rel="nofollow" href="#u8d0c48b2-5df1-5c74-96ed-832b2a3bc778">3. Der Umgang mit feindlichen Angriffen4. Wie man feindlichen Kräften begegnet, die unsichtbar und doch lebendig sind5. Halte an der Wahrheit festANHANGQuellenangabenGuideCoverInhaltStart
Sri Aurobindo
Was wir als Irrtum ansehen, ist häufig Symbol, Verkleidung, eine verdorbene oder missgestaltete Form einer Wahrheit. — Sri Aurobindo
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Kapitel 1
Das Rätsel dieser Welt
Worte Sri Aurobindos
Es ist nicht zu leugnen und wird von keiner spirituellen Erfahrung geleugnet, dass diese Welt weder ideal noch zufriedenstellend ist, da sie allzu deutlich vom Siegel der Unzulänglichkeit, des Leidens und des Bösen geprägt ist. Diese Erkenntnis ist gleichsam der Ausgangspunkt des spirituellen Strebens überhaupt – mit Ausnahme bei jenen wenigen, denen die höhere Erfahrung unmittelbar zuteil wurde und die nicht zu ihr gezwungen wurden durch das mächtige, unwiderlegbare, leidvolle und entsagende Wissen um jenen Schatten, der den gesamten Bereich dieses manifestierten Daseins überlagert. Dennoch bleibt die Frage offen, ob dies tatsächlich – wie behauptet wird – das wesentliche Merkmal der ganzen Manifestation sei und ob es, zumindest solange es eine physische Welt gibt, notwendigerweise zu deren Natur gehört. Damit müsste man das Verlangen, geboren zu werden, den Willen, sich zu offenbaren oder schöpferisch auszudrücken, als die Ursünde schlechthin betrachten und die Abkehr von Geburt oder Offenbarung als einzig möglichen Weg der Erlösung. Für diejenigen, die es derart oder ähnlich sehen – und diese sind immer in der Überzahl gewesen –, gibt es wohlbekannte Auswege und direkte Abkürzungen zu spiritueller Befreiung. Doch ebenso gut kann es sich anders verhalten und unserer Unwissenheit oder unserem begrenzten Wissen nur so vorkommen; die Unvollkommenheit, das Böse, das Leid könnten zwar ein bedrückender Umstand oder ein schmerzhafter Übergang sein, doch nicht die eigentliche Grundbeschaffenheit der Schöpfung, nicht die eigentliche Essenz des Geborenwerdens in der Natur. Wenn dies stimmt, dann läge die höchste Weisheit nicht in der Flucht, sondern im Streben nach einem Sieg auf Erden, in einer bejahenden Verbindung mit dem Willen, der hinter der Welt steht, in einer Entdeckung der spirituellen Pforte zur Vollkommenheit, die gleichzeitig die Öffnung ist für die gänzliche Herabkunft des Göttlichen Lichtes und Wissens, der Göttlichen Macht und Glückseligkeit.
Jede spirituelle Erfahrung bestätigt das Vorhandensein eines Bleibenden über der Vergänglichkeit dieser manifestierten Welt, in der wir leben, und über diesem beschränkten Dasein, in dessen engen Grenzen wir umherirren und uns mühen. Die Merkmale dieses Bleibenden sind Unendlichkeit, Selbst-Sein, Freiheit, absolutes Licht, absolute Glückseligkeit. Gibt es nun wirklich diesen unüberbrückbaren Abgrund zwischen dem Jenseitigen und dem Hiesigen, sind sie tatsächlich zwei ewige Gegensätze, und nur indem der Mensch dieses Abenteuer in der Zeit hinter sich lässt, nur indem er den Sprung über den Abgrund tut, vermag er das Ewige zu erreichen? Diese Auffassung scheint am Ende einer bestimmten Tradition der Erfahrung zu stehen, welcher der Buddhismus in unerbittlicher Konsequenz folgte und ebenfalls – nicht ganz so unerbittlich – eine Art monistische Spiritualität, die eine gewisse Verbindung der Welt mit dem Göttlichen zulässt, diese aber dennoch in ihrem letzten Bezug sich als Wahrheit und Illusion gegenüberstellt. Daneben gibt es eine andere, unbezweifelbare Erfahrung, dass das Göttliche in allem hier gegenwärtig ist, hinter allem und über allem, dass alles in Jenem ist und Jenes ist, sobald wir uns von seiner Erscheinungsform zu seiner Wirklichkeit zurückwenden. Es ist eine bezeichnende und erhellende Tatsache, dass einer, der Brahman erkennt, in einer Art absoluten Frieden zu leben vermag, im Licht und in der Glückseligkeit des Göttlichen, auch wenn er sich in dieser Welt bewegt und in ihr handelt und all ihre Schläge erträgt. Es gibt also noch etwas anderes als diese scharfe, trennende Gegensätzlichkeit, es gibt ein Geheimnis, ein Rätsel, das vermutlich eine weniger verzweifelte Lösung zulässt. Diese spirituelle Möglichkeit weist über sich selbst hinaus und bringt einen Hoffnungsstrahl in die Finsternis unseres gefallenen Daseins.
Und sofort erhebt sich eine erste Frage: Ist diese Welt für immer eine unveränderliche Folge gleicher Erscheinungsformen oder gibt es in ihr ein evolutionäres Streben, eine evolutionäre Wirklichkeit, irgendwo eine Leiter des Aufstiegs aus einer ursprünglichen, scheinbaren Nichtbewusstheit in ein mehr und mehr entwickeltes Bewusstsein, das von jeder Entwicklungsstufe weiter ansteigt, um bei den höchsten Gipfeln aufzutauchen, die bislang noch außerhalb unseres normalen Fassungsvermögens liegen? Wenn dem so ist, worin besteht der Sinn, das grundlegende Prinzip, das logische Ziel dieses Vorwärtsschreitens? Denn alles scheint auf derartiges Vorwärtsschreiten als Tatsache hinzuweisen, – auf eine spirituelle und nicht nur physische Evolution. Auch hier gibt es eine bestätigende Tradition spiritueller Erfahrung, in der wir entdecken, dass das Nichtbewusste, von dem alles seinen Ausgang nimmt, nur Schein ist, denn ihm ist ein Bewusstsein mit endlosen Möglichkeiten involviert, ein Bewusstsein, das nicht begrenzt, sondern kosmisch und unendlich ist, ein verborgenes und in sich eingekerkertes Göttliches, gefangen in der Materie, doch alle Möglichkeiten in seinen geheimen Tiefen bergend. Aus dieser scheinbaren Nichtbewusstheit wird jede Macht zu ihrer Zeit enthüllt, zuerst die geordnete Materie, die den innewohnenden Geistes verbirgt, dann das Leben, das in der Pflanze auftaucht und sich im Tier mit einem wachsenden Mental verbindet, dann das Mental selbst, das sich im Menschen entwickelt und ordnet. Diese Evolution, dieses spirituelle Vorwärtsschreiten, – wird es hier in dem unvollkommenen mentalen Wesen, Mensch genannt, zum Stillstand kommen? Oder besteht ihr ganzes Geheimnis lediglich in einer Folge von Wiedergeburten, deren einziges Ziel und einziger Zweck es ist, sich jenem Punkt entgegenzuarbeiten, an dem sie ihre eigene Sinnlosigkeit erkennt und, auf sich selbst verzichtend, den Sprung in ein ursprünglich ungeborenes Sein oder Nicht-Sein tut? Zumindest besteht die Möglichkeit und ab einem gewissen Punkt die Gewissheit, dass es ein weit größeres Bewusstsein gibt als jenes, das wir Mental nennen; und wenn wir die Leiter weiter ansteigen, können wir einen Punkt erreichen, an dem die Umklammerung der stofflichen Nichtbewusstheit, die vitale und mentale Unwissenheit, endet. Ein Bewusstseinsprinzip gelangt hier zur Manifestation, das nicht nur teilweise und unvollkommen, sondern radikal und gänzlich dieses gefangene Göttliche befreit. In dieser Sicht erscheint jedes Stadium der Evolution als Ergebnis der Herabkunft einer immer größeren und höheren Bewusstseins-Macht, die das Erdendasein erhebt und eine neue Daseinsebene schafft; die höchsten jedoch müssen noch herabkommen und das Rätsel des Erdendaseins wird durch ihre Herabkunft seine Lösung erfahren, und nicht nur die Seele, sondern die Natur selbst wird ihre Befreiung erlangen. Dies ist die Wahrheit, die zu Beginn aufflackerte und die später immer deutlicher in ihrer ganzen Fülle von dem Geschlecht jener Seher geschaut wurde, die der Tantrismus die Helden-Seher oder göttlichen Seher nennen würde, und die sich jetzt dem Stadium ihrer vollen Enthüllung und Erfahrung nähern könnte. Und wie schwer auch immer die Last des Haders und des Leidens und der Finsternis in dieser Welt sei, wenn dies uns als hohes Ergebnis erwartet, wird alles Vorherige von den Starken und Wagemutigen im Hinblick auf die Herrlichkeit, die kommen wird, als nicht zu hoher Preis gewertet werden. Auf jeden Fall, der Schatten weicht; ein Göttliches Licht dämmert über der Erde, nicht nur ein ferner, unerreichbarer Schein.
Trotzdem bleibt die Frage bestehen, warum all dies notwendig war – diese rohen Anfänge, der lange, stürmische Weg, warum dieser hohe, kaum zu leistende Preis, warum all das Böse und das Leid? Was hingegen das Wie des Sturzes in die Unwissenheit im Gegensatz zu dem Warum anbelangt, die wirkende Ursache, so findet man in aller spirituellen Erfahrung eine wesenhafte Übereinstimmung.