Alfred Bekker

Krimi Sammelband 4005: Frohes Mörderfest - 4 Thriller in einem Band


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Bar und unterhielten sich über die Lage.

      „Ihre Rede war ausgezeichnet“, murmelte die Detektivin. „Man hätte tatsächlich glauben können, dass dieser neue Fernseher wirklich hergestellt wird.“

      Stollberg lachte.

      „Ich muss zugeben, dass ich mich bei meinen Ausführungen hauptsächlich auf die Entwicklung eines Geräts gestützt habe, das in Indien hergestellt wird. Aber ich musste mich ordentlich zusammennehmen, um ernst zu bleiben. Hoffentlich sind alle darauf hereingefallen.“

      „Davon bin ich überzeugt“, versicherte Katharina. „Ich habe Ihre Mitarbeiter nicht aus den Augen gelassen, während Sie sprachen. Keiner von ihnen wird auch nur den geringsten Verdacht geschöpft haben, dass es sich um eine Falle handelt. Diese kleine Komödie wird sich bestimmt als sehr nützlich erweisen.“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Ich muss jetzt gehen. Es wird Zeit, dass ich meinen Posten vor dem Haus von Zerban beziehe.“

      Stollbergs Gesicht verfinsterte sich.

      „Wir wollen uns doch nichts vormachen. Wenn Sie sich damit zufriedengeben, Zerban zu beobachten, kommen Sie meiner Ansicht nach nicht viel weiter.“

      „Das denke ich schon“, widersprach sie. „Wir haben heute Abend eine ganz besondere Situation geschaffen. Die Informationen, die Sie Ihren Mitarbeitern gegeben haben, müssen unserem Verräter so wichtig erscheinen, dass er unweigerlich den Versuch machen wird, davon zu profitieren, dass heute, am Heiligen Abend, überall eine Atmosphäre der Unachtsamkeit und Nachlässigkeit herrscht. Aus diesem Grund habe ich gerade auf diesem Datum bestanden.“

      „Das ist richtig, Frau Ledermacher“, stimmte Stollberg ihr zu. „Ich habe Sie unterschätzt. Aber wenn Sie so überzeugt sind, dass der Verräter sich mit dem Spion in Verbindung setzt, warum haben Sie dann meine Einladung angenommen? Eigentlich hätten Sie doch direkt zu Zerbans Wohnung gehen müssen, um sie zu überwachen.“

      „Nur bedingt. Sie müssen bedenken, dass es sich um sehr viele Informationen handelte. Der Informant konnte sich bestimmt nicht alles merken, ohne Gefahr zu laufen, sich in einem oder mehreren Punkten zu irren. Bei solchen Geschäften zählt einzig und allein Genauigkeit. Die Angaben müssen stimmen. Deshalb muss der Verräter erst einen Bericht abfassen, der auf den Notizen basiert, die er sich während Ihrer Ausführungen gemacht hat. Und wie viele maschinegeschriebene Seiten wird wohl ein Bericht über Ihre ausführlichen Erläuterungen umfassen?“

      Allmählich verstand Stollberg, worauf sie hinaus wollte. Ein amüsiertes Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus.

      „Keine Ahnung“, antwortete er. „Mindestens zwanzig.“

      „Sehen Sie? Eine gute Stenotypistin braucht ungefähr eine Stunde für sechs oder zehn Seiten. Ich habe also viel Zeit.“

      „Wenn der Bericht mit der Hand geschrieben wird, dann dauert es noch viel länger“, bemerkte Stollberg.

      „Ausgeschlossen. Sie können sicher sein, dass der Verräter eine Schreibmaschine benutzt und das es außerdem äußerst schwierig sein wird, festzustellen, woher diese Maschine stammt, wenn wir das nachprüfen müssten.“

      Stollberg schwieg, dann hob er mit einer abrupten Bewegung den Kopf, so als sei ihm plötzlich etwas eingefallen.

      „Trotzdem glaube ich, dass unser Mann ein großes Risiko eingeht, wenn er sich jetzt mit Zerban in Verbindung setzt.“

      „Wir werden sehen“, gab Katharina zurück, „ob sich die Lage günstig entwickelt. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.“

      Sie verabschiedete sich, verließ die Bar, stieg in ihren Wagen, der am Bordstein parkte, und fuhr zu Zerbans Wohnung. Das Resultat ihrer Anstrengungen überstieg selbst ihre kühnsten Erwartungen. Sie stand Auge in Auge mit dem mutmaßlichen Verräter. Dietrich Colditz kam langsam wieder zu Bewusstsein. Zerban war tot.

      ––––––––

      6

      Katharina stellte sich vor Colditz und stemmte die Hände in die Hüften.

      „Geht‘s besser?“, fragte sie.

      Der Ingenieur musterte sie mit wütenden Blicken. Sein blondes Haar war in Unordnung geraten und hing ihm wirr in die Stirn.

      „Was soll das überhaupt?“, erkundigte er sich mit tonloser Stimme. „Sie sprechen ja ausgezeichnet Deutsch. Vermutlich sind Sie auch keine Ingenieurin?“

      „Nein, mein Name ist Katharina Ledermacher. Ich bin Privatdetektivin. Herr Stollberg hat mich engagiert, um den Verräter zu entlarven, der Zerban mit Informationen über Firmengeheimnisse versorgt.“

      Der junge Mann wurde bleich.

      „Sie glauben doch nicht etwa, dass ...“

      „Doch, natürlich. Versetzen Sie sich in meine Lage!“, fiel sie ihm ins Wort. „Was würden Sie aus den Ereignissen schließen, die sich hier abgespielt haben?“

      Colditz zerrte an seinen Fesseln und protestierte mit kaum hörbarer Stimme.

      „Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun.“

      Katharina hob die Brauen.

      „Dann erklären Sie mir, was Sie hier zu suchen hatten.“

      Colditz‘ Gesicht wurde verschlossen. Er schwieg eine Weile, bevor er antwortete: „Es ist ... es ist ziemlich peinlich zu erklären.“

      „Das glaube ich.“

      „Sie verstehen nicht, was ich meine. Ich habe eine sehr hübsche Frau, in die ich unsterblich verliebt bin, obwohl wir schon seit drei Jahren verheiratet sind. Ihr Name ist Elisa.“

      Katharina seufzte. Von allen Erklärungen, die Colditz ihr hätte geben können, war dies die banalste.

      „Ich kann mir den Rest denken“, unterbrach sie ihn. „Sie sind sehr eifersüchtig. Sie denken, dass sie fremdgeht. Und vorhin hat ein anonymer Anrufer Ihnen mitgeteilt, dass Sie ihre Frau in Zerbans Wohnung antreffen werden.“

      Der blonde Mann warf ihr einen überraschenden Blick zu.

      „Ja, genauso hat es sich abgespielt.“

      Katharina zuckte mit den Schultern.

      „Sie müssen sich schon eine bessere Geschichte ausdenken. Diese hat einen ellenlangen Bart.“

      „Aber ich kann Ihnen keine andere Erklärung geben“, beharrte Colditz. „Ich schwöre Ihnen, dass ich die Wahrheit sage.“

      Katharina lachte.

      „Und deshalb wollten Sie mich wohl niederschlagen, als ich hier ankam, was?“

      Colditz‘ Stimme wurde lauter. Eindringlich sprach er auf die Detektivin ein: „Versetzen Sie sich doch in meine Lage. Ich bin hierher gekommen, um Zerban einen Denkzettel zu verpassen. Aber als ich eintrat, fand ich eine Leiche. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich die Wohnung verlassen, aber gerade in dem Moment sind Sie gekommen.“

      Colditz‘ Erklärung schien glaubwürdig. Zudem ging es nicht gerade geräuschlos vor sich, wenn man eine Bronze-Statue auf dem Kopf eines Menschen niedersausen ließ. Auf ihrem Lauschposten hatte sie jedoch nichts gehört, nicht einmal Zerbans Stöhnen, als er starb.

      „Und wie lautet Ihre Version der Geschichte?“, fragte sie in einem versöhnlichen Ton.

      „Ich werde Ihnen alles erzählen. Aber binden Sie mich zuerst los.“

      „Nichts zu machen.“

      „Aber ich habe Schmerzen. Meine Wirbelsäule ist an solche Verrenkungen nicht gewöhnt.“

      Katharina nickte und befreite ihn von den Fesseln. Mühsam kam Colditz auf die Füße. Sie brachte ihn ins