Izabella Wentz

Das Hashimoto-Programm


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      Damit es zu einer Autoimmunität kommt, müssen die „richtigen“ Dinge zum „richtigen“ Zeitpunkt zusammentreffen. Dr. Alessio Fasano, Direktor des Center for Celiac Research and Treatment (Zentrum zur Erforschung und Behandlung von Zöliakie) in Massachusetts, stellte fest, dass drei Faktoren vorhanden sein müssen, damit sich ein autoimmunes Geschehen entwickeln kann:

      1. Spezifische Gene, die einen Menschen empfänglich für eine Autoimmunerkrankung machen.

      2. Spezifische Auslöser, die diese Gene anschalten.

      3. Die Durchlässigkeit der Darmwand (Leaky-Gut-Syndrom), sodass sich das Immunsystem nicht mehr selbst regulieren kann. (Letzteres mag überraschend und in keinem Zusammenhang miteinander zu stehen scheinen. Sie werden jedoch bald erfahren, dass das Immunsystem in hohem Maße auf einen gesunden Darm angewiesen ist).

      Ein Mensch, der genetisch für Hashimoto prädestiniert ist, doch nicht mit den Auslösern belastet ist, erkrankt nicht daran. Und wer die entsprechenden Gene hat und mit den Auslösern belastet ist, aber keine Barrierestörung der Darmschleimhaut hat, wird ebenfalls nicht krank. Die neue Forschung über Autoimmunerkrankungen legt nahe, dass einem Autoimmungeschehen immer eine Durchlässigkeit der Darmwand vorausgeht.

      Wer sowohl eine durchlässige Darmwand hat als auch mit den Auslösern belastet ist, aber genetisch nicht prädestiniert dafür ist, erkrankt ebenfalls nicht an Hashimoto-Thyreoiditis. In diesem Fall kommt es eventuell überhaupt nicht zu Symptomen oder, je nach genetischem Hintergrund, zu einer anderen Autoimmunerkrankung.

      Fazit ist, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit es zu einer Autoimmunerkrankung kommen kann.

      Manche Menschen glauben, dass die Gene ihr Schicksal sind, doch eine neue wissenschaftliche Disziplin, die sogenannte Epigenetik, zeigt, dass dem nicht so ist. Es handelt sich tatsächlich um eine Kombination aus unseren Genen und der Umwelt (die für die Auslöser sorgt), die darüber entscheidet, ob wir krank werden oder gesund bleiben. Die Epigenetik hat nachgewiesen, dass es durch Korrekturen unserer Lebensweise in unserer Macht steht, in welcher Weise unsere Gene exprimiert (also an- oder abgeschaltet) werden.

      Bei Hashimoto spielt die Umwelt eine wesentlich tiefer greifende Rolle als die Gene. Als Nachweis können wir eineiige Zwillinge heranziehen. Wir wissen, dass ihre DNS identisch ist und sie genetisch gesehen zu 100 Prozent übereinstimmen. Das bedeutet, dass von einem hundertprozentig genetisch bedingten Merkmal oder einer Krankheit ent weder beide Zwillinge betroffen wären oder keiner. Was Hashimoto betrifft, geht man jedoch davon aus, dass die Übereinstimmung etwa bei 50 Prozent liegt. Das heißt, wenn ein Zwilling an Hashimoto erkrankt, besteht beim anderen nur ein 50-prozentiges Risiko, ebenfalls daran zu erkranken. Der individuelle Lebensstil oder die jeweiligen Lebensumstände des anderen Zwillings tragen zur Entwicklung der Krankheit bei.

      Die neue Forschung unterstützt auch die Tatsache, dass ein Autoimmungeschehen umkehrbar ist. Wird einer der drei Faktoren beseitigt, zeigt ein Mensch keine Autoimmunerkrankung mehr. Wissenschaftler haben das erstmals anhand der Zöliakie demonstriert, bei der Gluten sowohl Auslöser als auch Urheber einer durchlässigen Darmwand ist. Sobald Gluten gemieden wird, regeneriert sich das geschädigte Dünndarmgewebe, welches das Merkmal einer Zöliakie ist. Solange es bei dem Betroffenen keine zusätzlichen Auslöser für eine durchlässige Darmwand gibt, verschwinden alle Symptome und die Autoimmunmarker der Zöliakie.

      Bei Hashimoto ist es zwar hinsichtlich der zahlreichen innerhalb und außerhalb des Darms befindlichen Auslöser ein wenig komplizierter, doch ich habe immer wieder spektakuläre Besserungen der Symptome und Remissionen bei Klienten und Lesern gesehen, die ihre Auslöser beseitigt und die Barrierestörung der Darmschleimhaut ausheilen konnten. In Ihrem Fall bedeutet das, dass Sie, obwohl Sie Ihre Gene nicht verändern können (zumindest jetzt noch nicht), Hashimoto in den Griff bekommen können, indem Sie sich um die Auslöser kümmern und Ihr Leaky-Gut-Syndrom in Ordnung bringen. Ich helfe Ihnen dabei.

      Warum man „Läuse und Flöhe“ haben kann

      Wer die Diagnose Hashimoto erhält, hat ein höheres Risiko, an weiteren Autoimmunerkrankungen wie Diabetes vom Typ 1, Zöliakie, Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Lupus erythematodes, Morbus Addison (Erkrankung der Nebennierenrinde), Vitiligo (Weißfleckenkrankheit), perniziöse Anämie und vielen anderen zu erkranken. Das liegt daran, dass der jeder Autoimmunerkrankung zugrunde liegende Krankheitsmechanismus derselbe ist und ein Autoimmunprozess progredient sein kann – sobald das Immunsystem begonnen hat, ein Organ anzugreifen, können auch andere Organe ins Visier genommen werden. Manche Wissenschaftler gehen sogar so weit zu sagen, dass alle Autoimmunerkrankungen gleich und lediglich gegen unterschiedliche Zielorgane gerichtet sind. Das ist wichtig zu wissen, denn in vielen Fällen wird den Hashimoto-Patienten gesagt, dass sie lediglich Schilddrüsenhormone nehmen müssen, damit es ihnen gut geht, doch Schilddrüsenhormone allein stoppen das Fortschreiten des Autoimmungeschehens nicht. Die gute Nachricht ist, dass die Programme in diesem Buch so konzipiert sind, dass sie ein Fortschreiten des Autoimmunprozesses verhindern, und falls Sie noch andere Autoimmunerkrankungen haben, werden Sie wahrscheinlich eine Besserung bei allen feststellen!

      Ursachenforschung: Die Entstehung von Autoimmunität und meine Sicherheitstheorie

      Wissenschaftler haben bezüglich der möglichen Auslösung einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung zahlreiche Theorien entwickelt. Darunter die Folgenden:

      Die Theorie von der molekularen Mimikry legt nahe, dass die Zellen von Krankheitserregern und jener unserer Schilddrüse einander so ähnlichsehen, dass sie das Immunsystem verwirren und zu einem Angriff auf die Schilddrüse führen.

      Der „Zuschauer“-Effekt beruht auf der Theorie, dass eine Infektion in der Schilddrüse vorliegt und das Immunsystem das Organ in dem Versuch angreift, den Infekterreger zu vernichten.

      Die Theorie von der durch die Schilddrüse ausgelösten Autoimmunreaktion besagt, dass jede Art von Schaden an der Schilddrüse dazu führt, dass das Organ Schaden-assoziierte molekulare Muster (DAMP, von engl. damage-associated molecular patterns) sezerniert, die entzündungsfördernde Zellen „rekrutieren“ und in die Schilddrüse schleusen, sodass es zu weiterem Schaden an der Drüse kommt.

      Ich möchte Ihnen auch gerne die Izabella-Wentz-Sicherheitstheorie von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse vorstellen. Sie beruht auf den obigen Theorien, meiner Arbeit und meinen Beobachtungen bei Hashimoto sowie der adaptiven Physiologie (erworbene Immunantwort).

      Die adaptive oder erworbene Immunantwort beschreibt die Entwicklung von chronischen Krankheiten beim Menschen, um sich an die Umwelt anzupassen. Diese Krankheiten dienten einst dazu, eine schützende Rolle beim Überleben unserer Spezies zu spielen; in unseren modernen Zeiten kam es jedoch zu einer Fehlanpassung.

      Zu Zeiten des Höhlenmenschen war der Körper daran angepasst, umweltbedingte Bedrohungen als Signale aufzufangen, die ihm vermittelten, dass die Welt ein gefährlicher Ort und die Zeit gerade nicht optimal für Abenteuerlust oder Fortpflanzung sei und man seine Ressourcen schonen müsse.

      In gewisser Weise ist Hashimoto und die daraus resultierende Schilddrüsenunterfunktion vielleicht ein solcher adaptiver Mechanismus, der sich entwickelt hat, damit die Menschen ihre Ressourcen schonen und in Zeiten von Hunger, Krieg, kaltem Wetter oder Epidemien überleben konnten, da sie dadurch in einen Winterschlaf-ähnlichen Zustand versetzt werden und sich deshalb eher in ihre Höhlen zurückziehen sowie weniger Kalorien und weniger Energie verbrauchen, weil sie mehr schlafen.

      In unseren modernen Zeiten können Nährstoffverarmungen, entzündungsfördernde Nahrungsmittel, Stress, Toxine, eine durchlässige Darmwand und Infektionen dasselbe Gefahrensignal an den Körper aussenden und eine Autoimmunkaskade in der Schilddrüse auslösen.

      Wie können wir dieses Signal außer Kraft setzen? Einfach ausgedrückt: Wir müssen die Dinge beseitigen, die unser Immunsystem glauben lassen, dass wir uns in Gefahr befinden und unsere Energie und Ressourcen schonen müssen.

      Ich habe festgestellt, dass es ganz allgemeine, auf meiner