kommst du her?“, fragt der Rancher grollend.
„Hat er es dir nicht gesagt? Ich war auch in der Stadt.“
„Macht ihr alle, was ihr wollt?“
„Jeder von uns scheint seine eigenen Wege zu gehen“, meint Roger ausdruckslos.
„Hast du es gesehen?“
„Ja.“
„Wie war das, als Andy schoss? Hatte der Keeper schon gezogen?“
„Er hatte gar keinen Colt bei sich.“
Berton Keefes Gesicht ruckt herum.
„Keinen Colt . . .?“
„Nein “
„Er lügt!“, schreit Andy.
Roger lächelt flüchtig. Es wird auf seinem Gesicht kaum sichtbar.
„Warum sollte ich lügen?“, fragt er. „Habe ich etwas davon?“
„Vielleicht!“, zischt Andy.
„Ich wäre nicht hierhergekommen, wenn mich Dallas nicht darum gebeten hätte.“
„Wer ist Dallas?“, will der Rancher wissen.
„Ein Tanzhallenmädchen. Sie hat Angst um ihn, weil die Männer eine Posse zusammenstellen. Sie werden hierher kommen. Es kann nicht mehr lange dauern.“
Andy stemmt sich von der Wand ab und geht bis zur Mitte des Zimmers.
„Dazu fehlt ihnen der Mut!“
„Als der Marshal ermordet wurde, fehlte ihnen der Mut, das stimmt. Aber nun denken sie wohl daran, dass Collins ein Eldorado für Banditen werden könnte, wenn sie sich nicht auf ihre Kraft besinnen. Deshalb kommen sie.“
„Wir schicken sie mit blutigen Köpfen nach Hause!“, kreischt Andy.
„Du hältst jetzt die Klappe. — Roger, wie war das mit dem Marshal? Ist er tot?“
„Hat Andy das vergessen zu sagen?“
„Offenbar ja. Los, sprich!“
„Der Marshal wurde von den Männern ermordet, zu denen jener Wegelagerer gehörte, den ich erschoss. Die Banditen wollten das Geld zurückholen, das ich Darcan gab.“
„Woher wussten sie es?“
„Das weiß ich nicht. Irgend jemand muss es ihnen gesagt haben.“ Roger blickt seinen Bruder an, und für zwei Sekunden kreuzen sich ihre Blicke.
„Dad, du jagst sie zurück!“, ruft Andy. „Hörst du, was ich sage?“
„Du bist verrückt. Du bist so verrückt, dass ich dich dafür totschlagen würde, wenn du nicht mein Sohn wärst. Andy, in dir habe ich mich immer selbst erkannt. So war ich früher. Aber einen Mord? Nein, einen Mord hätte ich nie begangen.“
„Ich sah aber einen Colt in seiner Hand!“
„Hör auf! — Roger, weißt du, warum er ihn erschossen hat?“
„Nein Vielleicht ist er sehr erschrocken. Der Keeper rief ihn von hinten an.“
„Warum?“
„Lass dir das doch von ihm erklären.“
„Er belügt mich am laufenden Band.“
„Ich glaube, sie kommen bald“, sagt Roger.
„Willst du, dass er flieht?“
„Er ist mein Bruder.“
„Damit du hier alles schlucken kannst, was?“, knirscht Andy.
Roger schaut ihn wieder an.
„Du Narr! Denkst du, du hättest etwas von der Ranch, wenn sie dich in Collins hängen? Oder denkst du, diese Ranch hätte etwas davon, wenn sie sich vor einen Mörder stellt? In spätestens zwei Wochen wäre der letzte Cowboy, der etwas taugt, verschwunden.“
„Er hat recht“, brummt der Rancher.
„Auf Terror kann ich meine Macht nicht aufbauen.“
„Was hast du denn mit den Siedlern gemacht?“, schreit Andy.
„Mit den Siedlern? Ich war immer im Recht. Aber wenn ich mich vor einen Mörder stelle, habe ich nie recht!“
Roger denkt daran, dass einer der beiden gerade so schlecht ist wie der andere. Berton Keefe hat nur mehr Macht als sein Sohn in den Händen und braucht nicht selbst zu töten.
„Du verschwindest“, murmelt der Rancher. „Zumindest für einige Zeit. In ein paar Jahren ist Gras über die Sache gewachsen. Andy, hol die Kassette! Den Schlüssel brauchst du nicht zu suchen. Ich habe ihn in der Tasche.“
„Weil du mir nicht traust!“
„Es war gut, dir nicht zu trauen. Hol die Kassette!“
Roger tritt zur Seite, als Andy auf die Tür zugeht. Andy kommt mit der Kassette zurück.
„Ich gebe dir zweihundert Dollar“, meint der Rancher.
„Zweihundert?“
„Brauchst du mehr?“
„Ja.“
„Dann reite dorthin, wo du dir etwas verdienen kannst. Vielleicht verhilft dir das dazu, anders zu werden.“
16
Der Rancher hat seinen Stuhl auf die Veranda gerollt, als Andy in den Sattel steigt und schweigend fort reitet.
„Er hat gespielt, nicht wahr?“, fragt er über die Schulter.
„Das ist doch unwichtig geworden“, gibt Roger zurück. „Ja, er hat gespielt und verloren. Darüber hat er sich so sehr geärgert, dass er Streit suchte. Aber vielleicht wollte er wirklich niemanden töten. Er muss erschrocken sein, als der Keeper ihn von hinten anrief.“
Roger blickt hinter seinem Bruder her. Er fragt sich, warum Andy seinen letzten Trumpf, den er zu haben glaubte, nicht mehr ausspielte. Warum hat er nicht noch gesagt, dass nur er, Roger, dem Siedler Pegg das Geld gegeben haben kann, mit dem er seine Schulden bezahlte.
Vielleicht hat Andy in der Aufregung nicht daran gedacht. Ja, so muss es sein. Der Tod des Keepers hat ihn selbst überrascht. Das erklärt auch sein schnelles Verschwinden aus der Stadt.
Berton Keefe wendet den Rollstuhl und fährt ins Haus zurück.
Roger geht hinter ihm her. Er lehnt sich gegen den Türpfosten des Wohnraumes und blickt hinter seinem Vater her, der bis zum Kamin fährt, dort hält und in die heruntergebrannten Flammen starrt.
„Hat er Schulden in der Stadt gelassen?“
„Ja, ich glaube.“
„Wer bekommt Geld?“
„Der Schreiner. Ich weiß nicht, ob er der einzige ist.“
„Wie viel?“
„Über fünfhundert Dollar. Ich glaube, fünfhundertzwanzig. Andy hat zwei Schuldscheine ausgestellt.“
Berton Keefe wendet den Rollstuhl, damit er Roger anschauen kann.
„Es ist sein Glück, dass ich es erst jetzt erfahre!“, stößt er hervor. „Hat er in letzter Zeit noch mehr verspielt?“
„Das weiß ich nicht.“
„Doch, du weißt es! Ich sehe dir an, dass du es weißt. Und du brauchst auch nicht mehr zu antworten. Ja, er hat gespielt. Gespielt und verloren! Und woher nahm er das Geld?“
Roger schweigt. Er denkt daran, dass er sich diese Frage auch eine lange Zeit stellte. Bis er plötzlich wusste, woher