Ulrich Pfeiffer

Ich bin 'ne tolle Frau, aber...


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dass bei denen eben auch Vieles nicht so funktioniert. Das mag stimmen, wichtig finde ich dabei, wie glücklich jemand mit dem eigenen Leben ist.

      Es kann sehr befriedigend sein, wenn alles genauso klappt, wie es scheinbar sein soll. Und es mag Menschen geben, denen das völlig reicht. Viele finden es auf Dauer aber auch unbefriedigend. Das zeigt sich dann mit einem zunächst undefinierbaren Gefühl… „es fehlt mir doch an nichts, ich habe keinen Grund unzufrieden zu sein…“ und so weiter. Stimmt, Du verhungerst nicht und Du hast ein Dach über dem Kopf. Ist das nun die Anwesenheit von persönlichem Glück oder die Abwesenheit von Unglück?

      Vielleicht definierst Du Dich nur über Deine Funktion. Deine Umgebung nutzt Dich gerne, manchmal gibt es sogar Lob… und bei Dir kommt die innere Frage irgendwann, ob das alles im Leben gewesen sein kann.

      Es hängt allein von Dir ab. Du musst nicht nur funktionieren und Du alleine bist dafür verantwortlich, dass Deine Umgebung das auch versteht. Perfekt funktionierende Menschen sind nützlich, aber nicht unbedingt mehr. Da hat es auch keinen Sinn, sich zu sagen: „Wenn erst mal die Kinder mit der Schule fertig sind, wenn mein Mann die schwierige Phase im Job hinter sich hat, wenn die Eltern eine gute Pflege haben, wenn wir die Raten abbezahlt haben“ … Ich kann das endlos fortführen. Eventuell erkennst Du Dich bei der Aufzählung wieder. Es schützt uns ja auch, nicht wirklich über uns selber nachzudenken und uns um eigene Bedürfnisse zu kümmern. Vielleicht befürchtest Du, es kommt bei Deiner Familie oder im Freundeskreis nicht so gut an. Das kann passieren. Aber dann müssen sie sich eben eine andere „Maschine“ suchen. Wenn Du es aber gar nicht ansprichst, bist Du selber schuld. Warte nicht darauf, bis Deine Umgebung etwas ändert. Irgendwann bist Du ausgebrannt und unglücklich und keiner versteht Dich… „Warum hast Du denn nie etwas gesagt?“

      Sprich aus, was für Dein glückliches Leben wichtig ist. Deine eigenen Bedürfnisse zu nennen, gibt außerdem Deinen Mitmenschen die Möglichkeit, Dir zu helfen und damit selber zu „wachsen“. Ist doch ein schöner Aspekt…! Eines muss Dir klar sein: Perfektion ist nicht liebenswert, Du wirst sehen, gerade die scheinbaren „Schwachstellen“ machen den Reiz aus und machen Dich einzigartig und begehrenswert.

      „Wenn ich erwachsen bin, werde ich eine berühmte Schauspielerin!“ oder „Ich werde die beste Ärztin der Welt!“ oder „Ich reise um die ganze Welt und schaue mir jedes Land an!“ … Alles Aussagen, die leicht aus Kindesmund kommen. Ganz ohne Relativierung oder Einschränkung. Auf jeden Fall die Beste, die Berühmteste, die nichts Auslassende.

      Und was ist dann passiert? Du hast gelernt, „vernünftig“ zu denken. Du hast die „Lebens-Wunscherfüllung“ nicht mal in Ansätzen probiert (wie es zum Beispiel Jane Godall, die berühmte „Affenmama“, gemacht hat). Und sitzt heute vielleicht in einem Büro und bist nicht unbedingt glücklich. Wahrscheinlich haben Dir Deine Eltern, Dein Umfeld geraten, besser etwas Sicheres zu machen, einen Beruf zu erlernen, der für eine eigene Familie und alles Weitere am besten zu Dir passt.

      Mit dieser vorausschauenden Lebenshaltung wird man dann häufig bereits zu Schulzeiten gefüttert, die Noten sind vielleicht auch nicht die besten… das kann einen dann schon auf Mittelmaß zurechtstutzen. Solche Ratschläge können sehr nachhaltig wirken…

      Also meine Schulnoten waren durchschnittlich, da ich viel zu faul zum Lernen war. Aber ich hatte Wünsche, und die hatten nichts mit „Geld verdienen“ zu tun, auch nicht mit irgendeiner undefinierbaren Selbstverwirklichung. Ich fand es klasse, Frauen beziehungsweise in jungen Jahren Mädchen zu fotografieren.

      Und um das so gut wie möglich zu machen, wollte ich alles dafür lernen. Das Interesse an Werbung und das Schreiben haben sich dann später herauskristallisiert. Ich bekam natürlich den Ratschlag, ich müsste mich mehr spezialisieren… das passt aber nicht zu mir, also habe ich es nicht gemacht.

      Unser Umfeld ist immer sehr bemüht, uns gute Ratschläge zu geben. „Das haben schon so viele vor dir versucht, das klappt selten. Warum sollte es ausgerechnet bei dir anders sein…“. Ich kann dazu nur sagen: Du solltest auf jedem Fall machen, was an Wünschen, Sehnsüchten und Phantasien in Dir steckt!

      Ich kann nicht verstehen, dass junge Menschen, noch keine 20 Jahre alt, ohne große finanzielle Verpflichtungen, sich bereits in ein Lebenskorsett zwängen wollen. Was hat man denn in jungen Jahren schon zu verlieren? Man kann alles ausprobieren und wenn man scheitert, ist es auch egal. Einfach wieder aufstehen und neu beginnen. Aber sich von vorne herein einen Wunsch nicht erlauben, das ist einfach dumm. Klar muss aber auch sein: Du hast die Verantwortung für Dein Leben! Wenn etwas schief geht, haben weder der Staat noch die Eltern Schuld. Was nicht heißt, dass man sich nicht mal Hilfe holen kann, wenn es eng wird.

      Sei einfach mal mutig, riskiere es, deine Träume zu verwirklichen… und das ist altersunabhängig! Die Aussage, dafür bin ich schon zu alt, gilt nicht. Erst recht nicht, wenn Du erst dreißig oder vierzig Jahre alt bist. Eine neue Wohnung findest Du immer wieder, wenn Du die Heimat verlassen willst. Und Du wirst erstaunt sein, wie es sein kann, sich vom ganzen häuslichen Ballast zu befreien, der sich im Laufe der Jahre angesammelt hat. Auch wahre Freunde werden Dir auf keinen Fall verloren gehen – egal wo Du leben willst. Man muss sich ja nicht täglich sehen.

      Du kannst mir glauben, in Dein „altes“ Leben kannst Du immer zurück, solltest Du das wirklich wollen. Was ich für sehr unwahrscheinlich halte, wenn Du wirklich den Weg zur persönlichen Wunscherfüllung eingeschlagen hast!

      „Du bist perfekt!“ Hörst Du das gerne, ist das ein Kompliment für Dich? Das ist völlig in Ordnung. Bei vielen Menschen ist es aber bereits zwanghaft, sie wollen funktionieren, was immer wieder auch viel persönliches „Verbiegen“ bedeuten kann. Und natürlich sucht man dann auch den perfekten Mann. Unterstützt wird das durch die entsprechenden Partner-Online-Portale, die einem suggerieren wollen, den passenden Mann auf Lager zu haben. Da werden Interessen, Wünsche und viele weitere Persönlichkeitsmerkmale abgestimmt. Demnach müsste es eigentlich unheimlich viele glückliche Paar-Beziehungen geben. Und warum ist das dann nicht so? Warum wird fast jede zweite Ehe geschieden? Was hat da die Perfektion gestört?

      Können wir uns vielleicht darauf einigen, dass Liebe nichts mit Perfektion zu tun hat? Das Perfektionsmuster läuft in den rationalen Bahnen unseres Gehirns ab. Das ist bildlich gesprochen nicht mal zweidimensional. Gefühle und Liebe sind drei- und mehrdimensional. Nicht wirklich greifbar, schwer eindeutig zu beschreiben, so dass meist symbolische Beschreibungen für die persönliche Gefühlslage herhalten müssen. Du wirst nie einen Partner finden, der perfekt ist, versprochen! Und das ist gut so, denn er würde Dich irgendwann grenzenlos langweilen. Stell Dir den perfekten Partner doch nur mal vor: Ordentlich, pünktlich, immer gut gelaunt, erfolgreich, überall beliebt, rücksichtsvoll – das kann die Hölle sein.

      Menschen sind nie perfekt, sie werden erst durch „Mängel“ reizvoll und interessant, also zum Verlieben. Wenn Du das mal verinnerlicht hast, müsste es dir eigentlich ganz leicht ums Herz werden. Denn auch Du musst nicht perfekt sein. Kultiviere ruhig mit Lust persönliche „Macken“, stehe zu Deinen Schwächen.

      Manches mag wirklich blöd sein und zuweilen auch zu Ärger in einer Beziehung führen. Aber das gehört dazu. Zeige Dich wie Du bist, nicht perfekt aber sicher mit einzigartigen „Qualitäten“.

      So zu leben ist schön und manchmal anstrengend… der passende Partner wird Dich dafür lieben, dass Du bist, wie Du bist. Wenn Du etwas gerne machst, zum Beispiel eine Sportart, die vielleicht in keiner Weise cool ist und Du auch eher schlecht als recht beherrscht – also nicht perfekt – dann erfreue Dich daran. Was muss es Dich interessieren, wie andere dabei über Dich denken.

      Viele werden Dich mehr oder weniger um das Ausleben Deiner Eigenarten beneiden, weil Du die Bürde der Perfektion abgelegt hast. Aber Achtung: Das bedeutet nicht, alles jetzt damit zu entschuldigen „Ich bin nun mal nicht perfekt…“, was auch eine sehr beliebte Masche ist. So ist es nicht gemeint.