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11
Im Februar des Jahres 1913 herrschte an Schottlands Küsten eine grausame Sturmflut. Das Meer peitschte an Land, verwüstete Felder, zerstörte Fischerboote, Netze und Häuser ohne Gnade und Unterschied. Die Nachbarn halfen einander so gut sie konnten. Der Herr von Clarion Manors, Arthur Felton, und alle Einwohner aus Glenburn waren mit Fackeln unterwegs, um den bedauernswerten Opfern in Strandnähe zu helfen. Bis einer von Ihnen bemerkte, dass in der Morgendämmerung draußen auf See ein Schiff gegen die entfesselten Gewalten der See ankämpfte. Der Kapitän des Schiffes schien die Fackeln am Strand für Leuchtfeuer zu halten, die ihm den richtigen Weg weisen sollten, aber vielleicht ließ sich das Schiff auch einfach nicht mehr steuern. Tatsache war, dass es dem Strand mit seinen Klippen immer näher kam.
Nur die hier ansässigen Fischer kannten den ungefährlichen Weg durch die Untiefen, und so war es einfach unvermeidlich, dass das Schiff auf Grund lief.
Am Ufer standen die Menschen und sahen mit Entsetzen, wie die Besatzung zuerst alles tat, um das Schiff wieder frei zu bekommen, dann aber in wilder Panik ins Wasser sprang, als der Sturm das Wrack immer weiter zerstörte. Sie versuchten schwimmend das rettende Ufer zu erreichen. Doch keiner von ihnen schaffte es. Alle wurden von schweren Brechern erfasst, sie ertranken oder wurden auf den Klippen zerschmettert.
Zwei Tage später hatte sich die See soweit beruhigt, dass die Leute mit Fischerbooten zu dem gestrandeten Wrack, vielmehr, was noch davon übrig war, hinausrudern konnten. Noch hatte niemand die Behörden verständigt, und nachdem Arthur Felton das Wrack untersucht hatte, tat das auch niemand mehr.
Es befand sich ein regelrechter Goldschatz an Bord, von der englischen Münze geprägt und auf dem Weg nach Australien, wie aus den Schiffspapieren hervorging.
Der ganze Ort konnte das Gold selbstverständlich gut gebrauchen, zumal alle sicher waren, dass nach diesem Sturm niemand mehr das Schiff vermissen würde.
Um jedoch keinen Verdacht zu erregen, wurde nur eine geringe Menge des edlen Metalls an die bedürftigen Leute aus dem Ort verteilt, der Rest auf Clarion Manors versteckt. Nur drei Menschen wussten, wo es sich genau befand, der Gutsherr, der Pfarrer und der Arzt. Und einer allein konnte das Ergebnis nicht lüften, es mussten alle drei zusammen kommen, ein Schachspiel war der Schlüssel zu diesem Reichtum.
In der achteckigen Bücherei gibt es eine bestimmte Wand, die sich öffnen ließ. Und nur durch einen bestimmten Befehl wurde dieser Geheimraum aktiviert.
Da Clarion Manors noch aus der Zeit stammte, als Geheimtüren gang und gäbe waren, wimmelte es dort davon, die meisten waren jedoch mit Fallen gespickt oder führten in die Irre.
Doch der damalige Herr hatte kein Interesse daran, das Gold für sich zu benutzen, und als ein Jahr später der erste Weltkrieg begann, wollte es ein böses Schicksal, dass Felton starb. Der Pfarrer übergab seine Schachfigur an einen unbekannten Vertrauten, der Arzt James McBride an seinen Sohn, Kevins Vater; die dritte Figur verschwand im Dunkel der Zeit, weil niemand genau wusste, wohin Arthur Felton seine Figur gelegt hatte.
12
„Das ist eine schöne Geschichte, aber mehr wohl auch nicht“, sagte Maggie etwas abfällig. „Das ist nichts weiter als eine Legende. Sie glauben doch nicht etwa daran?“
„Ich glaube daran, dass Sie und ich eine Figur aus dem Schachspiel haben mit Zetteln darin, die uns eine Schachpartie, zumindest deren Verlauf zu zwei Dritteln zeigen.“
„Das meinen Sie ernst“, entfuhr es Maggie verblüfft. „Aber nutzen kann es keinem etwas ohne die dritte Figur. Und wer hat die?“
„Wir sollten vielleicht wirklich herausfinden, wer sie hat.“
„Warum? Wir können es ebensogut der Polizei überlassen, falls sie uns glauben.“
„Ich würde meinen, wir sollten aus verschiedenen Gründen selbst suchen. Erstens: Würde uns überhaupt jemand glauben? Zweitens: Was hat George Felton dazu zu sagen? Die Polizei würde das Gutshaus auf den Kopf stellen, denn das Gold gehört der Krone. Heute noch.“
„Und Sie hätten es gerne für sich allein?“, fragte Maggie spitz.
Er steckte sich ganz ruhig seine Pfeife an, nachdem er sie nachdenklich und gründlich auf dem Boden ausgeklopft hatte.
„Nein, Maggie, soweit versteige ich mich nicht. Ich habe meinen Beruf, den ich liebe, und dadurch mein gutes Auskommen. Im Grunde brauche ich das Gold nicht - und Sie auch nicht, wenn Sie ehrlich sind. Aber was würde damit geschehen, gäben wir es dem Kronschatz zurück? Es würde eingesetzt, um die Staatsverschuldung zu verringern. Ich denke dabei eher an Menschen, denen es nicht so gut geht. Vielleicht würde ich hier ein Kindererholungsheim für Bedürftige eröffnen, so eine Art Sommerfrische.“
Maggie lachte wie befreit auf. „Das beruhigt mich jetzt sehr, dass Sie den Schatz, von dem wir nicht einmal wissen, ob es ihn wirklich gibt, karitativen Zwecken zugänglich machen wollen. Ich denke wirklich, wir sollten diese Tagträume jetzt begraben und mit dem Aufräumen anfangen. Das zumindest hat einen realen Hintergrund.“
„Du lieber Himmel, Maggie, kann es denn sein, dass Sie ganz und gar unromantisch sind?“
„Aber nein“, protestierte sie. „Ich liebe Romantik - Kaminfeuer und Schneegestöber, dämmriges Licht und ein gutes Buch, reicht Ihnen das nicht?“
„Eigentlich noch nicht“, murmelte er und schaute sie intensiv an. Ihr wurde ganz merkwürdig zumute, und als er sich dann vorbeugte, um sie unausweichlich zu küssen, wagte sie kaum zu atmen, sie wollte den Zauber des Augenblicks nicht zerstören.
In diesem Moment klingelte das Telefon, das beide in diesem Moment den Einbrechern liebend gern überlassen hätten. Mit einer gemurmelten Verwünschung nahm Kevin den Hörer ab.
13
In den nächsten Tagen hatte Maggie die ganzen Vorfälle eigentlich vergessen können, doch sie und Kevin brauchten allein schon drei Tage, um das Haus wieder aufzuräumen und wohnlich zu machen. Dazu kam, dass sie bei jedem Hausbesuch an Felton erinnert wurde, denn sie fuhr ja seinen Wagen. Und auch die Polizei gab noch keine Ruhe.
So konnten einfach kein Frieden und keine geregelte Arbeit einkehren. Zu allem Überfluss wurde der Einbruch von Patienten und Nachbarn mit Wonne durchdiskutiert. Endlich geschah mal etwas!
Kevin