Ulrike Barow

Baltrumer Bitter


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Frauen und langte zu. »Ich habe soeben den Likör abgefüllt. Ich glaube, er ist ganz besonders lecker geworden.«

      »Na, dann muss ich wohl meines Amtes walten und nachher ein Gläschen zu mir nehmen«, antwortete Margot. »Oder zwei, wenn er mir schmeckt.«

      Arnold nickte. »Herzlich gerne. Aber vorher muss ich euch erzählen, was mir im Dienst passiert ist. Ihr werdet es nicht glauben, was der Lohmann von mir wollte.«

      Als er seine Geschichte erzählt hatte – den Teil mit der Begonie hatte er wohlweislich ausgelassen – beugte sich Margot mit puterrotem Kopf über den Küchentisch. »Das willst du nicht hinnehmen, oder? Du musst deine Kollegen vom Betriebsrat informieren, das ist doch wohl klar. Erpressung – wo kommen wir denn da hin?!«

      Arnold nickte. »Das war echt ein ziemlich starkes Stück. Mal schauen, ob ich was unternehme. Der wird sich schon genug wundern, wenn wir mit unserem Programm um die Ecke kommen. Wenn wir dafür genug Anhänger finden, sieht es nämlich schlecht aus mit seinen Vorstellungen von progressiver Dorfentwicklung. Dann heißt es: ›Zurück zu den Wurzeln‹. Aber was sage ich, du wirst ja dabei sein, wenn wir uns Donnerstag treffen. Das wird einschlagen wie eine Bombe.«

      Margot schaute ihren Mann skeptisch an. »Ich lasse mich überraschen. Viele Insulaner sind anderer Meinung als du. Die sehen im Bau von Luxusunterkünften die Zukunft der Insel.«

      »Ja, leider. Darum ist es so wichtig für mich, meine Ansichten von Dorfentwicklung in die Öffentlichkeit zu tragen. Wenn man die alten Häuser saniert, können dort doch auch Energieeffizienz und Gemütlichkeit einziehen. Da muss es nicht gleich die Luxusherberge sein. Gäste, die so was wollen, fahren nach Juist. Hier nach Baltrum kommen die Familien, und das ist richtig so.«

      »Mir musst du das nicht erzählen, Arnold«, sagte Margot energisch. »Du darfst allerdings eines nicht vergessen: Jeder kann mit seinem Eigentum machen, was er will. Denk an unser altes Haus im Ostdorf. Wenn wir das verkaufen wollten, wäre das unsere ureigenste Sache. Natürlich hätten wir keinerlei Einfluss mehr darauf, was der neue Eigentümer damit macht. Selbst wenn er das Haus abreißen und stattdessen zehn Eigentumswohnungen auf das Grundstück setzen würde. Damit müssten wir halt leben, wenn wir es nicht selbst renovieren könnten oder wollten. So ist das nun mal.«

      »Du hast ja recht«, erwiderte Arnold. »Aber genau das sind doch die Aussichten, die mich erschrecken. Dass die Insel über kurz oder lang ihr Gesicht verliert. Ihre Geschichte. Und ihren Charme. Dass sie beliebig austauschbar wird in ihrer Architektur und in ihren Angeboten. Da werden Hotels entstehen, von denen eines aussieht wie das andere, und Eigentumswohnungen, die nur im Sommer für drei Monate vermietet sind. Schau dich im Winter um. Nichts als dunkle Fenster. Das ist doch nicht schön für uns Insulaner. – Fazit: Ich möchte am liebsten das ganze Jahr über Gäste in gemütlichen Ferienwohnungen haben, deren Besitzer auf der Insel wohnen«, erklärte Arnold entschlossen. »Kurz gesagt, ich will das Insel-Flair erhalten.«

      Margot schüttelte entschieden den Kopf. »Ich glaube, der Zug ist abgefahren. Die Zeiten sind einfach vorbei.«

      »Das wollen wir mal sehen«, murmelte Arnold. Dann nahm er sich ein drittes Mal von der Gemüsesuppe. Seine Tochter lächelte ihn fröhlich an.

      »Wo wir gerade über Sanierungen reden: Kommen wir noch einmal auf unser Haus im Ostdorf zurück. Hast du dir endlich Gedanken gemacht, wie es damit weitergehen soll?«, sagte seine Frau. »Seit Onkel Theos Tod haben wir uns nicht gekümmert. Ein altes Haus verfällt schnell, wenn es nicht bewohnt wird. Was tun wir also?«

      Arnold schaute sie unangenehm berührt an. »Ich weiß, ich weiß. Die immer gleiche Frage. Aber verkaufen? Bestimmt nicht. Wie soll ich das meinen Uns-Baltrum-Genossen erklären? Renovieren? Du weißt, wie teuer das ist. Wir müssen etwas unternehmen, das ist sicher. Am besten wäre es, wenn wir die beiden Nachbarhäuser gleich mitkaufen und auf den neuesten Stand bringen würden. So könnten wir einen Teil des alten Ostdorfes erhalten. Nur wie wir das bezahlen sollen, das ist mir im Moment noch ein Rätsel. Wir alleine als Familie schaffen das nicht. Aber vielleicht finden sich ja ein paar Leute von der Insel, die da mitmachen. So als Genossenschaft. Wie beim Inselmarkt. Da klappt das doch auch. Ich gebe zu, die Finanzierung zum Erhalt der alten Häuser ist genau die Lücke zwischen Theorie und Praxis. Aber daran müssen wir arbeiten. Ganz zu schweigen von den anderen Problemen, die sich damit auftun. Aber lassen wir das jetzt.« Arnold stand auf. »Was ist? Wollen wir noch ein wenig in den Garten gehen?« Er schob den leeren Glasteller von sich, auf dem sich fünf Minuten zuvor noch eine größere Menge Vanilleeis mit Schokoladensoße getürmt hatte.

      Seine Frauen nickten.

      »Hilda, räumst du das Geschirr weg?«, fragte Arnold seine Tochter. Er erwartete keine Antwort, wusste aber, dass Hilda seiner Bitte gewissenhaft nachkommen würde. »Mama und ich gehen schon mal vor.«

      Kritisch schaute Arnold in den Himmel. Dunkle Wolken hatten sich über dem Wattenmeer aufgetürmt. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie sich entladen würden. Hoffentlich wurde es danach ein wenig kühler. »Ein paar Minütchen haben wir noch, dann sollten wir den Sonnenschirm und die Liegen sicherstellen«, überlegte er laut, »und die Meerschweinchen ins Haus bringen. Aber jetzt hole ich meine neueste Kreation aus dem Keller.«

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