Alfred Bekker

Krimi Sammelband 4005: Frohes Mörderfest - 4 Thriller in einem Band


Скачать книгу

starke Migräne und habe mich hingelegt. Ich überließ es meiner Frau, Sie zu empfangen.“

      Katharina wandte sich der Gastgeberin zu.

      „Stimmt das, Frau Wuttke?“

      „Aber ... ich ...“ Sie nahm sich zusammen und versuchte, ihre Mimik zu beherrschen. Dann richtete sie sich gerade auf und antwortete hoheitsvoll wie eine Königin: „Das ist absolut richtig. Felix litt unter starker Migräne.“

      Katharina war davon überzeugt, dass sie nicht die Wahrheit sagte, sondern lediglich versuchte, ihren Mann zu decken. Außerdem war es unverkennbar, dass diese Frau nicht überzeugend lügen konnte. Im ersten Moment war die Detektivin versucht, Felix Wuttke mit Fragen zu überschütten, umso möglicherweise sein Alibi platzen zu lassen, aber dann änderte sie ihren Plan. Kerstin schien sich vorgenommen zu haben, ihren Mann unter allen Umständen zu verteidigen. Vielleicht war es besser, die beiden getrennt zu verhören.

      Unvermittelt richteten sich alle Augen auf Elisa Colditz. Sie war in einem Stuhl zusammengesunken und stieß plötzlich ein verzweifeltes Schluchzen aus. Die Tränen hinterließen helle Spuren in ihrem sorgfältig geschminkten Gesicht. Automatisch griff sie hinter sich, um nach ihrer Handtasche zu suchen, die sie anscheinend irgendwo liegengelassen hatte, während sie auf die Gruppe zugelaufen war. Katharina näherte sich der Frau und reichte ihr ein Papiertaschentuch. Mit gesenktem Kopf griff Elisa Colditz danach und begann sich vorsichtig das Gesicht abzutupfen.

      „Es ... ist ... nicht möglich“, stammelte sie unter Tränen. „Dietrich hätte so etwas nie getan.“

      „Ich möchte Ihnen gerne glauben“, sagte Katharina. Gleichzeitig dachte sie an den Grund, den Dietrich Colditz ihr für seine Anwesenheit in Zerbans Wohnung genannt hatte. Deshalb beschloss sie, mit ihr zu einem anderen Zeitpunkt über ihre Untreue zu reden. Sie wollte die junge Frau nicht vor den anderen Gästen bloßstellen. Katharina beugte sich über sie und berührte leicht ihren Arm.

      „Kommen Sie! Wir gehen jetzt.“

      Sie warf der Detektivin einen erstaunten Blick zu. Auf ihren Wangen lag noch eine Spur Wimperntusche, die der Tränenstrom dorthin gespült hatte.

      „Wo ... wohin gehen wir denn?“

      „Zu Ihnen nach Hause. Sie werden für Ihren Mann eine kleine Tasche packen. Er braucht sie, denn die Polizei wird ihn nicht so schnell freilassen. Ich werde Sie anschließend zum Landeskriminalamt bringen.“

      Ein dankbares Lächeln huschte über ihre Züge. Sie wusste, dass dies der einzige Liebesdienst war, den sie ihrem Mann im Augenblick erweisen konnte.

      „Sie haben recht. Beeilen wir uns. Dietrich braucht mich bestimmt.“

      Katharina blickte zu Stollberg hinüber. In seinen Augen las sie, dass er ihre Absicht verstanden hatte. Er war sich vollkommen im Klaren darüber, dass es der Detektivin viel eher gelingen würde, von dieser Frau brauchbare Informationen zu erhalten, wenn sie mit ihr allein war. Nachdem er ihnen einen guten Abend gewünscht hatte, entfernte er sich. Kerstin Wuttke konnte ihre Überraschung jedoch nicht verbergen.

      „Sie wollen wirklich schon gehen?“, fragte sie.

      Katharina nickte. Keiner der Gäste hielt es für angebracht, ihr oder Elisa Colditz fröhliche Weihnachten zu wünschen, als sie das Haus verließen. Die junge Frau ging zu ihrem Wagen. Nachdem sie sich hinter das Steuer gesetzt hatte, überlegte sie es sich plötzlich anders.

      „Würden Sie fahren, Frau Ledermacher? Ich bin so nervös, dass ich bestimmt einen Unfall verursache.“

      „Also gut“, gab Katharina zurück und setzte sich an ihren Platz.

      Schon wenige Minuten später hatte sie sich von dem unvorhergesehenen Schlag wieder erholt. Mit beherrschter, ruhiger Stimme, beschrieb sie Katharina den Weg, den sie fahren musste, um zu der Villa der Colditz‘ zu gelangen. Vor dem Haupteingang hielt die Detektivin das Fahrzeug an, doch Elisa bat sie, noch ein paar Schritte weiter bis zur Garage zu fahren.

      Dort drückte sie auf einen Knopf am Armaturenbrett. Langsam hob sich das Garagentor in die Höhe, während drinnen automatisch das Licht anging. Katharina fuhr den Wagen hinein. Sobald sie im Inneren waren, drückte die junge Frau wieder auf den Knopf, und das Tor schloss sich hinter ihnen. Elisa stieß eine kleine Tür auf, die in den Garten führte. Katharina folgte ihr. Sie gingen den Kiesweg entlang. Elisa holte einen kleinen Schlüssel aus der Handtasche und sperrte die schwere Eichentür auf. Drinnen knipste sie das Licht an und bat Katharina einzutreten. Dann öffnete sie eine zweite Tür auf der rechten Seite. Sie führte ins Wohnzimmer, in dem Möbel aller Stilrichtungen bunt zusammengewürfelt waren.

      „Ich kann nicht im Abendkleid ins Landeskriminalamt fahren. Würden Sie wohl einen Augenblick auf mich warten, während ich nach oben gehe, um mich umzuziehen? In dem Barschrank unter dem Fenster finden Sie etwas zu trinken.“

      Katharina nickte zustimmend und trat ins Wohnzimmer, während die Frau mit klappernden Absätzen die Treppe hinauflief. Der Raum wurde allem Anschein nach auch als Arbeitszimmer benutzt, denn gleich neben der Bar befand sich ein schwerer Schreibtisch, dessen leere Platte im eigenartigen Gegensatz zu der Unordnung stand, die sich im ganzen Zimmer ausbreitete. Rechts vom Schreibtisch entdeckte Katharina einen riesigen, sehr bequem aussehenden Sessel. Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich in die Polster sinken. Während sie sich umsah, fiel ihr auf, dass die rechte Schublade des Schreibtischs nicht ganz geschlossen war.

      In ihrem täglichen Leben war die Neugier inzwischen zu einem wichtigen Faktor geworden. Einige Minuten kämpfte sie mit aller Kraft gegen den Wunsch an, die Schublade zu öffnen. Aber es war vergebens. Mit dem Zeigefinger zog sie lautlos das Fach auf und entdeckte einen Stapel maschinegeschriebener Blätter. Sie nahm die Papiere heraus und begann zu lesen. Sie enthielten einen Bericht über ein Herstellungsverfahren von Bildröhren und waren für Katharina nur in einer Hinsicht von Interesse: Die Typen der Maschine, mit der die Seiten beschrieben worden waren, hatten eine auffallende Ähnlichkeit mit denen, die sich in Zerbans Bericht befunden hatten.

      Sorgfältig faltete sie vier Blätter zusammen und ließ sie in ihrer Manteltasche verschwinden. Dann legte sie den Papierstapel wieder auf seinen Platz zurück, genauso, wie sie ihn vorgefunden hatte, und gab der Schublade einen leichten Stoß. Natürlich achtete sie darauf, dass sie, genau wie zuvor, ein wenig offen stand. Anschließend kehrte sie zum Sessel zurück und richtete ihren Blick voller Interesse zur Zimmerdecke, die früher anscheinend bemalt gewesen war.

      Ihre Gedanken kreisten jedoch nur um ihre letzte Entdeckung. Wenn die Spezialisten feststellen konnten, dass diese Texte auf der gleichen Maschine getippt worden waren wie der bei Zerban gefundene Bericht, dann würde Dietrich Colditz eine böse Viertelstunde erleben. Es musste selbstverständlich noch bewiesen werden, dass er Gelegenheit gehabt hatte, die Maschine tatsächlich zu benutzen, denn nichts war leichter, als die Blätter heimlich in den Schreibtisch zu schmuggeln, um damit die Polizei auf die falsche Spur zu führen. Katharina entschloss sich endlich, eine Einzelheit zu klären. Sie erhob sich und ging in den Flur.

      „Frau Colditz!“

      Eine schwache, aber klare Stimme antwortete ihr: „Ich verstehe Sie sehr schlecht, Frau Ledermacher. Ich kann im Moment nicht herunterkommen. Wieso kommen Sie nicht zu mir?“

      Katharina stieg die polierten Holzstufen hinauf und versuchte, sich in dem dunklen Korridor zurechtzufinden schließlich bemerkte sie einen Lichtstrahl, der unter einer Tür hervorkam, und ging rasch darauf zu. Sie klopfte leise an.

      „Ja, Frau Ledermacher, was ist los?“

      „Nichts Besonderes“, erwiderte Katharina. „Ich wollte nur wissen, ob Sie eine Schreibmaschine im Haus haben.“

      Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann ertönten gedämpfte Schritte. Gleich darauf wurde die Tür einen Spalt geöffnet. Die gebleichten Haare hingen Elisa wirr ins Gesicht. Beunruhigt erwiderte sie Katharinas fragenden Blick. Obwohl sie die Tür nur einen winzigen Spalt aufgemacht hatte, konnte die Detektivin erkennen, dass Elisa nichts weiter trug als Unterwäsche.

      „Warum