Monika Loerchner

Hexenherz. Goldener Tod


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hat recht, das wäre der deutlich einfachere Weg. Die Fremde könnte sich selbst davon überzeugen, dass ihr Mann nicht bei uns ist. Danach würde sie mit ihren Anhängseln weiterziehen und uns in Ruhe lassen.

      »Von mir aus«, knurre ich. »Aber Sie rühren sie nicht an!« Keine fasst meinen Sohn an!

      Die Frau lacht spöttisch. »Wie soll ich denn sonst herausfinden, ob Sie Arno nicht doch dabeihaben und nur tarnen?«

      »Keine von uns verfügt über solche Magie«, mischt sich Simone ein. »Das wäre ja auch ein ziemlicher Zufall, meinen Sie nicht?«

      Die Fremde hält kurz inne, legt den Kopf schief, schweigt.

      »Dem ist wohl so«, sagt sie schließlich. »Entschuldigen sie bitte«, kommt es dann zu meinem Erstaunen. »Ich bin heute nicht ich selbst.«

      »Kein Wunder, wenn Sie Ihren Mann vermissen«, gibt sich Simone verständnisvoll. Das heißt, so wie ich sie kenne, IST sie es sogar. »Seit wann ist er denn weg?«

      »Seit vierzehn Stunden«, die Stimme der Frau klingt nun düster. »Zumindest vermuten wir das. Wir selbst sind seit vier Stunden unterwegs, um ihn zu suchen.«

      Das ungute Gefühl, das mich von Beginn an beschlichen hat, wird stärker.

      »Wurde Ihr Mann denn entführt, oder ist er … ?«

      Ich beende den Satz mit Absicht nicht, biete der Frau eine Möglichkeit, eine Ausrede zu erfinden.

      Doch die denkt gar nicht daran, irgendetwas zu verschleiern.

      »Er ist weggelaufen«, ihr bekümmerter Tonfall klingt unecht. »Wir hatten einen kleinen, nun, Streit, wie das schon mal vorkommt unter Eheleuten. Ich habe ihn wohl etwas … erschreckt.«

      »Er ist weggelaufen?«, echot Simone. Ich gebe ihr einen Knuff. »Halt die Klappe!«

      »Allein?«, frage ich nach.

      »Soweit ich weiß, befand sich keine sonst in unserem Haus.« Die Frau spuckt aus. »Es könnte allerdings sein, dass ihn einer seiner kleinen Hausmännerfreunde begleitet. Vermisst gemeldet wurde keiner, doch wer weiß das schon? An Markttagen kommen die Leute aus allen möglichen Dörfern zusammen. Es wäre schon möglich, dass er zu einem von denen gegangen ist, um sich mal so richtig auszuweinen.«

      Diese Dame gefällt mir mit jeder Minute weniger.

      Eine der anderen Frauen nickt eifrig. »Wir haben mit Sybille schon zig Dörfer abgeklappert. Die liegen hier so verstreut, dass es noch Stunden dauern wird, alle zu überprüfen.«

      »Ich denke allerdings eher, dass er nach Annaburg unterwegs ist.«

      »Hat Ihr Mann dort Sippschaft?«

      »Nein, aber er wollte immer schon mal in die Stadt. Nach Annaburg oder sonst wohin. Hat mir immer das Ohr blutig gelabert von wegen, wie toll es dort sein muss. Dass er als Mann dort auch eine bezahlte Arbeit finden könnte und dergleichen Unsinn mehr. Ich hoffe doch sehr, dass es uns gelingt, ihn vorher zu finden. Seien wir ehrlich: Ein Mann allein in der großen Stadt – das kann sehr unschön enden.« Im Stillen gebe ich ihr recht. Vor allem abends sollte jeder anständige Mann zuhause sein. Zu leicht kann sonst ein gewisser Eindruck entstehen.

      Jetzt lässt Simone ihr Pferd nach vorne gehen. Neben mir zügelt sie es, ignoriert meine gezischten Warnungen und schaut die Frau aus mitfühlenden Augen an.

      »Aber wenn er doch freiwillig weg ist, dann … «

      »Ja?«

      »Dann kommt er doch sicher wieder, sobald er sich beruhigt hat?«

      So, wie sie es sagt, klingt der Vorschlag eher nach einer Frage.

      Sybille beugt sich im Sattel vor.

      »Sind Sie verheiratet?«, zischt sie und kneift die Augen zusammen, als Simone den Kopf schüttelt. »Dann können Sie wohl kaum mitreden, wenn es darum geht, was ein hysterischer Mann tut und was nicht. Männer sind nicht so wie wir, zumindest das sollte Ihnen klar sein. Weniger … besonnen, und natürlich viel weniger intelligent. Ein Mann, der von seinen Gefühlen überfraut wird, ist nicht mehr in der Lage, klar zu denken – so er es denn je gewesen ist.«

      Die Frauen neben ihr kichern. Ich muss aufpassen, dass ich nicht aus Versehen schmunzele!

      »Er ist mein Mann und ich habe das Recht und die Pflicht, auf ihn aufzupassen.«

      »Finden Sie das richtig?«

      Große Göttin, lass Simone jetzt nicht vor diesen angespannten, kampfbereiten Frauen von den lächerlichen Ansichten der Rebellinnen anfangen!

      Kapitel 14

      Sybille runzelt die Stirn.

      »Ja natürlich, was denn sonst?«

      »Was Simone eigentlich meinte«, ich schicke meiner Freundin unauffällig einen kleinen Windstoß in den Mund, um sie am Weiterreden zu hindern, »ist, dass wir ja heutzutage schon davon ausgehen, dass erwachsene Männer zumindest über einen Hauch Selbstständigkeit verfügen.«

      »Diesen modernen Ansichten habe ich mich nie angeschlossen«, wischt die Frau den Einwand weg. »Männer gehören ins Haus, wo sie sich um Kinder, Heim und Herd kümmern. So will es die Große Göttin, so will es das Gesetz und ich wüsste nicht, wieso wir daran etwas ändern sollten. Im Gegenteil, wenn ich an diese ganzen ›alleinstehenden Männer‹ denke«, sie deutet finster in Richtung Annaburg, »die sich in Städten tummeln … Das ist doch gegen die natürliche Ordnung!«

      »Was sollen sie denn machen? Verhungern?«

      »Sich gefälligst eine Frau suchen«, keift die Pflanzenhexe. »Für einen fügsamen Mann, der seinen Haushalt im Griff hat, findet sich doch immer eine Frau.«

      Ob ich es wagen kann, die Frau magisch zu beruhigen? Besser nicht. Keine reagiert freundlich darauf, von einer Fremden magisch angegangen zu werden.

      »Aber sehen Sie«, sage ich betont freundlich, »immerhin leben diese Männer ja nicht irgendwo, sondern in Wohnheimen. In denen weiblicher Besuch verboten ist. Ihre Tugend bleibt also auch in einer Stadt wie Annaburg bewahrt!«

      Sybille schnaubt, belässt es aber dabei. Sie ist etwas altmodisch und definitiv unsympathisch, doch ich verstehe sie in der Hinsicht. Nie im Leben hätte ich Kolja erlaubt, sich als Junge nach Annaburg zu begeben. Allein, dass er sich als Frau getarnt hat, hatte dazu geführt, dass ich ihn gehen ließ.

      Die Frau neben Sybille lacht ärgerlich. »Männer und ihre Tugend! Zu leicht vergessen sie heutzutage, wo ihr Platz ist. All dieses Pack, das herumrennt und von dieser obskuren Gleichwertigkeit der Geschlechter spricht«, sie schüttelt den Kopf, während ich hoffe, dass Corey seine Klappe hält, »das bringt unsere braven Männer doch nur auf dumme Gedanken!«

      Etwas altmodisch, doch sie hat recht.

      »Es gibt Männer«, sagt Simone vorsichtig, »die nicht mehr das wollen, was sie haben, sondern sich nach anderen Dingen sehnen.«

      »Was wollen Sie damit sagen?«, zischt die Anführerin.

      »Nun ja – vielleicht möchte Ihr Mann ja tatsächlich lieber in der Stadt leben. Sich dort eine Arbeit suchen und eigenes Geld verdienen.«

      Große Göttin, muss das jetzt sein?

      »Vielleicht sollten Sie einfach umkehren und ihn seine Erfahrungen machen lassen«, fährt Simone fort, »wenn er dann zu Ihnen zurückkommt wissen Sie, dass es wirklich das ist, was er will.«

      Ich nehme vom Boden her schwache Vibrationen wahr. Irre ich mich, oder tut sich da etwas unter der Erde? Wir sollten zusehen, dass sich die Wut der verlassenen Frau nicht an uns entlädt.

      »Es steht Ihnen nicht zu, sich darüber ein Urteil zu erlauben.«

      »Da haben Sie sicher recht«, sage ich rasch