Nicola Schmidt

Erziehen ohne Schimpfen


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PUNKTE: Überlegen Sie, wie sehr Sie gestresst sind. Vielleicht ist etwas Entlastung grundsätzlich eine gute Idee, um das Familienklima zu verbessern – auch dazu finden Sie hier Ideen.

      13–24 PUNKTE: Der ganz normale Wahnsinn – alle Eltern haben manchmal das Gefühl, dass es besser laufen könnte. Schauen Sie nach der Lektüre des Buches auf diese Seite zurück – und stellen Sie sich die Fragen erneut!

      25–30 PUNKTE: Wow – toll, dass Sie mit ihrer Familie noch weiter gehen wollen, obwohl sich schon alles eigentlich super anfühlt!

      Bestandsaufnahme

      Hier geht es darum, dass wir unseren Verstand auf einen Nordstern, eine Richtung ausrichten. Wenn wir unserem Gehirn nicht ganz genau sagen, wo es langgeht, werden wir irgendwo landen, aber nicht dort, wo wir hinwollen. Daher schreiben wir hier kurz auf, wie es jetzt ist und wie es sein soll. Sie können im Laufe der Lektüre immer wieder zu dieser Bestandsaufnahme zurückkehren. Schreiben Sie kurz auf:

       » Warum haben Sie dieses Buch gekauft? Was hat Sie motiviert?

       » Welche Fragen beschäftigen Sie bezüglich Ihrer Kinder?

       » Was sind Ihre größten Stärken als Mutter oder Vater, Großmutter oder Großvater?

       » Was würde ein heimlicher Beobachter im Alltag an Ihnen bewundern, was können Sie richtig gut?

       » Wie sieht Ihr Kind Sie? Welche positiven Eigenschaften würde Ihr Kind Ihnen zuschreiben?

      Wenn Sie mehrere Kinder haben, beantworten Sie die Frage für jedes Kind einzeln. Nennen Sie dazu jeweils ein Beispiel aus dem Alltag. Das könnte sein: Mein Kind sieht mich als warme und liebevolle Mutter; zum Beispiel nehme ich es immer in den Arm, wenn es aus der Schule kommt, und knuddle es ganz fest.

      Ausblick

      Wie möchten Sie als Begleiter Ihres Kindes sein? Was wäre das beste Ich, das Sie gerne hätten für ein friedliches Zusammenleben in Ihrer Familie? Beschreiben Sie, wie Sie sein möchten, wie es sich anfühlen würde, wie der Alltag ablaufen würde und wie Sie und Ihre Kinder sich fühlen werden, wenn es so weit ist.

      Das Leichte ist richtig. Beginne richtig, und es ist leicht. Fahre leicht fort, und es ist richtig.

      Dschuang-Tsu

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       »Es reicht!«

       WARUM WIR ELTERN AUSRASTEN

      Es passiert, wenn niemand damit rechnet: Eben gehen wir alle noch fröhlich durch den Supermarkt, plötzlich beginnen die Kinder zu zanken und innerhalb weniger Sekunden sind wir mitten im heftigsten Streit. Das ganze System kippt, nur weil wir heute keine zweite Packung Schokokekse kaufen wollten.

      WENN BEIM FRÜHSTÜCK DAS GLAS UMFÄLLT …

      Aber wie kann das sein? Wie kann es sein, dass vernünftige Erwachsene, die in Meetings oder am Arbeitsplatz endlose Geduld mit Kunden und Kollegen haben, von ihren Kindern (oder auch Partnern) innerhalb von wenigen Sekunden von 0 auf 180 gebracht werden? Wie schafft es ein laufender Meter von drei Jahren, einen erwachsenen Homo sapiens mit nur zwei frechen Antworten vom entspannten Einkaufsmodus in den gestressten Gefahrenmodus umzuschalten? Und warum können wir uns oft so wenig dagegen wehren? Wer kennt es nicht, dass wir in der Wut oder im Stress Dinge sagen oder tun, die uns später leidtun, die wir sonst nie sagen würden, die uns manchmal sogar peinlich sind, wenn andere mitgehört haben.

      Und nicht zuletzt müssen wir uns ja eingestehen, dass diese Methode alles andere als effektiv ist. Müssen wir uns doch das eine oder andere Mal hinterher heimlich fragen, ob diese Standpauke

       » wirklich NOTWENDIG war,

       » unbedingt SO LAUT sein musste, dass es jeder mitbekommt,

       » beim Kind etwas BEWIRKT hat, außer es zum Weinen zu bringen.

      Das Unglaubliche: Am nächsten Morgen kann es sein, dass wir in der gleichen Situation völlig entspannt reagieren. Nur Hirnforscher können uns erklären, woran das liegt.

      Eine Reise ins Gehirn

      Lassen Sie uns eine Reise ins menschliche Gehirn unternehmen und beginnen wir dazu mit einer ruhigen, friedlichen Situation: Wir sitzen am Frühstückstisch, es ist Sonntagmorgen, alle sind ausgeschlafen und entspannt. Ein Kind sitzt mit am Tisch und schmiert sich ein Frühstücksbrot. Es greift nach der Schokocreme. Da bringt es aus Versehen mit der Hand das vor ihm stehende Glas zum Umkippen. Unsere Augen nehmen die Bewegung wahr und sehen das Glas fallen. Bevor wir jetzt reagieren, muss unser Kopf einen sehr komplexen Prozess bewältigen. Die Augen schicken die Information über die Bewegungen am Tisch erst an das sensorische System im hinteren Teil des Gehirns. Dieses verarbeitet die Bilder und schickt sie weiter an unseren hauptsächlichen Denkapparat, den »präfrontalen Cortex«. Nennen wir ihn hier der Einfachheit halber unseren »Verstand«. Er ist zuständig für die ENTSCHEIDUNG, was wir jetzt tun. Das sensorische System »fragt« also erst mal nach: »Ich habe hier Bewegungsbilder von einem fallenden Glas. Wie bewerten wir sie? Wie müssen wir reagieren?«

      Der Verstand analysiert die Bilder und stellt fest, dass das Glas noch leer war, dass nichts kaputtgegangen ist und das Kind sich nicht wehgetan hat. Es bewertet demnach die Situation als »nicht gefährlich«. Diese BEWERTUNG schickt es weiter an verschiedene Schaltstellen im Gehirn, ebenso an das motorische System. Jetzt können wir entspannt einen Arm nach vorne strecken, das Glas aufstellen und vielleicht sagen: »Du hast Hunger, was? Sei bitte vorsichtig!« Dies ist der normale Informationsfluss im Gehirn. Wir sehen etwas, bewerten es und reagieren dann. Der Clou an der Sache ist die Analyse und Bewertung.

      Wir reagieren im normalen Alltag nicht instinktiv oder im Affekt, sondern nach einem blitzschnell ablaufenden Denkvorgang, der uns sagt, was jetzt eine kluge Handlung wäre.

      Über chaotische Kollegen und fallende Äste

      Der Vorteil dieses Systems liegt auf der Hand: Unser sehr starker, sehr kluger Verstand entscheidet immer mit. In jeder Lebenslage, egal ob zu Hause am sonntäglichen Frühstückstisch oder wochentags am Arbeitsplatz. Und selbst wenn wir den Impuls verspüren, unserem Kollegen endlich mal ordentlich die Meinung zu sagen, können wir diesen Impuls unterdrücken. Denn wir wissen, dass er auf freundliche Hinweise viel besser reagiert. Wir sagen dann vielleicht einem Freund: »Ich hätte große Lust, diesem Chaoten mal so richtig die Meinung zu geigen!« – aber wir tun es nicht. Stattdessen warten wir auf einen günstigen Moment, um in Ruhe zu besprechen, dass wir zum Beispiel Terminankündigungen etwas früher brauchen, um uns darauf einzustellen.

      Leider hat dieses System auch einen Nachteil: Es ist relativ langsam. Wenn wir beim Waldspaziergang über uns einen Ast abbrechen hören, haben wir schlicht nicht die ZEIT, die Information des sensorischen Systems (Knacken von Holz über uns) zu bewerten und zu analysieren: Ist es gefährlich? Wo ist der Ast? Wie dick ist er? Lohnt sich der Aufwand, zur Seite zu springen? Wer das in den letzten Jahrtausenden gemacht hat, hat sicher nicht lange überlebt. Es war KLÜGER, ohne nachzudenken schnell zur Seite zu springen.

      Deshalb nimmt unser Gehirn im Gefahrenfall eine ursprünglich sinnvolle, heute aber fatale Abkürzung. Wenn wir etwas Gefährliches hören oder sehen, umgeht das Gehirn den präfrontalen Cortex. Es würde einfach zu lange dauern, den Umweg über den Verstand zu gehen. Daher sendet das sensorische System seine Nachrichten lieber sofort an das motorische System – wir reagieren direkt und springen zur Seite. Diese Reaktion nennt man die Kampf-oder-Flucht-Reaktion.

      Mutter Natur hat es nur gut gemeint! Das Problem ist: Unter Stress handeln wir leider »ohne Sinn