sondern auf die 3-Dollar Hohner Marine Bands, die auch Paul Butterfield benutze. Er behauptete, die Blues-Noten klängen auf billigen Harps besser. Er stand darauf, „Harps“ zu sagen.
Ich war der stolze Besitzer eines nigelnagelneuen Fender-Bassman-Amps mit zwei hochbelastbaren 12“-Lautsprechern. Der Verstärker roch sogar noch neu. Mir lief ein kalter Schauder den Rücken runter, als mir die voluminösen fetten Noten entgegenschallten. In meiner Vorstellung machte mich allein schon der Amp zu einem waschechten Profi.
Jack schwebte die Idee vor, in seinem Club Nonstop-Entertainment zu präsentieren. Für die Hauptbühne plante er Headliner wie die Byrds oder die Lovin’ Spoonful. Nach deren Auftritten musste sich das Publikum nur umdrehen und sah schon in das dunkle und düstere Spider Sanctum am anderen Ende.
Als die Premiere an einem Freitagband immer näher rückte, stellten wir uns die Ankunft in Limousinen vor. Die Realität? Stattdessen quetschten wir uns an dem Abend in einen Mercury 1956. Da wir vier Stunden zu früh aufliefen, gingen