Alfred Bekker

Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis


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soll keiner Katze trauen, die in Freiheit geboren wurde. Kommen Sie, ich werde Sie verbinden.“

      „Aber ich musste hinüber zu der Löwin“, protestierte ich.

      „Das kann Doktor Johnson auch allein, der macht das schließlich nicht zum erstenmal“, unterbrach er mich und meinte meinen Kollegen Louis Johnson, der schon seit mehr als zwanzig Jahren hier arbeitete und bald in Pension gehen würde.

      Widerstrebend ließ ich es zu, dass Peter mich beiseite zog, doch einen letzten Blick warf ich auf Sheena. Ich verstand das Tier nicht so ganz. Es handelte sich hier nicht um einen Angriff, sie lag auch jetzt vollkommen ruhig da und behielt mich durch die Gitterstäbe im Auge. Sie sah irgendwie – zufrieden aus, so als würde sie mich mit dieser Verletzung von irgendetwas abhalten.

      Zwei Minuten später hörte ich draußen einen lauten Schrei, dem ein lautes Poltern folgte. Aufgeschreckt blickten Peter und ich aus dem Fenster.

      Ben, der Braunbär, hatte sich auf seinem täglichen Spaziergang losgerissen. Etwas musste ihn gestört oder erschreckt haben, sonst hätte das normalerweise friedfertige Tier niemals seinen Pfleger angegriffen. Die beiden waren ein Herz und eine Seele. Ben schlug auf den Menschen ein und kletterte auf den nächsten Baum. Wäre ich auf dem Weg zum Löwengehege gewesen, hätte er mich erwischen können. Noch einmal sah ich zu Sheena hinüber. Hatte sie gewusst, was geschehen würde? Vollkommen unmöglich. Doch sie schien mich anzulächeln. Ich war ja verrückt!

      Jetzt aber holte ich mein Betäubungsgewehr, Ben musste zurück in seinen Käfig, und das würde er im Augenblick wohl kaum freiwillig tun.

      Peter hatte es gerade noch geschafft, mir ein Pflaster aufzukleben, doch die Kratzwunden waren lang und tief, das Blut lief noch immer herunter. Das aber hatte Zeit.

      Fünf Minuten später setzte ich einen sicheren Schuss. Ben hockte noch immer auf dem Baum, brummte verängstigt und zuckte zusammen, als der Pfeil mit dem Betäubungsmittel seine Hinterbacken traf. Wenig später plumpste der große braune Teddy die zwei Meter zum Boden. Bei diesem Sturz konnte nicht viel passieren, und er wurde mit der Kraft von vier erwachsenen Männern in seinen Käfig geschafft.

      Die Löwin hatte unterdessen geworfen, und Louis hielt drei kleine Babys in der Hand, die jämmerlich maunzten.

      Die Wunden an meinem Arm schmerzten heftig, und ich fühlte mich nicht besonders gut, wahrscheinlich waren die Krallen verschmutzt gewesen, und mein Körper wehrte sich dagegen.

      Louis schaute sich die Verletzungen an und schickte mich nach draußen. Noch einmal besuchte ich Sheena, bevor ich ging. Die Gepardin lag friedlich auf einem alten Baumstumpf. Ihre Augen wirkten wachsam, und die Ohren bewegten sich aufmerksam.

      „Was hast du nur gemacht?“, fragte ich traurig. „Ich verstehe dich nicht, Sheena. Sind wir denn nicht Freunde? Ich würde nie etwas tun, was dich verletzt.“

      Sie streckte den rechten Vorderlauf aus, als wollte sie mir die Hand zur Entschuldigung reichen. Was war nur los mit ihr?

      Ich fuhr nach Hause und hatte das Gefühl Fieber zu bekommen. Zitternd stellte ich auf der Zufahrt den Wagen ab und ging ins Haus. Meine Beine waren ganz weich, mir wurde schwindelig, und ich musste mich an einer Wand abstützen.

      „Jessica!“ Mein Vater kam aus seinem Arbeitszimmer, sah mich und nahm mich in die Arme. „Henson“, brüllte er, und gleich darauf tauchte unser altbewährter Butler auf. Dieser Mann kannte mich seit meiner Geburt, und er hatte sich immer um mich gesorgt, ebenso wie er meine Streiche gedeckt hatte, solange ich noch Kind war.

      „Miss Jessica“, kam jetzt auch von ihm ein entsetzter Ausruf.

      Die beiden Männer stützten mich und brachten mich erst einmal in die Bibliothek, wo sie mich auf dem Sofa ablegten. Henson besorgte kalte Umschläge und betrachtete kritisch die Wunden.

      „Ich werde Dr. McMillan verständigen“, sagte der ältere Mann mit den eisgrauen Haaren, den ich noch nie anders als im schwarzen Anzug gesehen hatte.

      „Unterstehen Sie sich“, brachte ich hervor. „Es sind nichts weiter als ein paar Kratzer. Morgen geht es mir schon besser. Ich brauche nichts weiter als einen Whisky und ein paar Stunden Schlaf.“

      „Aber, Miss Jessica“, protestierte er. „Sie sind verletzt. Ich habe ja schon immer gesagt, dass eine solche Arbeit nichts für eine so zarte Frau ist.“

      Zarte Frau? Meinte er etwa mich? Ich war schlank und sportlich, mit meinen 26 Jahren noch nicht gebunden, obwohl man mir nachsagte, dass ich mit den roten Haaren und den grünen Augen eine klassische keltische Schönheit wäre. Aber zart? Naja.

      Mein Vater strich mir über die Stirn. „Es wäre aber doch bestimmt besser, wenn der Doktor wenigstens einen Blick...“

      „Ach, Dad, ich habe alle Impfungen hinter mir, und dies hier ist nichts weiter. Mich würde mehr interessieren, warum Sheena das getan hat.“

      „Das interessiert mich wiederum gar nicht“, erklärte er. „Mir wäre es am liebsten, würdest du diesen oft gefährlichen Beruf aufgeben. Ja, ich weiß, du willst unabhängig sein und etwas Sinnvolles tun“, wehrte er ab, als ich schon den Mund öffnen wollte. „Aber sicher gibt es Sinnvolles auch ohne tätliche Angriffe.“

      Er stand auf und holte mir endlich einen Whisky. Der scharfe Alkohol floss heiß durch meine Kehle, und ich fühlte mich gleich besser. Doch nun wurde ich müde. Die beiden Männer schlossen die Tür und ließen mich allein.

      Übergangslos schlief ich ein.

      3

      Als ich erwachte, war es dunkel. Hatte ich tatsächlich so lange geschlafen? Mein Arm schmerzte höllisch, doch ich wusste absolut sicher, dass die Wunde gut verheilen würde. Quälender Durst trieb mich auf die Beine. Mein Vater und Henson waren sicher schon zu Bett gegangen, ein Blick zur Uhr zeigte, dass es weit nach Mitternacht war. Draußen tobte ein Gewitter, Blitze zuckten durch die Nacht, und Donner grollte. Das Licht funktionierte nicht, vermutlich waren die Stromleitungen durch das Unwetter wieder einmal ausgefallen. Ich dachte in diesem Moment nicht darüber nach, dass in unserem Hause angeblich Geister noch immer ihr Unwesen treiben sollten. Um ehrlich zu sein, ich hatte das längst verdrängt, denn mir waren sie schließlich noch nie begegnet.

      Ich zündete eine Kerze an und machte mich auf den Weg in die Küche. Völlig überrascht blieb ich stehen, als auf dem Flur ein eisiger Windstoß aufkam und die Kerze löschte. Bevor ich noch leise vor mich hin schimpfen konnte, erschienen sie direkt vor mir.

      Drei leuchtende Gestalten tanzten in der Luft. Sie waren etwas größer als ich, und im ersten Moment hatte ich sie für eine Nebenerscheinung des Gewitters gehalten, eine Art Elmsfeuer oder so etwas. Doch ich bemerkte meinen Irrtum gleich darauf, als die drei sich zielgerichtet bewegten und mich umringten. Plötzlich hatte ich einen trockenen Mund, mein ganzer Körper begann zu zittern, und ich fühlte den unwiderstehlichen Drang davonzulaufen. Ich hatte Angst!

      Das mit dem Weglaufen konnte ich natürlich vergessen, denn diese Wesen bewegten sich schneller als ich. Mit Mühe zwang ich mich, ruhig stehenzubleiben und diese Erscheinungen näher zu betrachten. Wenn ich mir hinterher selbst noch erklären wollte, was ich hier gesehen hatte, musste ich möglichst genau wissen, was mir gerade geschah.

      Mit Erstaunen bemerkte ich, dass diese Wesen meine Gedanken zu erraten