Nicola Schmidt

Erziehen ohne Schimpfen


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Cortex kann nur noch schwer Ziele setzen, planen und positive Gefühle hervorbringen, wir haben das Gefühl, es gebe keinen Ausweg aus unserer Situation. Wenn der Dauerstress langfristig anhält, haben wir ein Problem. Denn es fällt uns immer schwerer, die Stressreaktion abzuschalten. Im schlimmsten Fall drohen dauerhafte Schäden am Hormonsystem und schließlich Burn-out und Depressionen.

      Was Stress mit Erziehung zu tun hat

      Doch schon lange bevor wir solche Effekte sehen, blockiert Stress eine gesunde Erziehung. Forscher können nachweisen, dass gestresste Eltern deutlich NEGATIVES Erziehungsverhalten zeigen. An entscheidenden Stellen sind wir nicht so leistungsfähig, wie wir sein könnten.

      Aber was passiert denn da im Alltag, wenn wir Eltern ständig gestresst sind? Forscher haben das sehr genau beobachtet, um herauszufinden, wie sich die ganzen EFFEKTE im Gehirn am Ende auf unser Verhalten gegenüber den Kindern auswirken. Gibt es vielleicht STABILERE, stärkere, stressresistentere Kinder? Hören sie besser oder funktionieren sie besser, weil wir mehr fordern? Leider nein.

      Gestresste Eltern haben durch ihr Verhalten vielmehr ein deutlich höheres Risiko, VERHALTENSAUFFÄLLIGE Kinder zu erziehen. Sie haben entgegen der landläufigen Meinung nämlich keineswegs Kinder, die besser funktionieren.

      Gestresste Eltern stellen Anforderungen, denen die Kinder nicht genügen können – nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie eben noch Kinder sind.

      Beispiele dafür kennen wir alle: Wir wollen, dass das Baby mit sechs Monaten durchschläft, dass sich die Zweijährige die Schuhe anziehen lässt, dass sich die Dreijährige nicht immer mit ihrer Schwester streitet, dass der Fünfjährige brav wartet, bis das Essen fertig ist, und dass der Große klaglos seine Hausaufgaben macht. Außerdem sollen die Kinder sich schnell anziehen, wenn wir losmüssen, und still sein, wenn wir E-Mails schreiben, nicht naschen, bis das Essen auf dem Tisch steht, und sich tadellos benehmen, wenn Besuch da ist.

      All diese Anforderungen stellen die Kinder wiederum selbst unter Stress – und sie beginnen, sich problematisch zu verhalten. Die Kinder weinen oder schreien, streiten oder machen Fehler. Sie vergessen Dinge oder werden ganz still, gehen in den dritten Modus, das »Einfrieren«, das zwar leise passiert, aber die Stressreaktion in ihrem kleinen Körper läuft unsichtbar immer weiter.

      So prägen wir schon die ganz kleinen Gehirne in dem gleichen Maße, wie wir das unsere prägen, wenn wir uns erlauben, ständig gestresst zu sein.

      Was Uroma mit unserem Stress zu tun hat

      Doch oft können wir nicht einmal etwas dafür, dass wir so schnell »hochfahren«. Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum manche Eltern schneller die Nerven verlieren als andere? Es gibt natürlich vielfältige Gründe, zum Beispiel Lebensumstände, Belastung und Temperament der Kinder. Doch wir wissen aus der Forschung, dass etwa 30 Prozent aller Menschen auch unter widrigsten Umständen keine schädigenden Stressreaktionen zeigen. Drei Faktoren sollten wir uns daher vor Augen halten, bevor wir uns schuldig fühlen für unsere Ausraster:

      1. FRÜHE PRÄGUNG: Das Stresssystem wird in den ersten Lebensjahren jedes Menschen so eingestellt, wie es dann im späteren Leben reagieren soll. Das war ursprünglich ein gutes System: Wenn ein kleiner Homo sapiens in einer Gegend mit vielen Raubtieren aufwuchs, war es klug, etwas vorsichtiger und schneller alarmiert zu sein als in einer Gegend mit wenigen Fressfeinden. Heute haben allerdings viele Menschen durch Verlusterfahrungen als Säugling oder eine sehr strenge Erziehung ein sehr reaktives Stresssystem, obwohl wir heute in einer sehr sicheren Welt leben. Wenn unser Stresssystem so von unserer Kindheit her auf »Gefahr« gepolt ist, dann geraten wir schnell unter Druck – ob wir wollen oder nicht.

      2. EPIGENETIK: Das Stresssystem hat auch etwas mit unserer Familie zu tun. In Rattenexperimenten kann man zeigen, dass Stresssysteme sich vererben. Wenn eine Mutterratte massivem Stress ausgesetzt wird, reagieren ihre Kinder auch dann stark auf Reize, wenn sie selbst nie starken Stress erfahren mussten. Genauso ist es bei uns: Wenn unsere Eltern oder Großeltern massivem Stress ausgesetzt waren (zum Beispiel durch Krieg, Hunger, Flucht oder Vertreibung), dann müssen wir damit rechnen, auch selbst stark auf Stimuli zu reagieren.

      3. VERANTWORTUNG: Das Stresssystem ist zwar voreingestellt, aber wie wir damit umgehen, liegt glücklicherweise in unserer Hand. Durch Meditation, Körperwahrnehmung und Achtsamkeitsübungen können wir der Epigenetik ein Schnippchen schlagen und lernen, mit unserem schnell aktivierten Mandelkern besser umzugehen.

      AUF EINEN BLICK

       Stress ist eine ursprünglich gesunde Reaktion auf eine gefährliche Situation. Leider sind wir in unserer schnellen Welt oft unter Dauerstress, weil unser Gehirn ständig und überall Gefahren sieht.

       Wenn wir dauerhaft Stress haben, wird Erziehen schwierig, weil wir auf wichtigen erzieherischen Feldern blockiert sind: Mitgefühl, Geduld, Planung, Konzentration, Nachsicht.

       Bei dauerhaftem Stress wird es immer schwieriger, sich zu beruhigen – ein negativer Kreislauf entsteht.

       Wie wir auf Stress reagieren, haben wir nicht in der Hand. Unser Gehirn ist auf eine bestimmte Stressreaktion geprägt, die teils von unseren Vorfahren, teils aus unserer eigenen Kindheit kommt.

       Mit einfachen, täglichen Übungen können wir deutlich stressresistenter werden. Wie das geht, erfahren Sie ab >.

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