Udo Lau

Jagd mit Freunden


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der bisher leer ausgegangenen Jagdgäste zelebriert. Solch ein Waidmannsheil möchte man auch haben. Wann bin ich dran und mit welchem Führer, waren die geheimen Gedanken der Wartenden…

      Schnell noch ein Foto, dann wandert das Stück in die Wildkammer und geht anschließend in die Präparation. Die Fragen der gelangweilten Ehefrauen und aufgeregten Kinder unüberhörbar: „Papa, schießt du auch so einen?“ und die unmissverständliche Antwort: „Wenn mir so einer kommt, drück ich ab, egal was er kostet!“

      Die Verse „reim dich oder ich schlag dich“ in dem öffentlich ausgelegten Gästebuch geben Auskunft über die Gemütsverfassung der hartgesottenen Nimrode, treffen aber auch mal ganz einfach den Kern: „Schön war`s, aber auch teuer!“

      Wir waren bei alledem nur die stillen Beobachter im Hintergrund und hielten uns mit Kommentaren jeder Art wohlweislich zurück. Dennoch übersahen wir nicht die vorwurfsvollen Blicke und geheimnisvollen Gesten unserer Jagdführer im Austausch mit seiner Eminenz F.v.Schnopfendudel und konnten uns ihren Inhalt leicht zusammenreimen.

      Zweifellos lagen unsere Ziele und Absichten auf einer anderen Ebene und hatten ihre Schwerpunkte eher auf dem Erleben einer beeindruckenden Naturlandschaft, der gemeinsamen Freude an allem Neuen, vor allem aber an der kameradschaftlichen Harmonie eines Jagdquartetts, dessen Glück es war, sich in einer Solidargemeinschaft dem aufgebauten Jagddruck des Veranstalters erfolgreich zu widersetzen.

      Auch ohne Beute aber mit eiserner Disziplin feierten wir nach dem letzten schusslosen Fehlversuch und Ansitz einen Abschiedsabend in unserer Hütte, der ganz unserem speziellen Naturell entsprach.

      Rudi und ich wollten im Büro des Jagdhofes die Abrechnungsformalitäten erledigen, während Klaus und Karl Heinz den Kamin vorheizten und das Abendbrot vorbereiteten. Natürlich kam in dem Gespräch auch unser vierfacher jagdlicher Misserfolg zur Sprache und der diskrete Vorwurf von der oberen Jagdleitung, dass das zaghafte Zögern und Verweigern des Schusses ein Grund für den beutelosen Ausgang gewesen sein könnte. Und damit sei auch ein Loch in die Jagdkasse des Veranstalters gerissen worden. Schuldzuweisungen dieser Art wiesen wir energisch zurück, zumal Rudi mit seiner kaufmännischen Erfahrung und ich mit diplomatischem Geschick die besseren Argumente hatten.

      So schieden wir nicht unbedingt als Freunde und schon gar nicht als potenzielle Wiederholungstäter. Diese Art der Jagd war nicht unsere!

      Zurück in unserer gemütlich eingeheizten Hütte erlaubten Rudi und ich uns noch einen kleinen Scherz mit unserem vertrauensseligen “Koarli-Heinzi“: leider hätte die Verweigerung des Schusses auf das passende Stück Gamswild für den Schützen eine Art „Strafgebühr“ zur Folge gehabt, deren Höhe die Hälfte der vereinbarten Stärkeklasse ausmachte und in diesem Fall der niedrigste Satz von 400.-DM fällig würde.

      Unser schlechtes Gewissen über diesen dummen Streich ereilte uns im gleichen Augenblick, in dem wir in die erschrockenen Augen unseres Freundes sahen und sein ehrliches Entsetzen uns sofort leid tat. Die Aufklärung kam unmittelbar und sein fröhliches und erleichtertes Lachen leitete für alle einen Abschiedsabend einer Jagdreise ein, die noch viel Anlass für manche Nachlese gab.

      Nur wenige Wochen später erschien in einem renommierten deutschen Pressemagazin ein Bericht über genau diesen Jagdhof, dessen Praktiken auch wir fast auf den Leim gegangen wären. Dort war die Rede von betäubtem Wild, das zahlungskräftigen Jagdgästen der oberen gesellschaftlichen Prominenz wackelig vor die Büchse getrieben wird, um damit eine hundertprozentige Abschussgarantie gewährleisten zu können.

      Dass in diesen niederösterreichischen Waldrevieren weder solch starke Rothirsche vorkommen, geschweige denn in den niederen Bergregionen Steinböcke der Goldmedaillenklasse erlegt werden, ist wohl eher der gezielten Gatterhaltung und dem reichlichen Kraftfutter zuzuschreiben.

      Wie dem auch sei, unsere provinzielle Blauäugigkeit wäre uns fast teuer zu stehen gekommen, doch als stille Zeugen haben wir den Braten rechtzeitig gerochen und als Solidargemeinschaft klug gehandelt.

       ALLES WIEDER GUT

      EINE HÜTTE – EINE FREUNDSCHAFT

      1981

      Es war Liebe auf den ersten Blick….

      …ich wusste bei unserer ersten Begegnung, wir würden eine lange und wechselvolle Beziehung haben. Ihre einfache Schönheit erfüllte meine fast vergessenen Kindheits – und Jugendträume mit einem einzigen Wimperschlag.

      Dies war keine Liebeserklärung an eine verehrte Person, dieses war die Beschreibung eines spontanen Glücksgefühls für eine Jagdhütte, die Anfang und Ursprung einer unendlichen Geschichte sein würde: die Jagdhütte im Sulinger Bruch, ein Kleinod in einer Naturlandschaft, deren Einsamkeit und Ruhe sich zu einer perfekten Idylle ergänzten.

      Die mächtigen, hundertjährigen Eichen breiteten schützend ihr schattiges Blätterdach über ihre vermoosten Schindeln, deren spitzer Giebel kaum mehr als ein bescheidenes Quadrat von vier mal vier Meter Grundfläche bedeckte und sich mit seiner schlichten Holzfassade geduckt in der Nische zwischen Wald – und Wiesenkante versteckte.

      Der kleine Vorbau und die hölzernen Fensterläden, das winzige Giebelfenster im oberen Teil, gaben der Hütte ein wenig den Anschein von Frau Holles Märchenhaus.

       HIER FING ALLES AN

      Die Schwengelpumpe und das marode Regenfass, die grobe Sitzbank vor dem schweren Eichentisch ergänzten das Bild einer vollkommenen Einheit von Himmel und Erde. Eine Dornröschenidylle, die nur der Ortskundige findet. Eingewachsen in die Natur, umgeben von den Stimmen der Vogelwelt, unter einem blauen Himmel, dessen Sonnenlicht von den Zweigen der Eichen gebrochen wird.

      Der erste Schritt in das Innere der Hütte beansprucht alle Sinne: noch halb im Dunkel der geschlossenen Fensterläden dominiert der Geruch von kaltem Rauch und Pfeifentabak, gemischt mit dem Duft von trockenem Holz und abgebrannten Kerzen; akustisch wird das Zischen der Gaslampe und das Quietschen der Fensterriegel von dem Poltern der schweren Zugtreppe übertönt, deren Klappmechanismus den Weg in das obere Bettenlager freimacht.

      Und wenn das Licht in den kleinen Raum fällt, erblicken die Augen endlich, was sich auf knapp 16 Quadratmeter für eine gemütliche Einrichtung verteilt. Unter den Eckfenstern steht die geräumige Eckbank und davor im Mittelpunkt der große Ausziehtisch, der nie ausgezogen wurde, aber mit drei gediegenen Armlehnstühlen aus dem Rittergutsmobilar Platz für 6 bis 16 Gäste bietet…

      Der zweckmäßige Rest des Inventars besteht eher aus funktionalen Gegenständen, deren Gebrauchswert zwischen notwendig und überflüssig liegt und eine liebenswerte Mischung aus antiken und neumodernen Objekten ist. In der angedeuteten Küchennische aus einfachen Regalen steht der zweiflammige Campinggaskocher und daneben ein solider norwegischer Gussofen, dessen Heizqualitäten unübersehbar sind.

      Ein paar Jagdbilder an den Wänden, Gardinen, Tischdecke und Stuhlkissen sind schon dekorativer Luxus, geben aber der Hütte ihren unverwechselbaren Charme und beweisen, mit wie wenig man wieviel Gemütlichkeit erreichen kann.

      Mir war sofort klar, dies war der Beginn einer neuen Freundschaft und für mich gleichzeitig die Schulstube meiner jagdlichen Ausbildung, deren Anfang noch nicht einmal abzusehen war. Schließlich war dies mein erster Besuch in dieser Jagdhütte, verbunden mit einer Einladung zu einer kleinen Treibjagd, die mein Freund Rudi vorbereitet hatte und deren Verlauf den unumkehrbaren Weg vom Treiberanwärter zum Titel SCHMAUCH II einleitete und uns mit der Anrede „ALTER FREUND“ adelte.

      40 Jahre liegen dazwischen und illustrieren eine Freundschaft, deren stille Zeitzeugin diese Jagdhütte geworden ist, und für uns zur zweiten Heimat wurde.

       DAS HÜTTENGEDICHT

      Ganz sicher hat eine Besonderheit die