Alfred Bekker

5 Strand Krimis: Killer, Kohle und Konsorten


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      Carola stand da wie versteinert.

      "Was waren das für Aufträge?", fragte sie tonlos. Sie spürte, dass sie jetzt nahe dran war. An der Wahrheit.

      Feller machte eine wegwerfende Handbewegung.

      "Ach, harmlose Sachen", behauptete er.

      "Na, so harmlos kann's ja nicht gewesen sein, wenn dich jetzt deswegen jemand umbringen will!", versetzte Carola ätzend. "Verdammt mochmal, dein Freund Norbert liegt schon im Leichenschauhaus und du..."

      Jetzt endlich sah er sie an.

      "Hör mir doch einfach mal zu!"

      "Na, gut."

      "Der springende Punkt ist etwas anderes."

      "Und was?"

      "Dieser Otto arbeitete für einen östlichen Geheimdienst."

      Carola sah ihn an, als wäre er ein Fremder.

      "Was?", fragte sie tonlos.

      Feller zuckte mit den Schultern. Der Blick war starr auf den beigen Teppichboden gerichtet.

      "Ich war jung und brauchte Geld", murmelte er wie zur Entschuldigung.

      Er spürte ihren Blick auf sich ruhen, diesen fassungslosen Blick. Er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, wie ihr Gesicht jetzt aussah.

      Carola atmete tief durch, dann umrundete sie einen der schweren, für die Größe des Wohnzimmers etwas zu klobigen Sessel und ließ sich hineinfallen.

      "Mein Mann ein ehemaliger Landesverräter, wer hätte das gedacht!", stieß sie dann nicht ohne Bitterkeit hervor. Er schwieg. Seine Hände bedeckten jetzt das Gesicht, so als wollte er sich verstecken.

      Carola hakte nach.

      "Meine Güte!", stieß sie hervor und blies sich eine Strähne aus den Augen. "Wie viel war's denn? Hat es sich wenigstens gelohnt?"

      "Es war das Startkapital für das Geschäft", flüsterte Feller.

      "Puh!"

      "Verstehst du jetzt, warum ich das diesem Kriminalkommissar nicht auf die Nase binden konnte?"

      "Nee, das verstehe ich immer noch nicht."

      Er rang mit den Armen.

      "Kannst du wirklich nicht zwei und zwei zusammenzählen?", fauchte er.

      Aber Carola schien das richtig einschätzen zu können. Sehr ruhig erklärte er: "Es ist doch gar nicht gesagt, dass DIE dahinterstecken."

      Schulterzucken.

      "Wer sonst?", fragte Feller und fuhr dann nach kurzer Pause fort: "Überleg doch mal, Carola, wer sonst sollte so etwas veranstalten?

      Carola hob die Augenbrauen. "Und aus welchem Grund?" In ihrer Stimme war Skepsis.

      "Was weiß ich? Drüben ist doch alles zusammengebrochen und vielleicht glaubt jemand, dass ich ihm gefährlich werden könnte."

      "Wieso gefährlich?"

      Feller hob die Schultern. "Na, bei dem Start in ein neues, demokratisches Leben."

      "Was war das denn für ein Geheimdienst, für den dieser Otto tätig war? KGB?"

      "So genau wollte ich das damals gar nicht wissen."

      Carola schien ihm das nicht so einfach abzukaufen.

      "Na, du wirst dir doch deine Gedanken gemacht haben", vermutete sie.

      Feller wurde immer nervöser. Er fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung über das Gesicht, kratzte sich dann an der Nase. "Mein Gott, natürlich!", rief er ziemlich unwirsch. "Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht! Für wen hältst du mich denn!"

      "Schrei mich nicht so an", erwiderte Carola.

      "Entschuldigung."

      "Ach, vergiss es!"

      "Es ist nur so... Meine Nerven - ich bin völlig überreizt."

      Sie nickte.

      "Das verstehe ich. Aber du solltest jetzt alles auf den Tisch legen. Gemeinsam stehen wir die Sache schon irgendwie durch. Wie auch immer!"

      Er sah sie kurz an und die Entschlossenheit, die aus ihren Worten sprach, überraschte ihn ein wenig.

      Schließlich sagte er: "Die Sache ist schon so lang her, ich hatte sie schon fast vergessen. Verstehst du, was ich meine?"

      "Keine Ausflüchte mehr!"

      Feller hob beschwichtigend die Hände. Sie waren schweißnass.

      "Also, ich persönlich glaube, dass dieser Otto für den Staatssicherheitsdienst der DDR gearbeitet hat und nicht für die Russen."

      Auf ihrer Stirn erschienen ein paar Falten.

      "Und wieso glaubst du das?"

      "Das hängt mit den Aufträgen zusammen, die ich auszuführen hatte... Da kann man ja Rückschlüsse ziehen, oder? Doof bin ich schließlich nicht! Mein Gott, ich habe einfach keine Lust, dir jetzt jedes Detail zu erklären! Reicht das denn nicht?"

      "Ist ja gut! Du brauchst dich doch nicht so aufzuregen! Oder willst du, dass sogar die Kirchbaums von Gegenüber noch alles mitkriegen!"

      "Begreifst du nun?"

      "So richtig noch immer nicht", schüttelte Carola den Kopf.

      "Du meinst, dass dieser Otto etwas mit der Schießerei zu tun hat?"

      "Otto... Otto ist tot."

      Carola beugte sich jetzt vor.

      "Das wird ja immer doller!", stellte sie fest. "Ich bin wirklich gespannt, was du mir heute noch alles auf den Tisch legst!"

      "Es war so: Wir hatten eine Weile in Kontakt gestanden, Otto, Norbert und ich. Dann kam ich eines Tages zu einer Verabredung ein bisschen zu spät. Er kam nicht. Wir warteten, aber von Otto war nichts zu sehen. Ich war gerade wieder zu Hause, da schrillte das Telefon. Es war Otto. Er war ziemlich aufgeregt und bestellte mich in ein Appartement im Hotel STADT LÜDENSCHEID. Ich kam hin, aber Otto war tot. Genickbruch."

      "Mein Gott", machte Carola.

      "In dem Appartement war noch jemand. Ein Mann."

      "Der Mörder?"

      "Ich weiß es nicht."

      Bilder tauchten jetzt in Fellers Bewusstsein auf. Bilder, aus der Vergangenheit. Er hatte lange gebraucht, um sie zu verdrängen, aber seit einiger Zeit waren sie wieder präsent.

      27

      Martin Feller erinnerte sich.

      "Lassen Sie ihn so liegen!", sagte die kühle Männerstimme, die Martin Feller herumfahren ließ. Er sah in ein eckiges, grobgeschnittenes Gesicht, dessen markantester Punkt die hervorspringende Nase war.

      Feller hatte den Kerl noch nie zuvor gesehen.

      "Wer... wer sind Sie?", fragte Feller schluckend.

      "Unwichtig", kam die kühle Erwiderung. Das Gesicht des Mannes blieb dabei regungslos.

      "Haben Sie Otto..."

      "Sie müssen Martin Feller sein."

      Feller nickte. Und gleichzeitig ging ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Er hatte das untrügliche Gefühl, unvermittelt in etwas hineingeschliddert zu sein, das entschieden zu groß für ein kleines Licht wie ihn war.

      Aber jetzt gab es keine Wahl mehr. Nun konnte er nur noch hoffen, so schnell und mit so wenig Schaden wie irgend möglich wieder aus diesem Schlamassel herauszukommen.

      "Woher wissen Sie meinen Namen?", fragte Martin Feller, weil ihm nichts Besseres einfiel.

      "Von