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eines Suizides immer weiter zuspitzte. Die Staatsanwaltschaft hatte für den nächsten Tag eine Obduktion angeordnet, so berichtete dann der Kollege dem Kommissar. Ottfried nickte während des Telefonates immer wieder, obwohl er wusste, dass sein Gesprächspartner das nicht sehen konnte. Bevor er das Gespräch beendete, sprach er an, dass er den Leichnam des Mannes genauer unter die Lupe nehmen wollte, um dessen Fingerabdrücke mit denen auf dem Brecheisen zu vergleichen. Erst dann, so betonte er, konnten er und seine Kollegen ganz konkret von einem Selbstmord sprechen. Aus diesem Grund wollte er nun Kontakt zur Gerichtsmedizin aufnehmen. Sein Kollege aus der Staatsanwaltschaft stimmte dem zu und legte Ottfried ans Herz, sich so schnell wie möglich mit der Gerichtsmedizin in Verbindung zu setzen. Der Kommissar nickte auch dabei immer wieder. »Ja, ich werde sofort dort anrufen. Dann wissen wir bald mehr und können die Akte zum Fall ordentlich füllen. Hoffentlich. Bis demnächst! Wiederhören!« Endlich konnte Ottfried auflegen und seine Kollegen von der Kripo siegessicher ansehen. »Das hat sich ausgezahlt. Ich kann nun mit den Gerichtsmedizinern Kontakt aufnehmen und uns dann hoffentlich für einen Besuch anmelden. Ihr wisst ja auch, wie wichtig dieser Schritt für unsere Ermittlungen ist. Nicht wahr?«

      Hermann und Sabrina nickten flüchtig. Sie wussten es sicher. Sabrina spürte allerdings eine Gänsehaut, von der sie sich aber nichts anmerken lassen wollte. Sie wusste, sie musste jetzt tapfer sein. Der Gang zur Gerichtsmedizin bedeutete, dass auch sie nun den Toten zu Gesicht bekam. Da sie ja auch noch nicht sehr lange bei der Kriminalpolizei arbeitete, hatte sie bisher auch noch keine Leiche ansehen müssen. In diesem Fall war es der erste Tote, den sie sehen sollte. »Wann machen Sie den Termin denn aus, Ottfried?«, fragte sie den Kommissar ein wenig zaghaft.

      »Jetzt sofort! Sie haben doch hoffentlich keine Angst, oder, Sabrina?« Ottfried zwinkerte ihr zu, während er den Telefonhörer erneut in die Hand nahm. Nun wählte er die Nummer des rechtsmedizinischen Institutes in Homburg und wartete dann das Signal ab. Auch seine beiden Kollegen Hermann und Sabrina waren sehr auf das Ergebnis gespannt.

      »Hallo, Kriminalhauptkommissar Ottfried Braun, Kriminaldirektion Trier, guten Tag Herr Mayer. Schön, dass ich jemanden erreiche«, sprach der Kommissar in den Hörer und fuhr dann fort: »Wir ermitteln im Fall des toten Tom Krausmann, der ja zwischenzeitlich in Ihr Institut zur Obduktion gebracht wurde. Es geht um Spuren, die dringend gesichert werden sollten. Auf dem Gelände der ehemaligen Befestigungsanlage Pfalzel wurden sowohl an der Gittertür als auch an einem Brecheisen, das wir hier vorliegen haben, Fingerabdrücke entdeckt, von denen aber noch nicht sicher ist, von wem sie stammen. Naheliegend ist aber, dass sie von dem Toten sind und deswegen würde ich mit meinen Kollegen vorbeikommen, um die Fingerabdrücke der Leiche zu nehmen, falls Sie nicht vorhaben das zu tun. Geht das in Ordnung?« Nun lauschte Ottfried eine Weile gespannt dem, was Gerichtsmediziner Mayer ihm dazu zu sagen hatte. Seine Miene hellte sich sofort auf, und er sagte: »Gut, vielen Dank, Herr Mayer. Dann bis die Tage! Wiederhören!«

      »Und, was nun?«, wollte Hermann wissen, noch bevor der Kommissar dazu kam, den Hörer wieder aufzulegen. Erst dann reagierte dieser auf die Nachfrage. »Morgen, nachdem der Leichnam schon obduziert wurde, können wir vorbeikommen und Herrn Krausmanns Fingerabdrücke nehmen. Für 14 Uhr sind wir bestellt. Ich freue mich, einen Schritt weiter zu kommen!«

      »Und ich mich erst«, murmelte Sabrina leise. Dass der Termin bereits für den folgenden Tag festgelegt war, machte ihr ein wenig zu schaffen. So hatte sie nicht viele Gelegenheiten, um sich auf die Begegnung mit der Leiche vorzubereiten. Sie hoffte, dass sie es auch so irgendwie schaffte.

      Im weiteren Verlauf setzten sich die Beamten daran, die Angehörigen des Toten ausfindig zu machen. Noch erwies sich diese Aufgabe als weniger einfach; im Nachhinein genügten aber doch nur ein paar Anrufe, um mehr zu wissen.

      Währenddessen wartete im Stadtteil Pfalzel Julia Berg auf Neuigkeiten von der Polizei. Julia war 26 Jahre alt, hatte ein hübsches, ovales Gesicht und blonde Haare, die dicht über ihre schmalen Schultern fielen. Sie war nicht sehr groß, aber auch nicht klein. Ihr Körper war von normaler Statur; die junge Frau war also weder dick noch dünn. Die kurzen Fingernägel waren rot lackiert. Rot hatte eine immense Bedeutung für Julia, für sie war es die Farbe der Liebe. Die Liebe. Ihre große Liebe, die plötzlich verschwunden war. Sie dachte zurück an ihren Gang zur Polizei. Der Polizist, bei dem sie ihren Partner als vermisst gemeldet hatte, hatte ihr versprochen, sofort eine Fahndung einzuleiten, da Tom seit mehr als 24 Stunden fort war. Stattdessen hatte der Polizist dann aber bei der Kriminalpolizei angerufen, weil er den Verdacht nicht los wurde, dass es sich bei dem Vermissten um den tot aufgefundenen Mann handelte, der in der Früh unterhalb der Wallmauer lag. Julia ahnte von alldem nichts, denn der Polizist hatte ihr in keiner Weise von seinem Verdacht erzählt. So saß sie nun im Wohnzimmer und starrte immerzu zum Telefon, in der Erwartung, dass es demnächst klingelte. Sie wagte nicht einmal, etwas anderes zu machen. Lesen oder sich um den Haushalt kümmern wollte sie auch nicht. Sie saß da und machte nichts. »Was ist nur los? Wo ist Tom? Warum geht er nicht ans Handy? Hoffentlich ist nichts passiert«, murmelte sie leise vor sich hin. Sie weinte, machte sich die allergrößten Sorgen um ihren Freund. Es passte nicht zu ihm. Er war weg und sie wusste nicht, wo er war. In ihrer Verzweiflung warf sie sich in die Kissen, die auf dem Sofa lagen, und war kurz davor, einzuschlafen, da klingelte es. Es war aber nicht das Telefon.

      »Tom?« Julia stand auf und ging zur Haustür. Draußen standen zwei Gestalten, so viel konnte sie erkennen. Ihre Hoffnung löste sich auf. Zögerlich öffnete sie den Personen und als sie nach einem Blick auf die Ausweise erkannte, dass sie von der Polizei waren, klopfte ihr Herz. »Sind Sie wegen meines Freundes hier? Haben Sie ihn gefunden?«, wollte sie wissen.

      »Sie sind Frau Berg, richtig? Ich bin Kommissar Ottfried Braun, von der Kriminaldirektion in Trier. Dürfen wir reinkommen?«, grüßte der Kommissar die verzweifelte Frau. Seine Kollegin Sabrina stellte sich ebenfalls vor.

      »Ja, kommen Sie nur. Möchten Sie ein Glas Wasser?« Julia gab den Weg in die Wohnung frei. Ottfried und Sabrina gingen ins Wohnzimmer. Sie beide lehnten das Wasser zunächst ab. Nachdem alle Platz genommen hatten, war es die Aufgabe des Kommissars, die junge Frau aufzuklären. »Frau Berg, Sie haben Ihren Partner Tom Krausmann heute als vermisst gemeldet, wie wir von der Dienststelle am Stadtbad gehört haben«, begann er. Julia nickte. Der Kommissar fuhr fort: »Wir sind hier, um Ihnen zu sagen, dass ... Es tut uns sehr leid, aber Tom Krausmann ist tot.« Nun war es raus. Julia starrte den Kommissar ungläubig an. »Nein, Sie machen Scherze. Das ist doch nicht Tom!«

      »Doch, Frau Berg. Es ist Ihr Partner. Meine Kollegen haben ihn heute in den Morgenstunden an der Wallmauer aufgefunden, nachdem ein Jogger die Polizei alarmiert hatte. Und unser Kollege von der Dienststelle am Stadtbad hat uns ein Foto Ihres Freundes geschickt. Herr Braun konnte ihn identifizieren. Es tut uns leid!«, sagte Sabrina und legte behutsam einen Arm um Julias Schulter.

      »Aber wie kann denn das sein? Ich verstehe das nicht!« Julia weinte. Sie wollte nicht wahrhaben, dass ihr Freund Tom tot ist.

      »Wir wissen es selbst noch nicht, aber die Ermittlungen laufen bereits. Würden Sie Ihren Freund eventuell in der Gerichtsmedizin identifizieren?« Ottfried schaute Julia ganz genau an.

      »Ist er da jetzt?«, fragte sie.

      »Ja, er wird schon morgen obduziert. Er wurde nach Homburg gebracht. Morgen haben wir auch einen Termin. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, können wir Sie zur Identifizierung mitnehmen. In Ordnung?«

      Julia musste sich zunächst fassen. Ihren Freund tot zu sehen brachte sie nur schwer übers Herz. Insgeheim hoffte sie, dass es sich doch um einen Irrtum handelte und ihr Freund noch lebte. So stimmte sie dem Vorschlag des Kommissars zu.

      Nach einer Weile verabschiedeten sich Ottfried und Sabrina wieder. Dabei ließen sie bei der jungen Frau, die gerade ihren geliebten Partner verloren hatte, viele Fragen offen, über die Julia noch den ganzen Tag nachdachte. Sie konnte nicht nachvollziehen, wie ihr Freund nur zu Tode kommen konnte. Wurde er umgebracht? War er vielleicht krank und war zusammengebrochen? Im Moment schien alles möglich. Nur daran, dass Tom Selbstmord begangen haben könnte, dachte sie nicht. Sie wüsste ja nicht einmal, welches Motiv er hätte haben können, um sich selbst umzubringen. Eigentlich war die Beziehung zwischen den beiden immer sehr harmonisch verlaufen.

      Julia