Alfred Bekker

Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis


Скачать книгу

zwei Schlüsseln zum Schatz sind, gibt uns das doch auch gewisse Rechte. Außerdem kennen Sie doch auch den schottischen Wahlspruch für Gäste hier in den Highlands: Mein Haus ist dein Haus.“ Er grinste spitzbübisch.

      Sie seufzte. „Dieser Wahlspruch ist nicht schottisch. Und außerdem beinhaltet das nicht, diesen Satz wörtlich zu nehmen. Ich muss mich doch sehr über Sie wundern.“

      „Was ebenfalls nicht heißt, dass Sie nicht auch neugierig sind“, erklärte er befriedigt, und sie seufzte erneut.

      „Ja, schon, aber...“

      „Kein aber. Wir wollen weder etwas beschädigen, noch etwas wegnehmen. Wir sind einfach neugierig und wollen nur die Augen aufhalten.“

      „Wir - ja? Das ist eine sehr fadenscheinige Begründung, Kevin, und das wissen Sie ebenso gut wie ich.“

      „Nun suchen Sie doch um Himmels Willen nicht noch mehr Behinderungen. Sagen Sie einfach ja und wir gehen.“

      „Mir gefällt das nicht. Wenn ich Felton darum bitte, wird er mir den Raum von oben bis unten zeigen.“

      „Ja, wahrscheinlich. Aber was erreichen Sie damit? Wollen Sie ihn aufklären?“

      „Sie haben recht“, musste sie zugeben.

      Zwei Stunden später herrschte absolute Nachtruhe in Clarion Manors.

      Kevin trug in einer seiner vielen Westentaschen eine Taschenlampe, und im scharf gebündelten Strahl des Lichtfingers schlichen sich die beiden lautlos durch das Haus bis in die Bücherei.

      Maggie griff dann nach dem Lichtschalter, doch Kevin hielt ihre Hand fest. „Besser nicht“, murmelte er.

      Er ließ den Lichtstrahl über die Wände gleiten, bewunderte hier und da einen besonders schönen Einband, hielt sich aber nicht lange damit auf. Schließlich verharrte das Licht der Taschenlampe auf dem Schachbrett, und Kevin trat näher. Er musterte die Figuren, als könne er ihnen so ihr Geheimnis entreißen, doch eine Erleuchtung kam ihm nicht.

      Er nahm eine Figur nach der anderen hoch, betastete sie und stellte sie zurück an ihren Platz. Maggie hatte derweil ihre Augen ebenfalls durch den Raum schweifen lassen.

      „Sagen Sie, Kevin, wenn die Wände die Buchstaben eines Schachbrettes bilden, und vermutlich jede Wand noch einmal unterteilt ist in acht Felder, wie auch immer - wo ist da eigentlich der Anfang?“

      Verblüfft hielt er inne und starrte sie an.

      „Was haben Sie da eben gesagt?“

      „Wo ist A oder Anfang - also welches ist die erste und die letzte Wand? Und zählt man links oder rechts herum? Wie will jemand dahinter kommen, wenn er das alles nicht weiß? Was würde Ihnen und mir oder auch Felton das komplette Spiel nützen, wenn wir immer noch keinen Anfang hätten?“

      „Das ist die Preisfrage an der ganzen Geschichte, meine liebe Miss O’Connor“, erklang plötzlich die Stimme von George Felton.

      Das Deckenlicht flammte auf und beleuchtete gnadenlos die beiden Neugierigen, die jetzt einigermaßen verlegen dastanden.

      „Ich freue mich, dass Ihnen meine Bücherei so gut gefällt, und ich will zu Ihrer Entlastung annehmen, dass Sie nicht schlafen konnten und sich daher eine Lektüre für die Nacht holen wollten“, fuhr Felton fort, wobei sein Tonfall die Färbung von sanftem Sarkasmus annahm.

      Kevin sah sofort den rettenden Strohhalm, zögerte aber dennoch, den Worten des Gutsherrn zuzustimmen.

      Maggie war beherzter, sie unterstellte Felton einen sauberen Charakter und gesunden Menschenverstand. Außerdem war es nicht ihre Art zu lügen. Sie trat dicht an den Mann heran, lächelte entschuldigend und zog ihn dann in einen Sessel, sie selbst setzte sich gegenüber.

      „Sie wissen, dass wir nicht hier sind, um uns ein Buch auszusuchen, George“, sagte sie sanft und eindringlich. „Und wie ich Ihren Worten vorhin entnehme, wissen Sie über diese versteckte Tür ebensoviel wie ich und Kevin, oder genausowenig. Ebenso über den versteckten Schatz und das vertrackte Schachspiel. Ist das richtig?“

      Felton blickte Maggie offen ins Gesicht, schaute dann zu McBride hinüber, der etwas trotzig stocksteif dastand. Offensichtlich billigte er Maggies Vorpreschen nicht. Und doch war es besser so, wie er vor sich selbst zugab.

      George Felton seufzte nun. „Ich besaß einen weißen Turm, in dem ein Teil eines Schachspiels aufgezeichnet war. Er wurde mir vor einigen Tagen gestohlen, aber ich habe keinen Hinweis, wer es gewesen sein könnte. Verstehe ich das richtig, dass er sich in Ihrem Besitz befindet? Wie kommen Sie an die Figur? Wenn ich recht verstanden habe, besitzen Sie ebenfalls eine Figur, Doktor? Nun gut, das habe ich allerdings vermutet. Familienerbstück, ja?“

      Kevin nickte stumm, und Felton sah Maggie auffordernd an.

      Etwas stockend berichtete sie, wie der Turm den Besitzer gewechselt hatte.

      „Warum haben Sie der Polizei nichts davon erzählt?“, forschte Felton.

      Sie zuckte mit den Schultern. „Zuerst habe ich in der Aufregung nicht daran gedacht, und dann, als ich mehr darüber erfuhr, wollte ich nicht mehr. Und Sie? Haben Sie der Polizei den Diebstahl gemeldet?“

      „Um dann endlose Fragen zu beantworten, warum jemand eine Schachfigur stehlen sollte? Billigen Sie mir bitte etwas mehr Verstand zu.“ Dann wurde er plötzlich sehr ernst. „Sie sagten, vor dem Unfall hat Sie ein Wagen verfolgt und gerammt. Könnte es sein, rein hypothetisch, dass der Fahrer des Wagens hinter der Schachfigur her war? Die befand sich ja zu dem Zeitpunkt noch im Besitz Ihres Beifahrers.“

      Maggie wurde leichenblass. „Aber dann hätte er doch - ich meine, als wir im Graben lagen - er hätte sie doch einfach nehmen können.“

      „Nun, Sie waren bei Bewusstsein und konnten ihn identifizieren. Und wahrscheinlich konnte man auch das Licht von Clarion Manors erkennen. Vielleicht hatte der Kerl auch die Befürchtung, dass wir schon den Krach gehört hatten und auf dem Weg waren? Ich weiß es nicht, aber so zumindest würde das Ganze einen logischen Sinn ergeben. Oder warum sonst sollte Sie jemand rammen?“

      „Das ist kühn gedacht“, bemerkte Kevin. Er rührte sich jetzt und setzte sich in einen weiteren Sessel.

      „Wir wollten wirklich nur etwas neugierig sein“, erklärte er nun entschuldigend. „Keinesfalls wollten wir Ihnen schaden. Und außerdem war das ganze meine Idee. Nehmen Sie es Maggie also nicht übel.“

      Felton lächelte. „Ich denke, solange niemand mit der dritten Figur auftaucht, werden Sie allein ebenso vor den Wänden stehen wie ich. Sie haben übrigens die freie Auswahl“, bot er großzügig an. „Vielleicht erwischen Sie ja durch Zufall die richtige?“

      14

      Maggie hatte die beiden Männer etwas mühsam wieder zur Ruhe gebracht.

      Es war fast zu Streit zwischen den beiden gekommen, als Felton den Tierarzt unterschwellig verdächtigte, hinter dem weißen Turm hergewesen zu sein.

      „Natürlich war mir mehr oder weniger klar, dass Sie eine Figur hatten, ebenso wie ich. Schließlich stammen sie von unseren Vorfahren, Ihren ebenso gut wie meinen“, hatte Kevin wütend hervorgestoßen. „Aber bis jetzt habe ich nicht vorgehabt, nach dem Gold