sagte sie leise, während sie das Foto betrachtete. Dabei hoffte sie sehr, dass es sich bei dem Toten nicht um ihn handelte, stellte sich aber weiterhin eine Frage nach der anderen. Julia konnte sich nicht vorstellen, dass Tom Probleme hatte, was durchaus ein Motiv hätte sein können. Immerhin hatte Tom ihr immer alles erzählt. Zumindest glaubte sie das.
Mit einem winzigen Hoffnungsschimmer sah sie dem nächsten Tag entgegen.
Kapitel 3
Kommissar Ottfried und seine Kollegen Hermann und Sabrina fuhren auf der B53 entlang Richtung Pfalzel. Der Tag war gekommen, an dem sie zur Rechtsmedizin Homburg unterwegs waren. Zunächst aber holten sie Julia Berg ab, die den Toten identifizieren sollte.
»Frau Berg hofft sicher sehr, dass es nicht ihr Freund ist, der tot aufgefunden wurde«, bemerkte Sabrina und schaute dabei ein wenig verträumt aus dem Fenster.
»Er ist es aber, Frau Berg wird es schmerzlich akzeptieren müssen. Für die junge Frau tut es mir leid, dass sie dieses schreckliche Ereignis erleben muss. Niemand wünscht sich, dass der Partner verschwindet und dann nie wieder zurückkehrt. Ich weiß, wie das ist«, gab Hermann zurück.
»Du hast Recht, Hermann. Sie tut mir auch leid! Ihre Reaktion gestern ... die kann ich nicht vergessen. Sie dachte, der Kommissar macht bloß Scherze.«
»Um Scherze zu machen, brauche ich ja aber nicht zu den Leuten zu gehen. Und überhaupt, darüber macht man auch keine Scherze. Mit dem Tod ist nicht zu spaßen«, sagte da der Kommissar, der am Lenkrad saß und das Auto aus Richtung Bahndamm kommend in den Pfalzeler Ortskern bewegte.
Dann ging es hinauf ins Neubaugebiet. Julia Berg wohnte in der Eltzstraße, unweit eines Supermarktes entfernt. Um die Ecke lag die Sirckstraße, in der Kommissar Ottfried den Wagen anschließend parkte. Die zwei Männer und Sabrina stiegen aus und gingen zu dem Haus, in dem Julia wohnte. Sabrina klingelte.
Ein paar Sekunden später ging die Tür auf, und Julia stand im Türrahmen. »Hallo«, sagte sie leise und versuchte, den Blicken der Polizisten auszuweichen.
»Sie sind bereit, Frau Berg?«, fragte Ottfried vorsichtig. Julia nickte langsam. Ihr ganzer Körper war von einer Gänsehaut übersät, sie selber ziemlich angespannt. Noch immer hoffte sie, dass der Tote, den sie in den kommenden Stunden identifizieren sollte, nicht Tom war, obwohl der Kommissar ihr das schon am Vortag versichert hatte. Immerhin hatte er den toten Tom gesehen. Julia selber hatte die Zeit damit verbracht, ahnungslos in den Tag hineinzuleben, war aber beinahe umgekommen vor Sorge. Nun hatte sie diese bitteren Neuigkeiten hören müssen, und noch immer schien es ihr sehr unglaubhaft, dass Tom nie wieder zu ihr zurückkam.
»Dann holen Sie bitte Ihre Sachen und kommen Sie. Unser Auto steht direkt um die Ecke in der Sirckstraße«, sagte Ottfried und nickte Julia bestätigend zu. Die junge Frau holte ihre Tasche aus dem Wohnzimmer, zog sich einen leichten Mantel über und folgte den Polizisten zum Auto. Dabei merkte sie, dass ihr jeder Schritt zusehends schwerer fiel. Sie war froh, als sie im Auto saß.
Etwas mehr als eine Stunde waren Kommissar Ottfried und seine Kollegen zusammen mit Julia unterwegs. Dann endlich kamen sie an der Universitätsklinik in Homburg an, zu der auch das rechtsmedizinische Institut gehörte.
Ottfried parkte den Wagen in der Nähe. Den Rest des Weges legten die Vier zu Fuß zurück. Wenige Minuten später standen sie vor dem Gebäude, in dem die Rechtsmedizin untergebracht war. Julia Berg zitterte am ganzen Leib. Sie wusste, dass es nicht mehr lange dauerte und sie den Toten ansehen musste.
»Frau Berg, folgen Sie uns doch bitte. Wir werden zunächst den zuständigen Rechtsmediziner aufsuchen, bevor wir zu den Sektionssälen gehen«, sagte Kommissar Ottfried und ging voraus. Sabrina und Hermann folgten ihm; Julia bildete das Schlusslicht.
Wenig später trafen sie auf den Gerichtsmediziner, bei dem Kommissar Ottfried für diesen Tag den Termin vereinbart hatte. Dieser wusste durch ein weiteres Telefonat, dass die Polizisten eine Angehörige des Verstorbenen mitbringen würden und Julia die Leiche identifizieren sollte. »Schön, dass Sie da sind. Die Leiche wurde doch noch nicht obduziert, es ist aber, wenn ich mich nicht irre, für morgen Mittag vorgesehen. Zumindest wurde schon eine äußere Leichenschau vorgenommen. Morgen, vor der eigentlichen Obduktion, folgt eine weitere. Nun ja, dann würde ich sagen ... Folgen Sie mir einfach!« Der Gerichtsmediziner Herr Mayer lächelte freundlich und ging voraus. Kommissar Ottfried und Hermann folgten ihm sofort. Sabrina kümmerte sich vorerst noch um Julia, die wegen ihrer kräftig zitternden Knie kaum einen Schritt weitergehen konnte. »Frau Berg, werden Sie ruhig. Sie haben es ja gleich geschafft, und ich schwöre Ihnen, dass Sie den Toten auch gar nicht lange ansehen müssen. Ein kurzer Blick genügt schon, um uns zu bestätigen, dass es sich bei der Leiche wirklich um Tom Krausmann handelt. In Ordnung?«
»Ja, ja. Ich ... Ach, weiß auch nicht. Ich habe noch nie einen Toten gesehen, und das mit Tom ... Das ist alles zu viel«, stammelte Julia. Dann fügte sie hinzu: »Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass es sich um einen Irrtum handelt und der Tote ein Doppelgänger meines Freundes ist. Ich könnte wirklich nicht sagen, warum er ... ja, wie ist er überhaupt gestorben? Wurde er umgebracht? Oder sogar ... Selbstmord? Aber da wüsste ich nicht, wieso er das tun sollte. Das passt nicht zu ihm! Bitte, dass er es nicht ist!«
»Ich verstehe Sie ja schon, Frau Berg. Es ist keine schöne Situation, aber da müssen wir alle jetzt durch. Sie möchten doch sicher auch Gewissheit haben, oder?« Sabrina fuhr Julia beruhigend über die Schulter. Dass die Polizistin so einfühlsam war, gab Julia neue Kraft. Sie fühlte sich wieder bereit, die letzten Meter zum Sektionssaal hinter sich zu bringen. Dort angekommen, sollte sie zunächst draußen warten. Kommissar Ottfried und seine Kollegen gingen zuerst hinein, um bei dem Toten die Fingerabdrücke zu nehmen.
»Ich habe nach Absprache mit dem Chef einen Kollegen gebeten, die Leiche schon mal aus dem Kühlfach zu holen. So geht nicht zu viel Zeit verloren, und Sie können direkt mit der Arbeit beginnen«, sagte der Gerichtsmediziner zum Kommissar gewandt und schob die große Schiebetür auf. Julia blieb einige Meter davon entfernt stehen und schaute zu, wie das Gefolge den Saal betrat.
Herr Mayer trat zu einer Liege, über der ein langes Tuch in Türkis lag. Darunter sah man die schemenhaften Umrisse einer Menschenleiche. Ganz langsam zog der Mediziner das Tuch herunter, bis der komplette Oberkörper des Toten sichtbar war.
Ottfried erkannte die Leiche sofort. »Unser Herr Krausmann. Nun dann, Sabrina, Hermann? Ran an die Arbeit!«
»Sofort, Herr Kommissar.« Hermann nickte und kramte aus seiner Jackentasche die nötigen Utensilien hervor. Er hatte ein Stempelkissen und ein Blatt Papier eingepackt. Ohne zu zögern, aber dennoch langsam öffnete er den Deckel. Dann nahm er die Hand des Toten, griff seinen Zeigefinger und drückte ihn fest ins Kissen. Der Finger des Toten war nun blau eingefärbt. Jetzt konnte das Papier zum Einsatz kommen. Hermann legte das Stempelkissen ab, damit er das Papier besser halten konnte. Dieses hielt er an den farbigen Finger der Leiche und drückte den Finger dabei fest auf die Papierfläche. Dann war es geschafft. Der Fingerabdruck war genommen. Ein wenig erleichtert atmeten die Polizisten durch.
»Das Papier sollten wir nun so verstauen, dass der Fingerabdruck nicht verschmiert«, sagte Sabrina nun. Ottfried nickte und reichte seinem Kollegen Hermann eine kleine Plastiktüte. »Hier können Sie das Papier reinlegen. Dann wird nichts drankommen.«
»Dankeschön.« Hermann lächelte und stopfe das Papier in die Tüte. Dann schaute er erwartungsvoll in die Runde. »Sollten wir nicht jetzt Frau Berg hereinbitten, damit sie die Leiche identifizieren kann?«, fragte er.
»Ja, ich werde Sie gleich holen.« Sabrina nickte und näherte sich der Tür. Zuvor hörte sie noch, wie der Gerichtsmediziner nachfragte, ob Frau Berg die Angehörige des Toten sei. Der Kommissar und Hermann bejahten diese Frage mit einem knappen Nicken.
Sabrina trat auf den Flur hinaus und sah Julia, die sich inzwischen vor Angst auf den Boden gekauert hatte. »Frau Berg? Wir sind soweit fertig. Nun können Sie hereingehen und die Leiche anschauen. Ist alles in Ordnung?«
Julia schaute auf. »Ja, ich habe nur wahnsinnige