18
Ich trat das Bremspedal voll durch. Der Sportwagen kam ruckartig zum Stehen.
Der Fahrer des sandfarbenen Ford bremste ebenfalls. Die Reifen quietschten. Wir rissen die Türen auf, sprangen hinaus. Die SIGs hielten wir im Anschlag. Vorsichtig näherten wir uns dem Ford.
Dessen Insassen waren sichtlich schockiert.
Damit hatten unsere Verfolger nicht gerechnet.
Sie sahen uns mit großen Augen unschlüssig an.
Die Straße war zu eng, um drehen zu können. Sie hatten keine Chance zur Flucht. Ich ging an die Seitenscheibe auf der Fahrerseite, hielt meinen Ausweis hoch, so dass der Fahrer ihn sehen konnte.
"FBI!", rief ich.
Die Scheibe glitt hinab.
"Kommen Sie langsam und mit erhobenen Händen aus dem Wagen!", wies ich die beiden an.
"Dass ihr G-men euch jetzt schon um Verkehrsdelikte kümmert, ist mir neu", meinte der Fahrer grinsend. Er trug einen dunklen Vollbart, war Mitte dreißig. Der Beifahrer wirkte etwas jünger, war ebenfalls dunkelhaarig und hatte eine deutlich sichtbare Narbe am Kinn.
Wir durchsuchten sie nach Waffen.
Einen 38er Special und eine Beretta stellten wir sicher.
"Das sind registrierte Waffen", erklärte der Bärtige. Seinen Papieren nach hieß er Luke Clemente.
"Werden wir überprüfen", erklärte ich.
Clemente sah mich wütend an. "Was werfen Sie uns überhaupt vor?"
"Sie sind uns gefolgt, seit wir Alexandra Berringers Wohnung verlassen haben", stellte Milo fest.
"Das bilden Sie sich ein!"
"Nein, das ist die Wahrheit", widersprach Milo.
"Selbst wenn es so wäre - gibt es irgendein Gesetz, gegen das wir verstoßen haben?"
Clemente grinste triumphierend. Der andere Mann - er besaß Papiere auf den Namen Morton Gregory - wirkte etwas zurückhaltender.
Aber Clemente hatte tatsächlich unseren wunden Punkt erwischt. Wenn die Waffen offiziell registriert waren und die beiden einen entsprechenden Schein vorweisen konnten, konnten wir sie nicht einmal wegen unerlaubten Waffenbesitzes drankriegen.
Wir hatte nichts in der Hand.
"Was interessiert Sie so an Mrs. Berringer?", fragte ich.
Ein Muskel zuckte in Clementes Gesicht.
"Wir interessieren uns nicht für Mrs. Berringer", erklärte er.
"Wir können diese Frage in unserem Hauptquartier klären. Das dauert dann etwas länger... Aber vielleicht ist das gar nicht nötig."
Die beiden blickten sich an.
Sie schienen zu überlegen.
"In wessen Auftrag beschatten Sie Mrs. Berringer?"
"Wir sagen keinen Ton mehr, bevor wir nicht mit unserem Anwalt sprechen können", meldete sich nun Morton Gregory zu Wort. "Dazu haben wir das Recht!"
"Natürlich", erwiderte ich. Ich griff in die Jackentasche und holte mein Handy hervor. Dies reichte ich ihm. "Rufen Sie an! Jetzt und hier!"
Gregory zögerte.
Dann griff er zu. Er tippte rasch eine Nummer ein. Dann begann er zu sprechen. "Ist Mister Simone im Büro? Es ist dringend!"
Ich nahm ihm den Apparat wieder ab.
Die beiden sahen mich fassungslos an.
"Sie können gehen", sagte ich.
"Was?"
"Ja, Sie haben richtig gehört."
"Aber..."
Der Mann, den er hatte anrufen wollen, war Anthony Simone der Anwalt des großen Andy Parese. Genau das hatte ich wissen wollen.
"Bestellen Sie Mister Parese ein paar Grüße vom FBI-District New York", sagte ich. "Die Waffen bekommen Sie zurück, sobald wir sie überprüft haben!"
19
Eine Dreiviertelstunde später saßen wir in unserem Dienstzimmer, das Milo und ich uns schon seit ewigen Zeiten teilten. Agent Medina war zu uns gekommen und hatte uns von seinem Treffen mit einem Informanten berichtet, der in Jack Cerezo's Boxing Center arbeitete.
"Ein Treffen der Bosse", echote ich. "Das kann nur bedeuten, dass Harkers Flucht einige Leute im organisierten Verbrechen genauso nervös macht wie die Polizei..."
Orry nickte. "Die sind genauso hinter Harker her, wie wir..."
"Deswegen beschatten Pareses Leute auch Mrs. Berringers Wohnung. Die glauben auch, dass er dort irgendwann auftauchen könnte..."
In diesem Punkt brachte uns unser Innendienst-Kollege Max Carter wenig später letzte Klarheit.
Clemente und Gregory waren weitläufige Verwandte von Parese.
"Man wird ihnen das nie beweisen können, aber wer zwei und zwei zusammenzählen kann, weiß, dass Andy Parese die beiden geschickt hat", war Max Carter überzeugt.
"Die beiden könnten wichtige Zeugen sein, was Alexandra Berringers Alibi angeht", meinte Milo.
Ich nickte.
"Vorausgesetzt, sie beobachten Mrs. Berringer schon lange genug und haben sich bei der Beschattung etwas geschickter angestellt, als sie das bei uns gemacht haben! Andererseits hätten wir im Moment nichts, womit wir sie zwingen könnten, den Mund aufzumachen. Sie haben gegen kein Gesetz verstoßen - und streng genommen ist es auch nichts mehr als eine Vermutung, dass sie vor der Wohnung der Berringer gewartet haben... Aufgefallen ist uns der sandfarbene Ford erst eine Straße weiter."
Carter kratzte sich nachdenklich am Kinn.
"Hunter und Baker hätten sich die beiden mal vorknöpfen können... Unsere Verhörspezialisten haben noch aus den meisten etwas herausbekommen!"
Milo verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln. "Solange die beiden mehr Angst vor ihrem Boß als vor irgendjemand anderem haben, werden die sich hüten, auch nur einen Ton zu sagen... Die wissen doch genau, dass sie dann ihr Testament machen können. Da kennt dann selbst ein Familienmensch wie Andy Parese keine Verwandten mehr..."
"Ich werde trotzdem noch ein bisschen nachbohren", kündigte Carter an. "Vielleicht findet sich ja doch irgendeinen Ansatzpunkt, um die beiden nochmal vorzuladen und etwas gesprächiger zu machen..."
"Nichts dagegen", meinte ich.
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