herrschen. Und eines dieser Gesetze besagt: Flirte nie mit Ärzten, das gibt nur Ärger mit der Verwaltung und den anderen Ärzten. Und ich möchte diesen Ärger vermeiden. Es gefällt mir hier an diesem Krankenhaus. Ich arbeite gern hier – und ich möchte nicht durch Tratsch und Neid und Intrigen meine Stellung hier verlieren.“
„Aber es braucht doch niemand zu erfahren, dass wir gemeinsam aus waren!“, rief Markus unterdrückt aus.
„Irgendwann einmal käme es doch heraus“, erwiderte das Mädchen. „Und dann finge der Ärger an. Nein, Herr Doktor, es ist nett, dass Sie mich einladen wollen, aber ich bleibe bei meiner Absage.“
„Sie sind grausam, Barbara.“ Markus Breitner legte seinen ganzen Charme, von dem er eine ganze Menge hatte – und den er auch schon oft erprobt hatte – in seine Stimme und in seinen Blick. Doch die Masche verfing bei Barbara nicht. Sie lächelte nur freundlich und widmete sich weiter intensiv ihrer Arbeit.
Inzwischen war der Operationssaal wieder gesäubert, und zwei Schwestern brachten Direktor Kürschner herein.
„Wo bleibt nur Professor Gerstenbach?“ Dr. Breitner sah auf die Uhr. „Es ist schon weit über die Zeit. Ob er sich wieder mal entschuldigen lässt und anderen die Arbeit zuschanzt?“
Barbara blickte hoch. Was wollte der junge Arzt damit sagen?
„Ich will nicht hoffen, dass es wieder so ist. In letzter Zeit häufen sich seine Drückebergereien.“ Der Oberarzt sprach noch deutlicher aus, was Markus nur angedeutet hatte.
„Warum sollte sich der Professor vor der Arbeit drücken?“ Barbara sah die beiden Männer in der grünen Operationstracht fragend an.
„Genau weiß ich das auch nicht, doch ich habe einen ganz bestimmten Verdacht“, antwortete Oberarzt Dr. Munther zögernd.
„Und der wäre?“ Barbaras Stimme klang ganz atemlos vor Spannung.
„Warum interessiert Sie das denn so?“ Markus Breitner blickte überrascht zu der OP-Schwester hin. Wie verstört das schöne Mädchen aussah! Ob sie eventuell Gefühle für den alten Professor hegte? Aber das konnte doch nicht sein! Markus verbannte die Eifersucht, die in ihm aufsteigen wollte, schnell wieder. Sicher war es nur grenzenlose Bewunderung, die die junge Schwester dem Professor entgegenbrachte. Sie wollte deshalb nicht einsehen, dass auch er nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen war.
Markus Breitner gestand sich ein, dass es auch ihm anfangs so gegangen war, als er in dieses Krankenhaus gekommen war. Er hatte schon viel von Professor Gerstenbach gehört gehabt und einen Heidenrespekt vor ihm.
Lange hatte dieser Zustand angedauert, fast zwei Jahre. Doch im letzten Vierteljahr hatte er erkennen müssen, dass auch der verehrte Professor Gerstenbach Schwächen hatte.
Und seine größte Schwäche war der Stolz! Er konnte nicht abtreten, konnte seinen Platz nicht freimachen für jüngere, frischere Mediziner, die über mehr Elan verfügten als er.
Dabei wurde es von Tag zu Tag deutlicher, dass er immer größere Schwierigkeiten bei den Operationen hatte. Manchmal hatte Markus sogar das Gefühl, dass Professor Gerstenbach gar nicht richtig sah, was er tat.
Erst in der letzten Woche war es nur durch das beherzte Eingreifen Dr. Munthers gelungen, den Professor daran zu hindern, eine große Arterie durchzuschneiden, die er mit einem Sehnenstrang verwechselt hatte.
Sah er etwa nicht mehr genau, was er tat, ließ seine Augenschärfe nach?
Markus Breitner und der Oberarzt hatten sich diese Frage im Anschluss an diese Operation in einem vertraulichen Gespräch gestellt, und sie waren zu der Überzeugung gelangt, dass es so sein musste. Anders ließen sich die Fehler, die Professor Gerstenbach in letzter Zeit unterliefen, einfach nicht erklären.
Aber wenn es wirklich so war, dann war es direkt sündhaft, dass der alte Chirurg nicht abtrat, dass er immer noch weiter operierte, dass er Menschenleben gefährdete, nur weil seine Eitelkeit größer war als sein Verantwortungsbewusstsein dem ihm anvertrauten Menschen gegenüber.
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Schwester Barbara“, lächelte er. „Warum sind Sie so sehr an der Person unseres Chefs interessiert?“
„Darf ich nicht menschlichen Anteil an seinem Schicksal nehmen?“, fragte das blonde Mädchen zurück. „Wenn Sie bereit sind, ihn schlechtzumachen, darf ich ihn doch sicher verteidigen, oder?“
„Und warum tun Sie das?“
„Weil ich Ungerechtigkeit nicht ausstehen kann!“ Barbaras Stimme war schärfer geworden, und sie blitzte den jungen Arzt wütend an.
„Wie schön Sie sind in Ihrem Zorn.“ Markus Breitner sah ein, dass er zu weit gegangen war und versuchte, das Thema zu wechseln.
„Ach, lassen Sie mich in Ruhe!“ Barbara wandte sich ab.
Markus Breitner wurde durch das Klingeln des Telefons einer Antwort enthoben. Eine Schwester nahm ab.
„Für Sie, Herr Oberarzt“, meldete sie.
Dr. Munther war schon versucht, die Hand nach dem Hörer auszustrecken, da fiel ihm ein, dass er ja immer noch steril war. Würde er nach dem Hörer greifen, müsste er sich noch einmal der ausdauernden Waschung unterziehen.
„Halten Sie mir den Hörer ans Ohr, Schwester Erika“, bat er.
„Ja, hier Munther“, meldete er sich, nachdem die junge Pflegerin seiner Aufforderung nachgekommen war. „Ach, Sie sind es, Herr Professor“, rief er dann durch die Leitung. Während er auf das hörte, was ihm der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung mitzuteilen hatte, warf er seinem Assistenten einen vielsagenden Blick zu. „Ist gut, Herr Professor“, sprach er nach einer Weile in die Muschel, „wir werden es schon schaffen. Bis heute Nachmittag dann.“ Er trat drei Schritte zurück und wandte sich zu dem übrigen Operationsteam, während Schwester Erika den Hörer zurück auf die Gabel legte.
„Professor Gerstenbach ist zu einem Patienten gerufen worden, den er privat betreut“, erklärte der Oberarzt dann den übrigen Mitarbeitern. „Er bittet, dass wir die Operation an Direktor Kürschner ohne ihn vornehmen. Der Patient braucht es nicht unbedingt zu erfahren, dass er nicht vom Chef persönlich operiert worden ist – meint wenigstens der Chef.“
Die Ironie in den Worten des Oberarztes war nicht zu überhören, und die ansonsten stets sehr schweigsame Narkoseärztin meinte: „Brechen Sie nicht zu schnell den Stab über den Professor, Herr Kollege Munther. Wer weiß, vielleicht musste der Chef wirklich zu einem Patienten. Wir wissen doch alle, dass er eine große Praxis hat.“
So war es tatsächlich. Zwar hielt der Professor nur noch an drei Vormittagen der Woche Praxis in einem Zimmer der Klinik, doch stets war der Raum voll. Viele Patienten nahmen längere Wartezeiten in Kauf.
„Sie haben recht, Tatjana, ich sollte mit meinen Äußerungen ein wenig vorsichtiger sein. Reden wir nicht mehr darüber, fangen wir lieber an. Der Direktor schläft schon?“
Die Anästhesistin warf einen Blick auf den Patienten, der im Vorbereitungsraum auf einem Rollbett lag.
„Die vorbereitenden Injektionen wirken“, erklärte sie. „Aber Sie können sich schon auf den Eingriff vorbereiten, ich brauche nur noch fünf Minuten.“
Sie gab den Schwestern einen Wink, den Patienten in den OP zu rollen und ihn vorschriftsmäßig auf den OP-Tisch festzuschnallen, dann begann sie damit, die Narkose einzuleiten.
Vorsichtig führte sie einen Schlauch in die Luftröhre des Patienten ein, durch den sie das Lachgas-Äther-Gemisch leiten konnte.
Nach einer Weile, die Ärzte hatten sich inzwischen auf ihre Plätze am Operationstisch begeben, meldete sie: „Patient schläft!“
Während Dr. Munther und Dr. Breitner schnell und präzise arbeiteten, ließ die Narkoseärztin keinen Blick von den Kontrollgeräten, die sie über den Zustand des Operierten informierten.
Der Eingriff war schon fast beendet, Dr. Munther wollte gerade seinen